Tod und Gemeinschaft. Die politische Instrumentalisierung von Toten im Kontext des deutschen Linksterrorismus

Die Geschichte des bundesdeutschen Linksterrorismus ist nur zu verstehen, wenn man einbezieht, wie seine Toten selbst ein Mittel des Kampfes zwischen den linksterroristischen Formationen und dem Staat wurden. Das Projekt hat untersucht, wie staatliche bzw. staatsnahe Akteur:innen, die linksterroristischen Gruppen, die nicht-klandestine Linke, Parteien und zivilgesellschaftliche Akteur:innen sowie die Medien die Toten der Auseinandersetzung zwischen dem bundesrepublikanischen Staat und den linksterroristischen Formationen Westdeutschlands politisch deuteten und inszenierten. Es fragte dabei, welche Wirkungen dies auf den Konflikt selbst und auf die politische Kultur der Bundesrepublik hatte.
Die Auseinandersetzung zwischen dem Staat und den Linksterrorist:innen der 1970er Jahre hat in unterschiedlichen Segmenten der westdeutschen Gesellschaft dann pazifizierend, pluralisierend und demokratisierend gewirkt, wenn Akteur:innen mit der politischen Instrumentalisierung von Toten erfolglos waren. Es war das Scheitern der radikalen Linken, die Toten zu geteilten Szenemärtyrer:innen zu erheben, das Krisenwahrnehmungen im Milieu verschärfte und eine Abkehr von tödlichen Gewaltkonzepten antrieb. Im politischen wie medialen Betrieb der Bundesrepublik konsolidierte die Darstellung und Instrumentalisierung der Toten eine konservative Verschiebung von Staatsvorstellungen, insbesondere in der Exekutive, und mobilisierte die christdemokratischen Milieus. Die Judikative und die (links-)liberalen Segmente der Zivilgesellschaft blieben aber von den im konservativen Boulevard geprägten und sich allmählich in den politischen Betrieb hinein ausbreitenden Darstellungsroutinen und Instrumentalisierungspraktiken unbeeindruckt. Sie bildeten Gegenkräfte zu dieser Verschiebung. Dennoch war dies keine Erfolgsgeschichte, in der lediglich autoritäre Versuchungen in Zeiten politischer Gewalt abgewehrt wurden: Die Unfähigkeit des linksliberalen Milieus, eigene Routinen der Deutung und Darstellung der Opfer von RAF und B2J auszubilden, bewirkte, dass durch die ursprünglich in der konservativen Publizistik und in der Exekutive ausgeprägten Darstellungs- und Inszenierungsroutinen in der Bundesrepublik eine verzerrte Wahrnehmung politischer Morde entstanden ist.