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Boccaccio etabliert mit seinem Decameron jene Struktur aus Rahmen und Erzählungen, die für spätere Novellensammlungen modellbildend sein wird. Die Rahmenhandlung führt den Leser zunächst in die von der Pest heimgesuchte Stadt Florenz, sodann in zwei wunderschöne, im contado gelegene Gärten und in die Valle delle donne, das Frauental. An diesen Lustorten trägt eine Brigata aus zehn jungen Leuten innerhalb von zehn Tagen insgesamt einhundert Novellen vor. Der strengen Ordnung des Erzählrahmens steht die bunte Vielfalt der Novellen gegenüber, die sich in den oberitalienischen Stadtstaaten, in Rom und Neapel, aber auch in Frankreich, England und im Orient, an Königshöfe, in Klöstern, auf Märkten, im Milieu von Gelehrten, Kaufleuten und Künstlern zutragen. Auf der Rahmenebene erprobt eine geschlossene Gemeinschaft eine neue gesellig-literarische Ordnung, während sie in ihren Erzählungen bestehende gesellschaftliche Ordnungsmuster vorstellt und kritisch reflektiert.
Im Seminar wollen wir uns den politischen, religiösen und rechtlichen Räumen des Decameron sowie den ihnen verbundenen Strukturen und Institutionen widmen und ihre Transformation und Reflexion in der literarischen Form der Novelle untersuchen. Zur Anschaffung empfehlen wir eine von Vittore Branca herausgegebene und kommentierte Ausgabe des Decameron. Die Lektüre der Introduzione wird zu Semesterbeginn vorausgesetzt.
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