Prof. Dr. Isabel Heinemann
Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2022
Hauptseminar BA: Gesellschaftsgeschichte der Bundesrepublik, Mi 10.00-12.00, F 030
Social History of the Federal Republic of Germany
„Geglückte Demokratie“, „Westernisierung“, „Liberalisierung“ – aber auch „Provisorium“, „Republik der Angst“, „Suche nach Sicherheit“. Die aktuellen zeithistorischen Deutungen der Bundesrepublik sind so vielfältig wie unübersichtlich. Dabei sind die Wandlungsprozesse und Herausforderungen, mit denen der westdeutsche Staat seit seiner Gründung konfrontiert war, nicht unerheblich: Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, „Wirtschaftswunder“ und Individualisierung, soziale Protestbewegungen und Rechtsterrorismus, Ost-West-Konflikt und europäische Integration, Arbeitsmigration und wirtschaftlicher Strukturwandel, konservative Wende und Wiedervereinigung, Migration und Rechtspopulismus – um nur einige Schlagworte zu nennen. Zugleich wird aktuell diskutiert, inwiefern eine „Globalgeschichte der Nation“ oder eine Geschichte globaler Wandlungsprozesse und transnationaler Verflechtungen die klassische Nationalgeschichte ablösen oder zumindest erweitern solle.
Aufgabe dieses BA-Hauptseminars wird sein, die unterschiedlichen Narrative kritisch zu betrachten und zugleich Desiderate und offene Fragen zur Geschichte der alten BRD bis 1989/90 und des wiedervereinigten Deutschlands nach 1990 zu entwickeln. Hierzu bedienen wir uns – ganz klassisch – des Ansatzes der Gesellschaftsgeschichte, fragen nach Entwicklungen auf den Feldern Politik, Wirtschaft, Kultur und sozialer Ungleichheit. Besonderes Augenmerk liegt zudem auf geschlechterhistorischen Überlegungen, um Gründe dafür freizulegen, dass die Hälfte der Bundesbürger*innen trotz des Gleichberechtigungsgrundsatzes im Grundgesetz bis heute keine volle politische, soziale, ökonomische Gleichberechtigung erreichen konnte.
Literatur zur Einführung: Geppert, Dominik: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 2021 (Beck Wissen).
Übung: Gesellschaftsgeschichte der Bundesrepublik - Lektüreübung, Mi 12.00-14.00, F 104
Social History of the Federal Republic of Germany – Reading Course
Ergänzend zum Hauptseminar zur Gesellschaftsgeschichte der Bundesrepublik soll diese Übung die Möglichkeit bieten, zentrale Quellenbestände und ausgewählte Forschungsliteratur zur Geschichte der BRD vertiefend zu lesen und gemeinsam zu diskutieren. Ein Besuch der Übung in Verbindung mit dem Hauptseminar ist ratsam.
Hauptseminar Master: Globalgeschichte des Rassismus, Do 10.00-12.00, F 072
Racism – A Global History
Angesichts der steigenden Präsenz rechtspopulistischer Bewegungen und vermehrter Ausbrüche rassistischer Gewalt in Deutschland, in Europa und in der Welt, die jeweils auf historische Konzepte essentialisierter Ungleichheit zurückgreifen, um Forderungen nach ethnischer Homogenität zu erheben, wird das Master-Hauptseminar eine Globalgeschichte des Rassismus erarbeiten. Anhand der Achsen Wissen, Gewalt und Geschlecht zeigen wir auf, in welchen Formen sich Rassismus in globalem Kontext herausbildete, transformierte, radikalisierte und zur alltäglichen Praxis wurde. Dabei stehen die Betroffenen und Opfer rassistischer Ideologie und Gewalt besonders im Fokus der Analyse.
Dies erlaubt uns zum einen eine präzise Positionsbestimmung des Nationalsozialismus als zentralem Bestandteil der deutschen Zeitgeschichte – gerade im Vergleich mit anderen rassistischen Gewaltregimen und Gewaltpraxen des 20. Jahrhunderts. Zum anderen legen wir offen, in welchen Etappen der Rassismus im langen 20. Jahrhundert zur global wirksamen Legitimationsideologie von Ungleichheit avancieren konnte.
Literatur zur Einführung: Geulen, Christian: Geschichte des Rassismus, München 2014 (Beck Wissen). Conrad, Sebastian: Globalgeschichte. Eine Einführung. München 2013.
