Kommentar |
In der gegenwärtigen Soziologie herrscht ein konstruktivistisches Selbstverständnis vor, das in Geltungsfragen nur die Beobachtung und Beschreibung sozialer Geltungsansprüche zulassen will und in der Frage der Selbstbezüglichkeit - d.h. der Geltungsbedingungen soziologischen Wissens - zwischen fallibilistischer Zurückhaltung und paradoxalem Selbstverständnis changiert. Die Tradtion der Wissenssoziologie hat das Problem der Verallgemeinerung des Ideologiebegriffs (K. Mannheim) auf die Spitze getrieben: wenn alle Geltung nur soziale Geltung (geglaubte Wahrheit und Richtigkeit) ist, dann gilt dies auch für die Wissenssoziologie selbst. In der jüngeren Debatte haben Diskurstheorie (M. Foucault) und Systemtheorie (N. Luhmann) Geltungsfragen komplett auf die Objektseite geschoben: die Soziologie entzaubert Geltungsnsprüche, indem sie hinter diesen verdeckte Macht- oder Funktionsbedingungen sichtbar macht. Inzwischen stehen nach-konstruktivistische Geltungs- und Rationalitätsvorstellungen auf der Agenda. Das Seminar wird die Probleme der epistemologischen Selbstbezüglichkeit anhand der Tradition der Wissenssoziologie sowie die nachfolgenden konstruktivistischen Ansätze behandeln und schließlich neuere Ansätze und Überlegungen zur "Wahrheit" der Soziologie vorstellen und diskutieren. |
Literatur |
Zur Vorbereitung: Luhmann, Niklas (1995): Die Soziologie des Wissens: Probleme ihrer theoretischen Konstruktion, in: ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik, Band 4, Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 151-181. Mannheim, Karl (1995): Ideologie und Utopie (1929), Frankfurt/M.: Klostermann. Knorr-Cetina (1984): Die Fabrikation von Erkenntnis, Frankfurt/M.: Suhrkamp. Polanyi, Michael (1985): Implizites Wissen, Frankfurt/M.: Suhrkamp. Luckmann, Thomas (1980b): „Rationalität der Institutionen im modernen Leben", in: ders., Lebenswelt und Gesellschaft Paderborn: Schöningh, S. 190-206. Foucault, Michel (1973): Archäologie des Wissens, Frankfurt/M.: Suhrkamp. |