Ideale Schwiegertochter, loyale Ehefrau, sexy ‚Blondine‘ und Femme fatale: Frauenfiguren in den deutschen Edgar Wallace-Filmen

Nele Dingler

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„Warum müssen Frauen immer still sein, Mr. Warren?“ –

„Weil sie dann länger schön bleiben, Ms. Penton!“

(DER HEXER [BRD 1964]: 00:32:49–00:32:54)

Dieses Zitat aus einem der wohl bekanntesten Filme der deutschen Edgar Wallace-Reihe verdeutlicht, welch – aus heutiger Sicht – reaktionäres Frauenbild in diesen Filmen vertreten wird. Dies ist wenig überraschend, wenn man die Entstehungszeit mitbedenkt, wurde die Reihe doch in den Jahren 1959 bis 1972 gedreht. Allerdings gibt es innerhalb der Reihe auch einige Filme, in denen Frauen den damaligen Stereotypen weniger entsprechen. Im Folgenden soll ein Überblick über die unterschiedlichen Darstellungen von Frauentypen geboten werden. Zum Einstieg wird das Frauenbild in DER HEXER einer detaillierteren Betrachtung unterzogen, da die Frauenfiguren in diesem Film besonders auffällig typisiert werden.

Die Frau als Bedrohung

Ausgelöst wurde der oben zitierte Dialog von dem Verlobten der gutaussehenden und naiven Blondine Elise Penton, welcher sie vorher ungeduldig darum gebeten hatte, still zu sein (vgl. DER HEXER: 00:32:48–00:32:49). Es ist fraglich, ob die von Inspektor Warren – welcher eigentlich der ‚Hexer‘ in Warren-Verkleidung ist – gegebene Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit für Elise, still zu sein, die von ihr erhoffte war. Trotzdem lachen sowohl sie als auch der Urheber des Witzes, während ihr Verlobter zustimmt und geschäftsmäßig zum eigentlichen Thema der Unterredung mit seinem Polizei-Kollegen übergeht (vgl. DER HEXER: 00:32:53–00:32:58). Die Darstellung dieser Unterhaltung wird zweimal durch Elise unterbrochen, welche sich verführerisch auf einem elektrisch verstellbaren Sofa drapiert und dabei beiden Männern entgegen lacht, lächelt und vielsagende Blicke zuwirft (vgl. DER HEXER: 00:32:59–00:33:02 und 00:33:19–00:33:21). Durch den Versuch, Elise zum Schweigen zu bringen, und dadurch, dass Higgins ihr einen irritierten Blick zuwirft, wird deutlich, dass er sie hier als Störung wahrnimmt (vgl. DER HEXER: 00:32:58).

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Nachdem der falsche Inspektor Warren Inspektor Higgins in einem spielerischen Kampf besiegt und ihn dabei neben Elise aufs Sofa befördert, lacht sie vergnügt und sagt: „Können Sie mir das auch beibringen, Mr. Warren? Genau so brauche ich ihn vor dem Standesamt!“ (DER HEXER: 00:33:53–00:33:58) Elise findet hier eine Möglichkeit, erneut eines ihrer Lieblingsthemen anzusprechen: Die von ihr sehnlichst erwartete Hochzeit mit ihrem „Higgy“ (DER HEXER: 00:32:43). Dieser scheint sich allerdings noch nicht allzu sicher zu sein, guckt er sich doch auch nach anderen Frauen um. Besonders nahe kommt ihm dabei seine Sekretärin, welche sich ihm zu Beginn des Films sogar für ein Nacktfoto zur Verfügung stellt, das er daraufhin mit dieser begeistert bespricht – in unbemerkter Gegenwart seiner Verlobten (vgl. DER HEXER: 00:05:53–00:06:40). Deren Empörung reicht aber nur für ein „Schuft!“ und das Verlassen des Büros (DER HEXER: 00:06:50–00:06:55). Der Inspektor macht auch keine Anstalten, seiner Verlobten nachzugehen und sich bei ihr zu entschuldigen, sondern kümmert sich erst einmal weiter um seine Arbeit (vgl. DER HEXER: 00:06:55–00:08:16). Kurz darauf stellt sich heraus, dass er sich ohnehin keine Sorgen um den Status seiner Beziehung machen muss, denn Elise wartet draußen brav auf ihn, und bis auf ein paar spitze Kommentare hat er nichts zu befürchten (vgl. DER HEXER: 00:08:16–00:08:40). Einer davon richtet sich auf einen für Elise vorteilhaften – hypothetischen – Unfall, infolgedessen sie mehr Zeit mit ihrem Verlobten (im Krankenhaus) verbringen könnte (vgl. DER HEXER: 00:08:46–00:08:52).

