Kommentar |
Roman Ingardens Monographie Das literarische Kunstwerk, 1930 im damaligen Lemberg von einem polnischen Autor in deutscher Sprache fertiggestellt und 1931 in Tübingen zum ersten Mal erschienen, widerfuhr das Schicksal eines umgangenen Hauptwerks der Literaturtheorie: oft erwähnt, selten gelesen, den Phänomenologen zu ontologisch, den Ontologen zu phänomenologisch, den Literaturwissenschaftlern zu philosophisch, den Philosophen einem zu randständigen Gegenstand gewidmet. Tatsächlich kann Ingardens Untersuchung jedoch mit einigem Recht als Gründungsurkunde einer Philosophie der Literatur angesehen werden – nicht zuletzt der Genauigkeit und Subtilität wegen, mit der Ingarden seine Theorie des literarischen Kunstwerks entwickelt und gegen Einwände absichert. Vor allem aber hebt Ingarden die philosophische Explikation der Grundbegriffe der Theorie der Literatur sehr klar von der literaturhistorischen Beschreibung spezifischer empirischer Formen von Literatur und von der literaturkritischen Wertung einzelner Werke ab, und er unternimmt in dem Buch Das lite-rarische Kunstwerk den bis heute wohl anspruchsvollsten Versuch, anzugeben, wodurch sich literarische Werke als solche auszeichnen. Ziel des Seminars ist es, im Wege eines gemeinsamen Close reading Ingardens Theorie des literarischen Werkes möglichst genau zu erschließen. Die Frage, welche Überzeugungskraft ihr im Kontext gegenwärtiger Debatten über den Literaturbegriff zukommt, wird dabei zunächst nicht im Mittelpunkt stehen, uns jedoch immer begleiten.
Die Anforderungen an Studien- und Prüfungsleistungen unterscheiden sich für Master- und Bachelorstudierende. Bei Bachelorstudierenden dient die Veranstaltung der Vermittlung grundlegender Kenntnisse und Kompetenzen, bei Masterstudierenden dient sie der Vertiefung und Erweiterung. |
Literatur |
Im Buchhandel ist das Buch derzeit nur in einer Reprintausgabe (einschließlich einer e-book-Lizenz, so dass sich eventuell zwei Teilnehmer mit unterschiedlichen lesetechnischen Präferenzen die Kosten teilen könnten) für 69,95 € erhältlich. Günstigere Angebote (zwischen 25 und 40 €) findet man meistens im Antiquariat, siehe www.zvab.com; bitte erwerben Sie hier nur die Ausgaben von 1972 bzw. 1965, die den Text in der Fassung letzter Hand enthalten. Bitte lesen Sie vor Seminarbeginn die §§ 1 bis 3 (= S. 1-9), damit wir auf dieser Textgrundlage in der ersten Sitzung ein erstes Verständnis der Zielsetzung von Ingardens Untersuchung erarbeiten können. |