Buch des Monats
Friso Wielenga, Loek Geeraedts (Hg.) Jahrbuch des
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Im Jahr 2002 wurden die Niederlande von den größten innenpolitischen
Turbulenzen heimgesucht, die es seit 1945 im Land gegeben hatte. Bei den Kommunalwahlen
im März 2002 erreichte die Bewegung des politischen Quereinsteigers Pim
Fortuyn in Rotterdam auf Anhieb 35 Prozent der Stimmen, und viele rechneten
damit, daß er bei den darauffolgenden Parlamentswahlen sogar die größte
politische Kraft in den Niederlanden werden könnte. Kurz vor den Wahlen
wurde Fortuyn ermordet, und seine rechtspopulistische Bewegung wurde mit gut
17 Prozent die zweitstärkste Fraktion im niederländischen Parlament.
Was war geschehen in den Niederlanden, einem Land, das bis dahin vor allem durch
politische Stabilität, Kontinuität und - in den Augen vieler ausländischer
Beobachter - durch Toleranz und Liberalität gekennzeichnet war? Auch in
Deutschland schienen 2001/2002 populistische Politiker wie Ronald Schill und
Jürgen Möllemann erfolgreich zu sein.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stehen im vorliegenden Jahrbuch eine
Reihe von Aufsätzen über den Vergleich von Parteien, Populismus und
politischer Kultur in den Niederlanden und in Deutschland im Mittelpunkt. Sie
gehen auf eine Tagung zurück, die am 4. und 5. Juli 2003 am Zentrum für
Niederlande-Studien stattgefunden hat. In den Beiträgen über Parteien
und politische Kultur. Die Niederlande und Deutschland im Vergleich geht es
um politische Führungsstile, um Wahlverhalten und um die Bedeutung, die
populistische Bewegungen wie die von Fortuyn oder Schill für die Demokratie
besitzen. Was bedeutet politische Führerschaft in der heutigen Demokratie,
in der die früheren Bindungen zwischen den politischen Parteien und den
Wählern verschwunden sind und die Instabilität durch Rechtspopulismus
zuzunehmen droht? Wie reagieren die ‚traditionellen' Parteien hierauf,
und welche politisch-kulturellen Veränderungen sind zu erwarten? Auf diese
und andere Fragen gehen namhafte niederländische und deutsche Politikwissenschaftler
und Historiker in diesem Jahrbuch ein und bilden damit den Anfang eines neuen
Forschungsschwerpunktes im Zentrum für Niederlande-Studien, der in den
nächsten Jahren zu weiteren vergleichenden Studien über die politische
Kultur in Deutschland und in den Niederlanden führen wird.
Weitere Beiträge dieses Jahrbuches beschäftigen sich mit dem langwierigen
Kampf um Anerkennung der ehemaligen niederländischen Zwangsarbeiter in
der Nachkriegsgesellschaft der Niederlande, mit dem für die deutsch-niederländischen
Beziehungen wichtigen Staatsbesuch des Bundespräsidenten Gustav Heinemann
in den Niederlanden 1969 und mit einem Vergleich der niederländischen und
der deutschen Wirtschaft seit 1945. In diesem letzten Beitrag wird ausführlich
auf die in Deutschland in den zurückliegenden Jahren oft gestellte Frage
eingegangen, inwiefern die niederländische Wirtschaft als ein Vorbild für
Deutschland dienen kann.
Wie jedes Jahr umfaßt auch dieses Jahrbuch schließlich einen ausführlichen
Überblick über die Aktivitäten des Zentrums für Niederlande-Studien
während des Jahres 2003, eine Bibliographie von deutschsprachigen Neuerscheinungen
über die Niederlande und Flandern sowie eine Reihe von Buchbesprechungen.
PARTEIEN UND POLITISCHE KULTUR. DIE NIEDERLANDE UND DEUTSCHLAND IM VERGLEICH
Henk te Velde
Drees und Fortuyn. Der Stil politischer Führerschaft in den Niederlanden
seit 1945
Klaus Schubert/Marc Raschke
Führungsstile der deutschen Bundeskanzler
René Cuperus
Vom Poldermodell zum postmodernen Populismus. Die Fortuyn-Revolte in den
Niederlanden
Frank Decker
Von Schill zu Möllemann. Über die Chancenlosigkeit des Populismus
in der Bundesrepublik
Ton Nijhuis
Rechtspopulismus in Deutschland und in den Niederlanden. Betrachtungen zum
unterschiedlichen Erfolg rechtspopulistischer Parteien
Paul Dekker
Politisches Engagement und Politikverdrossenheit in den Niederlanden
BEITRÄGE
André Beening
Der Kampf um Anerkennung. Ehemalige Zwangsarbeiter aus den Niederlanden
Marc Drögemöller
Eine Reise in die Vergangenheit? Der Staatsbesuch von Bundespräsident
Gustav Heinemann in den Niederlanden 1969
Kees van Paridon
Die wirtschaftliche Position der Niederlande - wirklich besser als die deutsche?
PROJEKTE
Das landeskundliche Schulprojekt (Guido Topoll)
Forschungsdatenbank Niederlande-Belgien (Ilona Riek)
Nachfolgeprojekt Forschungskooperationen NRW-Benelux (Ilona Riek)
NiederlandeNet (Katrin Arntz)
Strategien zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von jugendlichen Migranten in Deutschland und den Niederlanden (Markus Wilp)
MISZELLEN UND BERICHTE
Lehre am Zentrum für Niederlande-Studien (Johannes Koll)
Veröffentlichungen (Loek Geeraedts)
Veranstaltungen im Haus der Niederlande (Loek Geeraedts)
BUCHBESPRECHUNGEN
J. Janssens, De Belgische natie viert. De Belgische nationale feesten (1830-1914),
Löwen 2001
(Johannes Koll)
M.-Th. Leuker, Künstler als Helden und Heilige. Nationale und konfessionelle
Mythologie im Werk J.-A. Alberdingk Thijms (1820-1898) und seiner Zeitgenossen,
Münster u.a. 2002
(Otto Dann)
F. Boterman/M. Vogel (Hrsg.), Nederland en Duitsland in het interbellum.
Wisselwerking en contacten: van politiek tot literatuur, Hilversum 2003
(Friso Wielenga)
F. Eckardt, Pim Fortuyn und die Niederlande. Populismus als Reaktion auf
die Globalisierung, Marburg 2003
(Friso Wielenga)
D. Vogel (Hrsg.), Einwanderungsland Niederlande - Politik und Kultur,
Frankfurt a.M./London 2003
(Dietrich Thränhardt)
J.L. Kleuters/M. Ragg (Hrsg.), Christdemokratische Positionen in den Niederlanden,
der Bundesrepublik und Europa - Christendemocratische Posities in Nederland,
Duitsland en Europa, Nimwegen 2003
(Friso Wielenga) 203
BIBLIOGRAPHIE DEUTSCHSPRACHIGER LITERATUR ÜBER FLANDERN UND DIE NIEDERLANDE
FÜR DAS JAHR 2003
(Stephanie Tewaag)