Ganz offensichtlich haben wir es hier also mit einer Beziehung zu tun, in der eine Person mehr erwartet, als die andere zu geben bereit ist. Elise scheint ganz versessen darauf zu sein, Inspektor Higgins zu heiraten, wozu sie sowohl von ihren Verführungskünsten als auch von Beschwerden und kindlich wirkendem Schmollen Gebrauch macht (vgl. DER HEXER: 00:45:13–00:46:16 und 01:09:35–01:09:42). Der Inspektor versichert ihr im Laufe des Films dann auch öfter, dass eine Hochzeit in naher Zukunft liege (vgl. DER HEXER: 00:37:09–00:37:18 und 01:10:00–01:10:10). Allerdings wird diese immer damit verbunden, dass er zuerst sein beruflich gesetztes Ziel – die Ergreifung des Hexers – erreicht (vgl. ebd.). Diese logisch-kausale Verknüpfung von der „private[n] und der gesellschaftlich-berufliche[n] Ebene]“, wird zusätzlich unterstrichen durch ihre visuelle Codierung (Blödorn 2007: 143). Sowohl auf der privaten Ebene des Ermittlers als auch auf seiner beruflichen Ebene finden sich Szenen der Bedrohung oder aber der Beruhigung (vgl. ebd.). Während sich Higgins etwa ein Nacktbild seiner Sekretärin anguckt, behauptet diese zur selben Zeit gegenüber Higgins’ Verlobter, dass er angeblich ein Foto entwickle, auf dem die Leiche eines Mannes zu sehen sei, der seine Frau betrogen habe und deswegen von ihr umgebracht wurde (vgl. DER HEXER: 00:05:35–00:05:50). Zeitgleich mit dieser von der Sekretärin ausgehenden Bedrohung der Beziehung des Helden und der Heldin thematisiert diese selbst also Ehebruch und den möglichen tödlichen Ausgang dessen. Auf der visuellen Ebene wird die Sekretärin zusätzlich als bedrohlich codiert, indem das Nacktbild von ihr diagonal zum Bildrahmen gezeigt wird, was im Hexer stets Zeichen für eine potenziell bedrohliche Situation ist (vgl. DER HEXER: 00:07:05–00:07:08). Dagegen werden Sequenzen der Beruhigung gekennzeichnet durch eine horizontale Bildaufteilung, „die insbesondere in Sequenzen der Privathandlung Verwendung findet, in denen der Inspektor und seine Verlobte als Liebespaar präsentiert werden“ (Blödorn 2007: 144).

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Besonders auffällig ist dies in einer Szene, welche auf eine große Bedrohung auf der beruflichen Ebene folgt: Nachdem Inspektor Higgins gewaltsam betäubt und verschleppt wurde, wird er von einer anderen Figur vor Schlimmerem bewahrt, indem diese seinen Angreifer erschießt (vgl. DER HEXER: 00:52:14–00:53:20). Anschließend ruht er sich zuhause gemeinsam mit seiner Verlobten auf dem bereits erwähnten Sofa aus, wobei sie jeweils mit den Füßen auf Höhe des Kopfes des anderen nebeneinander liegen (vgl. DER HEXER: 00:55:30). Rauchend beginnt Elise, eine zweite Zigarette anzuzünden, mit welcher sie mit dem Fuß ein Loch in die Zeitung brennt, die ihr Verlobter liest (vgl. DER HEXER: 00:55:31–00:55:42). Inspektor Higgins nimmt die Zigarette kommentarlos und fängt an sie zu rauchen (vgl. DER HEXER: 00:55:42–00:55:49). Daraufhin beginnt sie langsam die leicht hochgestellte Seite runterzustellen, an der er seinen Oberkörper und Kopf anlehnt, sodass er am Ende vollkommen waagerecht liegt (vgl. DER HEXER: 00:55:52–00:56:04). Sie legt sich halb auf ihn und wundert sich: „Also dich kann wohl überhaupt nichts mehr erschüttern, Brian Edgar, hm?“ (DER HEXER: 00:56:05–00:56:11). Er verweist auf die Anschläge, welchen er im Laufe seiner Ermittlungen ausgesetzt wurde, und küsst sie dabei immer wieder (vgl. DER HEXER: 00:56:13–00:56:25). Ihr Flirten wird erst durch das Klingeln des Telefons unterbrochen, woraufhin Sie ihn bittet: „Fass es nicht an, hm?“ und er antwortet: „Nur ein kleines bisschen!“ Mit einem schmollenden Gesicht schlägt sie ihm auf die Brust und richtet sich auf, um sich wieder auf ihre ursprüngliche Sofaseite zu legen, mit dem Kopf in die entgegengesetzte Richtung (vgl. DER HEXER: 00:56:26–00:56:58). Als Higgins darauf den Telefonhörer abnimmt, stellt sich heraus, dass es sich bei der Anruferin um die für seine Beziehung als Bedrohung eingeführte Sekretärin handelt (vgl. DER HEXER: 00:57:02). Diese Bedeutung wird hier durch Single source lighting klar visuell codiert, da die vorherige Szene des Liebespaars dagegen wesentlich heller ausgeleuchtet war. Zudem erscheint hier der Privatraum insgesamt zugleich offener und übersichtlicher als das vollgestellte und durch Diagonalen dominierte Vorzimmer der Sekretärin bei Scotland Yard.

