Kommentar |
Soziologische Theorien lassen zumeist das Problem des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft ungelöst, weil sie in einem zum Teil sichtbaren Bruch mit der soziologischen Traditionen des 19 Jhds. die Begriffe „Individuum“ und „Gesellschaft“ häufig so gebrauchen, als spräche man von zwei verschiedenen, ruhenden und gegensätzlichen Substanzen. Man gewinnt bei diesem Gebrauch der Worte leicht den Eindruck, dass es sich bei dem, worauf sie abzielen, nicht nur um verschiedene, sondern um als Gegensätze absolut getrennt existierende Objekte wissenschaftlicher Untersuchung handele. Aber in Wirklichkeit sind es Prozesse, auf die diese Worte abzielen. Es sind Prozesse, die sich zwar unterscheiden aber nicht abtrennen lassen. Es sind Prozesse, die sich auf bestimmte Aspekte von Menschen beziehen.
Mit der Lektüre des Beitrags „Wandlungen der Wir-Ich-Balance“ des Buches von Norbert Elias „Die Gesellschaft der Individuen“ soll dazu beigetragen werden, das Bild solcher Dichotomien, das bei dem Gebrauch der Worte „Individuum“ und „Gesellschaft“ noch immer eine herrschende Rolle spielt, durch Konzepte zu ersetzen, die in engerer Tuchfühlung mit den beobachtbaren Tatsachen stehen. Mit Hilfe dieser neuen Konzepte sollen sich unsere Vorstellungen von Menschen als Individuen und von Menschen als Gesellschaften in besseren Einklang bringen lassen. Im Laufe dieses Seminars wird gemeinsam geübt, sich von den vertrauten Denkgewohnheiten zu emanzipieren. Diese Umorientierung soll die Gedanken zwischen den zwei großen Gefahren der soziologischen Theoriebildung steuern helfen, zwischen der Gefahr, von einem gesellschaftslosen Individuum, also etwa von einem ganz für sich existierenden Handelnden auszugehen, und der Gefahr, ein „System“, ein „Ganzes“, kurzum eine menschliche Gesellschaft zu postulieren, die gleichsam jenseits der einzelnen Menschen, jenseits der Individuen existiert.
Teilnahmevoraussetzungen sind regelmäßige Anwesenheit und die Bereitschaft zur Sitzungsbetreuung.
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