Die komischen Figuren der Edgar Wallace-Filme am Beispiel von DER ZINKER – Wer lacht über wen und warum?

Johanna Boch

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Überblick

Jeder, der schon einmal etwas von den Edgar Wallace-Filmen oder von Edgar Wallace als Autor gehört hat, weiß, dass es sich dabei im weiteren Sinne um Kriminalgeschichten handelt. Man denkt an: Wahnsinnige in nebligen Wäldern und Mooren, die unschuldige junge Frauen verfolgen und ermorden, dunkle Männer hinter Masken, die Verbrecherorganisationen leiten und ganz London in Angst und Schrecken versetzen. Doch trotz dieser gruseligen und nicht selten auch grausamen Inhalte könnte wohl niemand diese Filme vollständig als ernste oder bedrohliche Seherfahrung bezeichnen. Dies wird vor allem von einem Aspekt verhindert: der Komik. Diese stellt einen nicht wegzulassenden Teil der Wallace-Filmreihe dar, was sich allein dadurch zeigt, dass sich kaum ein Artikel über diese Reihe findet, der die Komik nicht bespricht (vgl. u. a. Klee u. Trede 2009, Thiele 1992: 43 u. Seeßlen 1981: 210). Doch insgesamt kann man sagen, dass ein großer Teil der Komik an bestimmte Figuren gekoppelt ist, allen voran natürlich an die Figuren des Schauspielers Eddi Arent, der immerhin in 23 Wallace-Filmen mit wenigen Ausnahmen eine solche komische Rolle spielte (vgl. Klee u. Trede 2009). Doch er ist nicht der einzige Schauspieler, dem im Kontext der Reihe eine solche Rolle zugedacht ist. Auch Siegfried Schürenberg, der immer wiederkehrende Polizeichef Sir John, ist, auf eine ganz andere Weise als Arent, ein Objekt der Komik (vgl. Klee u. Trede 2009) – und selbst die Ermittlerfiguren, meist verkörpert von Fuchsberger oder Drache, sind sich für den ein oder anderen Witz nicht zu schade. Doch trotz der allgemeinen Komik fällt beim Sichten der Filme auf, dass keine dieser Figuren vergleichbar funktioniert. Es gibt vielmehr eine Fülle von verschiedenen Formen personengebundener Komik in den Wallace-Filmen. Im Folgenden sollen diese verschiedenen Figuren des Komischen aufgeschlüsselt werden. Dies soll primär am Beispiel des Filmes DER ZINKER (BRD 1963) geschehen, allerdings mit Rückgriff auf einige andere Filme.

Komik im Film

Komik ist seit Beginn der Filmgeschichte Teil des Mediums. Soweit man es heute weiß, war der erste Spielfilm eine Komödie1 (vgl. Siegrist 2017: 351), und auch wenn man an Stummfilme denkt, kommen einem als erstes Comedy-Größen wie Charlie Chaplin und Buster Keaton in den Sinn (vgl. ebd.: 357 ff.). Wie Komik entsteht, ist eine lang diskutierte Forschungsfrage. Ein gängiges Erklärungsmuster bietet zunächst die Überlegenheitstheorie. Diese geht davon aus, dass Komik primär vom Receiver ausgeht, also von der die Komik wahrnehmenden Person. Komik entsteht nach dieser Theorie durch das Gefühl, dem Komikauslösenden, dem Stimulus, überlegen zu sein. Daneben gibt es die Inkongruenztheorie. Diese geht vom Stimulus selbst aus. Komik entsteht nach dieser Theorie durch das in Beziehung-Setzen von zwei nicht zusammenpassenden Aspekten. Ein Beispiel dafür wäre ein Elefant, der meisterlich Kartenhäuser bauen kann. Eine weitere gängige Theorie ist die Entlastungstheorie, welche primär von Siegmund Freud beeinflusst ist. Sie besagt, dass Komik durch das Entlastungsgefühl des Receivers entsteht, der eine Entlastung dadurch erfährt, dass soziale Normen und Werte nicht eingehalten werden, die den Menschen sonst immer einschränken (vgl. Kindt 2017: 3 ff.). Heute wird zudem betont, dass Komik nicht nur vom Receiver oder dem Stimulus ausgeht, sondern auch vom Kontext abhängt. Man geht dabei von einem ‚whole-process‘-Ansatz aus, der alle Aspekte mit einbezieht. Allerdings wird die Seite des Receivers als insgesamt wichtiger angesehen – also die Frage, warum etwas als lustig empfunden wird (vgl. ebd.: 4 f.). Für folgende Ausführungen sollen diese zugegebenermaßen sehr grob skizzierten Ansätze ausreichen.