Auch in diesen Szenen wird deutlich, wie sehr die Beziehung des Paares vor allem von Elise vorangetrieben wird. Ihre Versuche, den zeitungslesenden Verlobten auf sich aufmerksam zu machen, haben zwar einen gewissen Charme, wirken aber vor allem kindlich, obwohl sie gleichzeitig mit ihren körperlichen Reizen kokettiert. Gerade das Durchstoßen der Barriere – der Zeitung – mit einer Zigarette scheint bedeutsam: Elise ringt um Inspektor Higgins Aufmerksamkeit, indem sie die von ihm geschaffene Grenze durchbricht. Der Inspektor, der Elise oftmals zurecht- und zurückweist oder Interesse an anderen Frauen zeigt, scheint sich bislang noch nicht endgültig auf Elise als seine Partnerin festgelegt zu haben und die Ehe auch nicht so engagiert voranzutreiben, wie seine Verlobte es versucht. Sie gewinnt seine Aufmerksamkeit schließlich, indem sie die räumliche Distanz zwischen ihnen verringert, und zwar so sehr, dass er sie kaum ignorieren kann. Dabei nennt sie ihn – wie von ihm vorher moniert (vgl. DER HEXER: 00:32:43–00:32:48) – nicht mehr ‚Higgy‘, sondern „Brian Edgar“ (DER HEXER: 00:56:05–00:56:11). Sie nutzt also ihre körperlichen Reize und befolgt seine Regeln, woraufhin die beiden einander näherkommen. Allerdings vertauscht sie die Reihenfolge seiner Vornamen, womit sie ihn zugleich spielerisch mit seiner vorangegangenen Beschwerde aufzieht. Da sie allerdings häufig als dümmlich dargestellt wird, ist unklar, ob sie ihm hier gehorcht und die Namen unabsichtlich vertauscht oder ob sie ihn damit necken möchte. Doch daraufhin stören sowohl die Entwicklungen auf der privaten wie auch die auf der beruflichen Ebene das Liebespaar: Brian Edgar geht ans Telefon, versucht der flirtenden Sekretärin Einhalt zu gebieten und muss danach von seinem Vorgesetzten Sir John Vorhaltungen und Anweisungen bezüglich seiner Ermittlungen im Hexer-Fall entgegennehmen (vgl. DER HEXER: 00:57:02–00:58:03). Hier wird erneut deutlich, dass der Beziehung des Inspektors dieser Fall im Wege steht und erst die Lösung dessen die Weichen für eine Hochzeit mit Elise stellt.

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Die Ehefrau als ‚Komplizin‘ des Mannes

Am Beispiel dieser beiden Szenen zwischen Elise, Inspektor Higgins und seiner Sekretärin ist deutlich geworden, dass hier zwei unterschiedliche stereotype Frauenbilder bedient werden: Zum einen die potenzielle Ehefrau, welche als naiv, hilfsbedürftig, gutaussehend, erotisch und blond gezeichnet wird, zum anderen die Femme fatale, die eine Gefahr darstellt und flirtend ihre Reize zur Schau stellt. Sie ist ebenfalls gutaussehend und erotisch, allerdings dunkelhaarig. Außerdem scheint sie klug und wortgewandt, aber auch hinterlistig – und hat keine moralischen Einwände dagegen, einem verlobten Mann Avancen zu machen.

