Kommentar:
Tausende Kinder sterben jeden Tag an vermeidbaren, auf Armut zurückzuführenden Ursachen. Millionen von Menschen leben in umkämpften Grenzgebieten, untergebracht in Lagern, die für viele zur dauerhaften Unterkunft geworden sind. Multinationale Konzerne setzen durch restriktive Maßnahmen und Niedriglöhne in einigen Teilen der Welt unwürdige Arbeitsbedingungen fest, während andere Unternehmen in Teilen der Welt mit Hilfe von privaten Söldnertruppen für Sicherheit sorgen. Im Globalen Süden verlieren sogenannte „failing states“, u.a. hervorgebracht durch Bürgerkriege und Genozid, die nationale Souveränität über Bevölkerung und Territorium. Im Namen der Sicherheit werden von Guantanamo bis „Prism“ zunehmend Bürgerrechte, Menschenrechte und fundamentale politische Prinzipien untergraben. Auf globaler Ebene ist eine „Wiederkehr des Religiösen“ zu beobachten, sei es in Bezug auf spezifische Konfliktkonstellationen, dem Kampf gegen Terrorismus und Fundamentalismus oder dem gesellschaftlichen Umgang mit Differenz im Allgemeinen.
Diese Beobachtungen werfen viele unterschiedliche Fragen auf. Die im Kurs behandelten Debatten und intellektuellen Traditionen sollen uns helfen, differenzierte Antworten auf diese und andere komplexe Problemzusammenhänge zu finden. Diesbezüglich ermöglichen uns Theorien, eine abgrenzbare Perspektive auf spezifische Phänomene einzunehmen, indem sie beispielsweise Aussagen über die Natur des Menschen, die Möglichkeitsbedingungen von sozialem Handeln, die Rolle verschiedener Akteure im Verhältnis zu politischen Strukturen oder die Voraussetzungen von Macht und Einfluss im internationalen System treffen. Dabei unterscheiden sich Theorien nicht nach ihrem „Wahrheitsgehalt“; vielmehr treffen sie ex- und/oder implizit normative Werturteile über die Sachverhalte, die sie betrachten, und verdeutlichen dadurch die Notwendigkeit der Beachtung ihrer ethischen und politisch-philosophischen Grundlagen.
Der Kurs verfolgt zwei verknüpfte Lernziele: zum einen soll das Verständnis von und der Umgang mit gängigen Theorieansätzen in den Internationalen Beziehungen (Realismus, Liberaler Institutionalismus, Marxismus, Konstruktivismus etc.) sowie eher randständigen Perspektiven (Poststrukturalismus, Feminismus, Postkolonialismus etc.) erlernt werden. Zum anderen sollen in diesem Zusammenhang, mit den und gegen die behandelten Theorien, allgemeine Fragen internationaler Politik adressiert und diskutiert werden, etwa: wie beeinflussen religiöse Glaubensvorstellungen Politik? Wie ist die Welt ökonomisch organisiert? Wie kann Armut beseitigt werden? Warum ist die Bewegungsfreiheit von Menschen eingeschränkt? Wie können wir verhindern, dass Menschen sich gegenseitig Schaden zufügen?
Erwartungen und Leistungen:
Für den Kurs sind keine Vorkenntnisse im Bereich der Theorien der Internationalen Beziehungen nötig. Studierende müssen jedoch die Bereitschaft mitbringen, sich mit komplizierten theoretischen Ansätzen und Hintergründen auseinanderzusetzen. Zudem ist die Bereitschaft für die detaillierte Lektüre und Vorbereitung der Seminartexte unbedingte (!) Kursvoraussetzung. Neben dem Lesen und Bearbeiten wissenschaftlicher Texte sind die Diskussion und die begründete (!) Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Fragestellungen und Standpunkten die zentralen Bestandteile des Studiums politischer Theorien. Da die einzelnen Sitzungen aufeinander aufbauen und vorherige Diskussionen aufgreifen, ist aktive und regelmäßige Teilnahme notwendig, um dem Kurs folgen zu können.
Studienleistung: Diskussion einer relevanten Frage in der Auseinandersetzung mit einer der behandelten Theorien (verschiedene Präsentationsformen möglich).
Prüfungsleistung: Hausarbeit (12-15 Seiten).
Literatur zur Einführung:
Edkins, Jenny; Zehfuss, Maja (eds.). 2009. Global Politics. A New Introduction. London/New York: Routledge.
Griffiths, Martin (ed.). 2007. International Relations Theory for the Twenty-First Century. An Introduction. New York: Routledge.
Drezner, Daniel. 2011. Theories of International Relations and Zombies. Princeton: Princeton University Press.
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