Der Zinker

In DER ZINKER begegnet uns eine ganze Fülle von komischen Figuren. Der Film handelt, wie der Name verlauten lässt, vom ‚Zinker‘, einem Verbrecher, der in der Unterwelt dafür bekannt ist, seine früheren Komplizen zu verraten, zu ‚zinken‘, wenn sie nicht nach seinem Willen handeln. Direkt zu Beginn des Films tötet der ‚Zinker‘ allerdings zum ersten Mal einen seiner früheren Komplizen namens Larry Greame (Michael Chevalier), der seine Identität herausgefunden hatte. Inspektor Elford (Heinz Drache), der auf den ‚Zinker‘ angesetzt ist, nimmt diesen Mord als ersten Fehler des ‚Zinkers‘ wahr und beginnt nun, diesem auf die Spur zu kommen. Das als Mordwaffe verwendete Gift der schwarzen Mamba führt ihn zur Tierhandlung „Mulford“ und zu ihrem Geschäftsführer Frank Sutton (Günter Pfitzmann), dessen schwarze Mamba erst vor Kurzem entwendet wurde, und von dort auch zu der reichen Mrs. Mulford (Agnes Windeck), deren Nichte Beryl Stedman (Barbara Rütting), ihres Zeichens Kriminalautorin, wiederum mit Frank Sutton verlobt ist. Mrs. Mulfords verstorbener Mann war überdies vom ‚Zinker‘ durch Erpressung in den Selbstmord getrieben worden. Auch mit von der Partie ist die Redaktion des Telegraph, der Konkurrenzzeitung des führenden Guardian, vertreten durch Sir Geoffrey Fielding (Siegfried Schürenberg), dem guten Freund von Mrs. Mulford, sowie Josua Harras (Eddi Arent), einem albern-verschrobenen und freien Journalisten der Zeitung, der auf der Jagd nach Schlagzeilen ist und, um den Guardian zu übertrumpfen, immer wieder in die Ermittlungen hineinstolpert. Mit geballter Kraft der verschiedenen Parteien sowie der Unterwelt, die sich aufgrund des vom ‚Zinker‘ ermordeten Larry Greame an diesem rächen wollen, gelingt es endlich, Frank Sutton als ‚Zinker‘ zu entlarven, der die Morde mithilfe des wahnsinnigen Tierpflegers Krischna (Klaus Kinski) begangen hat. Letzterer tötet den ‚Zinker‘, bevor dieser ins Gefängnis kommt, und wird darauf von den Polizeikräften erschossen.

Wie man anhand der Besetzung ersehen kann, haben wir es im ZINKER mit einer sehr diversen Figurenkonstellation zu tun. Nicht nur sind sowohl Siegfried Schürenberg als auch Eddi Arent vertreten, sondern auch Agnes Windeck, die man auch aus DER BUCKLIGE VON SOHO (BRD 1966) und DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE (BRD 1968) als schrullige alte Frau (mit einem mehr oder weniger dunklen Geheimnis) kennt. Und es fehlt natürlich auch nicht an einem Ermittler und einer modernen, gutaussehenden Frau. Alle diese Figuren sind als ‚komisch‘ markiert, jede auf ihre eigene Weise. Insbesondere ist dabei die weibliche Hauptfigur herauszustellen, die im Gegensatz besonders zu späteren Wallace-Filmen hier nicht nur sehr modern, sondern auch kompetent und gewitzt ist. Diese Figuren sollen im Folgenden untersucht werden.