Doch im HEXER wird noch ein weiterer Frauentyp dargestellt: Die Frau des ‚Hexers‘, die – wie Sir John es ausdrückt – „eine Dame, […] eine wirkliche Dame“ ist (DER HEXER: 00:18:14–00:18:16). Diesen Eindruck erzeugt sie vor allem durch ihre Wortgewandtheit und ihr Selbstvertrauen: Sie scheint im Gegensatz zu den anderen beiden Frauen wenig Interesse an Flirts zu haben, sondern reagiert zwar höflich, aber recht ablehnend auf die Fragen Sir Johns und Inspektor Higgins (vgl. DER HEXER: 00:17:08–00:18:13). Dadurch wird gleich auf zweierlei Weise Mrs. Miltons Loyalität ihrem Mann gegenüber deutlich: Als verheiratete Frau ist sie an anderen Männern nicht interessiert und lässt sich nicht in die Karten schauen, wodurch sie ihren Mann beschützt und unterstützt. Besonders deutlich wird das, wenn man feststellt, welch ein eingespieltes Team die beiden sind: Sie entschlüsselt zum Beispiel seine per Blumenstrauß übermittelten Nachrichten oder fungiert gar als sein Sprachrohr bei dem Treffen mit Mr. Messer – und nimmt jenem gegenüber kein Blatt vor den Mund (vgl. DER HEXER: 00:20:47–00:21:18 und 01:12:37–01:13:47). Diese Loyalität und die Harmonie mit ihrem Mann kulminieren in einem geschickten Fluchtplan, bei dem sie und ihre schauspielerischen Fähigkeiten eine große Rolle spielen: Sie gibt vor, ihren Mann zu erschießen, woraufhin er in der Aufregung flüchten kann, um sie und seinen Assistenten kurze Zeit später, als Polizist verkleidet, nachzuholen (vgl. DER HEXER: 01:20:12–01:21:33). In der Frau des ‚Hexers‘ wird so der Typus einer gutaussehenden, aber reiferen und klügeren Frau entworfen, welche in ihrer Rolle als Ehefrau vor allem als Werkzeug und Komplizin ihres kriminellen1 Mannes fungiert. Sie ist also die starke Frau hinter einem – auf seinem Gebiet – erfolgreichen Mann. Dass die Methoden ihres Mannes illegal sind, scheint sie nicht zu stören, wodurch man davon ausgehen kann, dass sie mit ihrem Mann dieselben Werte und Ideale teilt.

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Beachtlich ist ebenfalls, durch welches Verhalten der als Inspektor Warren verkleidete ‚Hexer‘ sich verrät: Kommissar Wesby erklärt, dass Inspektor Warren für seine Abneigung Frauen gegenüber bekannt ist, wohingegen der kostümierte ‚Hexer‘ eindeutiges Interesse an Frauen erkennen ließ (vgl. DER HEXER: 01:19:45–01:19:58). Hier bewahrheitet sich erneut, was bereits im ersten Film der Edgar Wallace-Reihe DER FROSCH MIT DER MASKE (BRD/DK 1959) postuliert wurde: „Frauen und Kinder sind die gefährlichsten Fallstricke für einen Mann“ (DER FROSCH MIT DER MASKE: 00:30:23). Im HEXER allerdings relativiert sich dies wiederum dadurch, dass es letzten Endes seine Ehefrau ist, die dem ‚gefallenen‘ Mann wieder aufhilft.

