THOMAS BEHRMANN, Anmerkungen zum Schriftgebrauch in der kommunalen Diplomatie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts, in: Kommunales Schriftgut in Oberitalien. Formen, Funktionen, Überlieferung, hg. v. Hagen Keller und Thomas Behrmann (Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 68) München 1995, S. 265-281.




Die Formen und Mechanismen der Beziehungen zwischen den italienischen Kommunen im 12. und 13. Jahrhundert sind von der Forschung bislang kaum als ein selbständiges Thema behandelt worden. Der vorliegende Beitrag untersucht vornehmlich an Mailänder Urkundenmaterial einzelne Fragen zum Verschriftlichungsprozeß in der kommunalen Diplomatie.

Die Vertragsbeziehungen zwischen den Kommunen beruhen im 12. Jahrhundert auf der Eidesleistung ihrer Vertreter sowie auch der Volksversammlungen. Schriftstücke erfüllen in der Regel eine subsidiäre Funktion. Sie werden in den meisten Fällen als formlose Aufzeichnungen abgefaßt; dies gilt auch noch für die Frühzeit der Lega Lombarda. In der Lega treten die Kommunen in neuartige, multilaterale Beziehungen zueinander, ohne daß jedoch allem Anschein nach jede Kommune für sich das neue Beziehungsgeflecht systematisch schriftlich dokumentiert hätte; die Anzahl der erhaltenen Lega-Dokumente kann jedenfalls nicht als Argument für das Interesse oder Desinteresse der Städte an der gemeinsamen Sache herangezogen werden. Sehr auffällig ist indessen die dichte Überlieferung von überwiegend formlosen Schriftstücken aus den ersten Jahren der Lega in Lodi und Cremona, den beiden schärfsten Antipoden Mailands. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts tritt dann der Notar als Mitgestalter der kommunalen Diplomatie stark in den Vordergrund. Vertragsurkunden, aber auch vertragsbegleitende Schriftstücke werden nun als Notariatsinstrumente abgefaßt; und auch die häufige auswärtige Präsenz der Notare bei Vertragschließungen bezeugt das wachsende Interesse ihrer Kommunen an einer eigenen, rechtsverbindlichen Dokumentation ihrer Außenpolitik. Die Überlieferung und die rechtliche Form der Vertragsbeziehungen zwischen den Kommunen besser zu verstehen, bleibt eine wichtige Aufgabe.