Übung: Cold War Feminism. Frauenbewegungen und politischer Aktivismus von Frauen in einer geteilten Welt, Do 12.00-14.00, F 104
Cold War Feminism. Women’s Movements and Women’s Political Activism in a World Divided
Im Kalten Krieg war auch der Umgang mit politischen Frauenrechten und sozialen Handlungsräumen von Frauen ein Schauplatz des Systemkonflikts: Während die Länder der sowjetischen Einflusssphäre die politische Gleichstellung von Frauen und damit auch die massenhafte Erwerbstätigkeit von Frauen zur Basis ihres Gesellschaftsentwurfs machten, nahmen die Länder des Westens die patriarchale Geschlechterordnung der bürgerlichen Familie als Ausgangspunkt ihrer Gesellschaftsordnung und zementierten so bis weit in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts hinein die eklatante Ungleichbehandlung der Frauen durch Trennung der öffentlichen und privaten Sphären. Dabei versuchten Sowjetunion und USA und ihre Verbündeten jeweils auch ihre Geschlechterordnungen auf dem Wege invasiver Entwicklungspolitiken in die Länder des globalen Südens zu exportieren, die wiederum vor Ort auf eigene Aneignungs- und Gegenbewegungen von Frauen trafen. Erst das Ende des Kalten Krieges brachte Bewegung in die Geschlechterordnungen in Ost und West zugunsten einer erneuten Thematisierung von Frauenrechten und einer Ausweitung bzw. Neubegründung globaler feministischer Bewegungen. Hier setzt die Übung an und vergleicht Gleichstellungspolitiken und vor allem weiblichen Aktivismus in Ost und West in der Zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Insgesamt wissen wir noch viel zu wenig darüber, wie sich Frauen in den beiden politischen Einflusssphären seit Mitte des 20. Jahrhunderts organisierten, wie sie den vielfältigen Einhegungen ihrer Rechte begegneten, wo sie im Systemkonflikt Potentiale zu nutzen verstanden und neue Freiräume erstritten (und wie diese jeweils definierten), wo Austausch- und Verständigungsprozesse lagen, wo Konfrontationen entstanden (mit Männern, Experten, Regierungen, (ehemaligen) Kolonialmächten oder patriarchal strukturieren sozialen Bewegungen (Studentenbewegungen, aber auch antikoloniale Befreiungsbewegungen), politischen oder ideologischen Gegner*innen, Konzernen). Kurz: die Geschichte der Globalisierung im Kalten Krieg und der Herausbildung einer neuen globalen Ordnung ab 1989/91 bietet immens viel ungeschöpfte Potentiale für neue Forschungen, wenn man sie auch als eine Geschichte weiblichen Aktivismus und des Feminismus begreift und analysiert.
Literatur zur Einführung: Kristina Schulz (Hg.): The Women‘s Liberation Movement. Impacts and Outcomes, New York: Berghahn, 2017
Examenskolloquium für Doktorand*innen-, MA- und BA-Kandidat*innen (Olaf Blaschke, Isabel Heinemann, Silke Mende), Blockveranstaltung F 33
Das Kolloquium richtet sich an Studierende im BA/MA, die im Sommersemester ihre Abschlussarbeit verfassen und an Doktorand*innen. Gemeinsam wollen wir Themenideen und erste Ergebnisse diskutieren. Alle Teilnehmer*innen präsentieren ihre Arbeiten in einem 20-minütigen Kurzvortrag, der dann ausgiebig im Plenum besprochen wird. Es können vorab auch Kapitel und Exposés zur gemeinsamen Lektüre zur Verfügung gestellt werden.
Anmeldung bitte per Mail bei den Veranstalter*innen. Am 27.4. treffen wir uns von 18-20.00 Uhr zu einer ersten Sitzung, um die Block-Sitzungen am 13. und 14.5.2022 (bei Bedarf auch 24. und 25.6.2022) zu planen.
Kolloquium Familie und Verwandtschaft: Historische und aktuelle Zugänge (gemeinsam mit Prof. Dr. Elisabeth Timm, PD Dr. Michael Hecht, Christian Kintner und Julius Virnyi), Städtegeschichte
Das interdisziplinäre Forschungskolloquium richtet sich v.a. an Studierende der Geschichtswissenschaft und der Kulturanthropologie, steht aber auch Interessierten aus weiteren Disziplinen offen. Es bringt Forscher*innen und Studierende, die zu den Themen "Familie und Verwandtschaft" arbeiten, im interdisziplinären Austausch zusammen. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen.
Die Termine für die Vorträge werden zu Beginn des Semesters bekannt gegeben. Bitte schreiben Sie sich dazu und zur Vergabe der Zoom-Links in den zugehörigen Learnweb-Kurs ein (Einschreibeschlüssel bei alexia.ibrahim@uni-muenster.de anfordern).