Die Heldin im FROSCH MIT DER MASKE, Ella Bennet, gehört hingegen einem anderen Typus als die Ehefrau des ‚Hexers‘ an. Im ersten Film ist die weibliche Heldin zwar eine gutaussehende, aber sehr keusche Frau. Sie begegnet allen an ihr interessierten Männern zuerst mit Ablehnung. Sogar dem Helden, Richard Gordon, erteilt sie Absagen, wenn er seine Hilfe anbietet (vgl. DER FROSCH MIT DER MASKE: 00:52:10–00:52:42). Erst als er auf sein grob wirkendes Verhalten einen etwas sanfteren Ton folgen lässt („Ella, es wäre gut, wenn Sie etwas mehr Vertrauen zu mir hätten“ [DER FROSCH MIT DER MASKE: 00:52:44–00:52:47]) und somit deutlich macht, dass sie in Gefahr ist und er sie lediglich beschützen will, dazu aber ihr Vertrauen braucht, lässt sie sich von ihm in den Arm nehmen (vgl. DER FROSCH MIT DER MASKE: 00:52:47–00:53:10). In ihr verkörpert sich folglich eine Frau, die erst überzeugt werden muss, sich dann aber doch dankbar in die Hände ihres Retters begibt. Nach der Ergreifung des titelgebenden ‚Froschs‘ wird dann offenbart, dass die beiden ein Paar sind, und es wird der Ausblick auf ein Leben im Wohlstand geboten (vgl. Der Frosch mit der Maske: 01:25:07–01:26:26). Im HEXER fehlt ein solches Happy End, woran noch einmal deutlich wird, dass privates Glück zu Beginn der Wallace-Reihe immer an den vorausgehenden beruflichen Erfolg des männlichen Helden gebunden ist. Auf diese Bedingung für eine glückliche Zukunft des Helden-Paares weist auch Seeßlen hin:

Die eigentlichen Opfer, die jungen Heldinnen, müssen verdächtig oft vom Helden aus den Klauen einer schrecklichen Verwandtschaft gerettet werden, er muß den bösen Mann/Vater/Paten im Hintergrund erledigen, vorher reicht es kaum zu einem Kuß. (Seeßlen 1981: 210)

Diese extreme Zurückhaltung scheint allerdings vor allem für die früheren Filme der Reihe zu gelten. Im Hexer ist einigen Andeutungen zu entnehmen, dass deutlich mehr zwischen den beiden Verlobten stattgefunden hat:

„Bei solchen Gelegenheiten trat früher ein gewisses Funkeln in deine Augen und wir verbrachten einen reizenden Abend, der dich meist bis an den Rand des Ja-Wortes brachte. Aber heute leidest du nur noch an deinem Handschellenkomplex. […] ‚Fessle mich, aber nicht zu sehr!‘“ (DER HEXER: 00:45:54–00:46:16)

Deutlich wird hier auch noch einmal, dass Elise ein endgültiges Bekenntnis ihres Verlobten zu ihr und mehr Aufmerksamkeit ihr gegenüber vermisst. Nach Thiele führt die hier offen zur Schau gestellte Erotik dieser Frauenfigur dazu, dass ihr ein Happy End in Form des „Hochzeitsmythos“ (Seeßlen 1981: 211) verwehrt bleibt: „Abweichungen von der Normalität, wie z.B. die blonde Sophie Hardy in DER HEXER (Alfred Vohrer 1964), die die erotische, dumme Verlobte zu spielen hat, führen nicht zum glücklichen Ausgang.“ (Thiele 1992: 49)

Als den Regelfall einer Wallace-Frauenfigur sieht Thiele dagegen die Heldin Margaret Reedle in DIE SELTSAME GRÄFIN, welche zwar ebenfalls gutaussehend ist, aber „unauffällig“ (ebd.): eine „pflichtbewußte […], schon beinahe zwanghaft ordentliche junge Frau […]. Ihr fehlt jeder Anflug von Lässigkeit und Freizügigkeit“ (ebd.). Diesem Typ kann man auch Ella Bennet aus dem ersten Film der Reihe zuordnen.

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Zu den Gemeinsamkeiten zwischen den Frauenfiguren in DER FROSCH MIT DER MASKE und DER HEXER wiederum gehört, dass es in beiden eine Femme fatale gibt. In DER FROSCH MIT DER MASKE ist diese sogar ein Mitglied der Froschbande, welche sie deswegen bei einer von der Polizei geplanten Razzia warnt. Dabei benutzt sie den Bruder der Heldin, der ihr verfallen ist (vgl. DER FROSCH MIT DER MASKE: 01:01:35–01:01:51) (→ Oberflächen der Unterwelt). Sie steht daher eindeutig für Gefahr und erscheint auch moralisch als fragwürdig. Ihre Ermordung wird schließlich besonders grausam dargestellt (DER FROSCH MIT DER MASKE: 01:22:59–01:23:58) (→ Erotisierung und Sexualisierung in den Edgar Wallace-Filmen).

Die Ausnahmen: Aktive und ‚böse‘ Frauen

Eine interessante Entwicklung der Frauenfiguren zeigt sich unter anderem in DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE (BRD 1962). Die wortgewandte und flirtende Sekretärin Lilian Ranger erinnert zunächst an die zwei unverheirateten Frauen aus dem HEXER, unterscheidet sich aber in wichtigen Punkten von diesen: Ihr Flirten scheint weniger aufdringlich und weniger aus Körpereinsatz als aus Wortwitz zu bestehen. Sie kümmert sich außerdem liebevoll um ihren Chef, kleidet sich zwar modisch, aber weniger freizügig und figurbetont. Zudem wird sie in die Ermittlungen eingebunden, wenn sie von ihrer neuen Stelle in einer Bank Gebrauch macht und dort im Auftrag des Ermittlers ein Schließfach öffnet. Als sie sich nachts in die Bank schleicht, geht sie professionell wie eine Detektivin vor: Sie trägt Lederhandschuhe, einen Trenchcoat und führt eine Taschenlampe mit sich. Sie muss zwar nach erfolgreicher Durchsuchung trotzdem vom Helden vor dem ‚Bösen‘ gerettet und getröstet werden, doch scheinen beide mehr auf Augenhöhe zu agieren als andere Helden-Paare. Entscheidend ist auch, dass die Flirts öfter von ihr initiiert werden und auch sie selbst aktiv anbietet, ihm die Durchsuchung des Schließfachs abzunehmen (vgl. DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE: 00:08:48–00:08:53). Als sie dem Ermittler dieses Angebot macht und er sie fragt, warum sie das für ihn tun sollte, antwortet sie: „Dreimal dürfen Sie raten!“ (ebd.: 00:59:45–00:59:57). Auch in diesem Film wird aus dem Helden und der Heldin also letztlich ein Paar, doch wird dies hauptsächlich durch Körpersprache angedeutet und nicht verbalisiert (vgl. ebd.: 01:19:28–01:19:43).

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Diese Beziehung kontrastiert des Weiteren stark mit der einzigen Liebesbeziehung, die in DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE (BRD 1962) auf Seiten der ‚Bösen‘ gezeigt wird: Auch hier sagt der Ehemann, Kerkie Minelli, seiner Frau Cora Minelli mehrmals, dass sie still sein solle, allerdings auf sehr aggressive und beinahe handgreifliche Art und Weise (vgl. ebd.: 00:22:03–00:22:18). Trotz dieser Streitereien scheint Cora Minelli jedoch schwer getroffen, als ihr Mann getötet wird, und rächt sich an dem Mörder, indem sie diesen umbringt (vgl. ebd.: 01:11:38–01:12:07 und 01:19:15–01:19:26). Wie Cora Milton im HEXER ist Cora Minelli eine loyale Ehefrau, welche jedoch wesentlich weiter geht und nicht vor einem Mord zurückschreckt.

Neben Cora Minelli gibt es aber noch weitere Frauen, die nicht auf der Seite der ‚Guten‘ oder der Opfer stehen: In DIE BANDE DES SCHRECKENS (BRD 1960) ist ebenfalls eine Witwe die Täterin und rächt sich an denen, die den Tod ihres Mannes verursacht haben (vgl. Thiele 1992: 49). Außerdem gibt es noch eine wahnsinnige Täterin in DIE SELTSAME GRÄFIN (BRD 1961). Besonders aber bricht DAS GEHEIMNIS DER WEIßEN NONNE (GB/BRD 1966) mit den stereotypen Darstellungen von Frauen: Zwar gibt es auch hier eine stark sexualisierte Frau, die auf der Suche nach einem Mann ist, daneben werden aber Lady Livia, die Nonnen und die Oberin als Verbrecherinnen ohne romantische Ambitionen gezeigt. Außerdem wird Transgender thematisiert und sogar als Mordmotiv präsentiert: Trudy, welche sich als Mann identifiziert, mordet aus der Wut heraus, in einen biologisch weiblichen Körper geboren zu sein.

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Ansonsten zeigt sich, dass Frauen in den Edgar Wallace-Filmen vor allem die Rolle des Opfers zukommt. Sie sind dabei „Objekt der Phantasien und Lebensträume der Männer. In DER BUCKLIGE VON SOHO schwelgt Vohrer mit Lust an der Qual junger Mädchen.“2 (Grob 1991: 86). In dieser Hinsicht ist auch die Entwicklung in DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (I/BRD 1972) aufschlussreich: Knapp bekleidete Frauenleichen werden hier immer wieder mit nackter Brust und offensiv zur Schau gestellt. Es findet also nicht nur eine starke Sexualisierung der lebenden Frauen, sondern auch der Leichen statt (→ Schaulust und Macht). Festzuhalten bleibt dabei, dass selbst die weniger stereotypen Frauenfiguren „so gepeinigt [wurden], daß ihnen am Ende das spießigste Happy End gerade recht kam“ (Seeßlen 1999: 27). Wie Thiele außerdem mit Verweis auf Seeßlen feststellt, wirkten die weiblichen Stars „nicht nur austauschbarer, sie wurden auch häufiger ausgetauscht.“ (Thiele 1992: 43).

Insgesamt lässt sich also konstatieren, dass in der Reihe der Edgar Wallace-Filme hauptsächlich stereotype, klischeehafte und ‚althergebrachte‘ bis reaktionäre Frauenbilder präsentiert werden. Erwartbar sind deren Formen als bedrohliche Femme fatale, als dumme, aber erotische Blondinen und treue Ehefrauen. Nennenswerte Ausreißer sind nur in einzelnen Filmen auffindbar, in denen Frauen beispielsweise Mörderinnen darstellen dürfen. Ansonsten findet man mit dem Heldenpaar in DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE lediglich Held und Heldin, die zumindest weitestgehend auf Augenhöhe miteinander umgehen. Die Heldin darf hier sogar als Gehilfin des Helden fungieren – auch wenn sie kurz darauf wieder von ihm gerettet werden muss.

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1   Es soll an dieser Stelle allerdings darauf verwiesen werden, dass der ‚Hexer‘ trotz der von ihm verübten Selbstjustiz als positive Figur gezeigt wird. Denn im Rahmen einer im Film angelegten Binnendifferenzierung und Unterscheidungssemantik, die ‚Kriminalität‘ nach den Kriterien ‚Recht‘ (‚legal/illegal‘) und ‚Moral‘ (‚gut/böse‘) unterscheidet, wird der ‚Hexer‘ als moralisch ‚gut‘ ausgewiesen, obwohl er sich illegaler Methoden bedient.

2   Grob erwähnt außerdem eine weitere Mörderin in dem Film Zimmer 13 (BRD 1964), kommt aber zu dem Schluss, dass das Aufbrechen des Stereotyps der Frau als Opfer nur ein Zeichen für den Willen zur Variation ist (vgl. Grob 1991: 86).


Filme

DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE (BRD 1962, Helmuth Ashley).

DER FROSCH MIT DER MASKE (FRøEN MED MASKEN, BRD/DK 1959, Harald Reinl).

DER HEXER (BRD 1964, Alfred Vohrer).

Forschungsliteratur

Blödorn, Andreas (2007): „Stilbildung und visuelle Kodierung im Film. Am Beispiel derdeutschen Edgar Wallace-Filme der 1960er Jahre und ihrer Parodie in DER WIXXER“. In: Jan-Oliver Decker (Hg.): Erzählstile in Literatur und Film (= KODIKAS/Code. Ars Semeiotica 30, Nr. 1–2). Tübingen, S. 137–152.

Grob, Norbert (1991): „Das Geheimnis der toten Augen. 13 Aspekte zum deutschen Kriminalfilm der sechziger Jahre“. In: Hans-Peter Reimann u. Rudolf Worschech (Hg.): Abschied von gestern: Bundesdeutscher Film der sechziger und siebziger Jahre. Frankfurt, S. 72–97.

Seeßlen, Georg (1981): „Die deutschen Edgar Wallace-Filme“. In: Ders.: Mord im Kino. Geschichte und Mythologie des Detektiv-Films. Reinbek bei Hamburg, S. 209–217.

Seeßlen, Georg (1999): „Trivial Pursuit. DER FROSCH MIT DER MASKE (1959)“. In: FilmGeschichte 13, S. 25–28.

Thiele, Jens (1992): „Deutsche Trivialität: DIE SELTSAME GRÄFIN (1961)“. In: Werner Faulstich u. Helmut Korte (Hg.): Tradition und Neuorientierung. 1961–1967 (= Fischer Filmgeschichte 4). Frankfurt a. M., S. 40–54.