Sir Geoffrey Fielding

Fielding ist der Redakteur des Telegraphs, einer Zeitung, die der Geschichte mit großem Interesse folgt, doch immer wieder von dem ominösen Jos, der im Guardian veröffentlicht, in der Berichterstattung übertroffen wird. Diese Rolle passt gut in das Schema des bekannten Edgar Wallace-Darstellers Schürenberg. Normalerweise als trotteliger Sir John zu sehen, spielt er immer Autoritätsfiguren mit Verbindungen zu hohen Kreisen. Sein Auftreten ist allem voran als trottelig, vielleicht sogar schlicht als dumm zu beschreiben, zum Beispiel wenn ihm beim Beschreiben des Dirigierens von Mrs. Mulford das Wort ‚Finale‘ nicht einfällt (DER ZINKER: 00:13:35) oder er die Symphonien Beethovens durcheinanderbringt (00:38:32) und von den beiden weiblichen Figuren berichtigt werden muss. Entgegen dieser Unzulänglichkeiten ist er der erste, der sich, wenn nötig, aufregt und beschwert, ob über das Verhalten des Inspektors (vgl. 00:40:02–00:40:35) oder über die vermeintliche Unfähigkeit seines Beinahe-Angestellten Harras. Dies gipfelt darin, dass er ihn fest anstellt, als Harras ihm einen außergewöhnlichen Artikel abliefert, ihn allerdings, als die Polizei eine Nachrichtensperre verhängt, einfach wieder feuert (vgl. 01:03:25–01:04:17). Insgesamt erfüllt Fielding passgenau das Stereotyp des cholerischen, unfähigen Chefs, der Fehler zuerst bei anderen sucht. Dementsprechend ist er auch der erste, der von Harras, dem Inspektor oder Mrs. Mulford Paroli bekommt, ohne dass er sich verteidigen kann. Ein gutes Beispiel dafür ist sein Versuch, den Inspektor anzufeinden, als dieser vom Einschleusen eines Spitzels in der Tierhandlung erzählt und Fielding sich, nicht ohne eine Spur von Überheblichkeit, beschweren will:

Elford: [...] „Wir haben nämlich allen Grund anzunehmen, dass mein Kollege Sergeant
Lesli ermordet worden ist“
Fielding: „Sie haben also einen Ihrer Beamten in den Betrieb meiner lieben Freundin
Mrs. Mulford eingeschleust?! Das ist ja unerhört!“
Elford: „Die Wahl der Methoden müssen Sie gefälligst uns überlassen!“
Fielding: „Ich werde mich bei Ihren Vorgesetzten beschweren!“
Elford: „Tun Sie das!“
Fielding: „Uhu. Ich habe Verbindungen bis ins Oberhaus.“
Elford: „Wie schön für Sie! [...]“ (00:40:13–00:40:36)

Jeder Versuch, über seinen Status die Oberhand über diese Situation zu bekommen, wird von Elfords gewitztem und stoischem Benehmen abgewehrt, während Fielding nur das Gesicht in seine Hände legen kann. Zwar hat er aufgrund seiner Stellung eine gewisse Autorität vor allem gegenüber Harras, doch triumphiert am Ende auch dieser über ihn, wenn enthüllt wird, dass Harras selbst ‚Jos‘ ist (und also die ‚Geheimwaffe‘ des gegnerischen Blattes). Da Fielding in seiner Überheblichkeit diesem eine Festanstellung immer wieder versagt hatte, ist Harras nun endgültig beim Guardian angestellt. Hier wird die ‚normale‘ Hierarchie plötzlich umgekehrt, da Fielding nun seine Dienste will, Harras aber kein Interesse mehr an seiner Zeitung hat (vgl. 01:23:58–01:24:10). Schürenbergs Rollenkomik bleibt dabei immer präsent – in seinem Auftreten, das ihn als überheblich und ‚dumm‘ kennzeichnet, aber vor allem in seiner Bestrafung durch gewitztere Figuren. Er selbst löst nie aktiv einen Lacher aus, man lacht ausschließlich über ihn. Dies vermittelt dem Zuschauer ein Gefühl der Überlegenheit und hebt nicht zuletzt andere Figuren wie Elford positiv gegenüber Fielding hervor, wenn diese den Witz und den Mut haben, dem höhergestellten, aber ‚dummen‘ Fielding Paroli zu bieten.

Inspektor Elford und Beryl Stedman

Inspektor Elford ist ein klassischer Wallace-Ermittler. Regelkonform, bieder und direkt an das Gesetz gebunden, aber auch schlagfertig und dynamisch (vgl. Grob 1991: 83). Auch mit den Juwelendieben, die nur stehlen, um dem ‚Zinker‘ eins auszuwischen, hat er kein Erbarmen: „Was ihr wolltet interessiert keinen Menschen! Überlasst jedenfalls in Zukunft die Aufklärung von Verbrechen uns, dafür werden wir nämlich bezahlt.“ (00:33:13–00:33:21). Er ist hart und, gespielt von Heinz Drache, normalerweise weniger charmant als kaltschnäuzig, im Gegensatz zu den von Joachim Fuchsberger verkörperten Ermittlern (vgl. Seeßlen [1986]). Auch seine Beziehung zur weiblichen Protagonistin ist eher unausgeprägt. Keine Hochzeit am Ende, die einzige Andeutung auf eine wie auch immer geartete Beziehung ist am Ende eine Aufkündigung der Beziehung mit dem als ‚Zinker‘ entlarvten Frank und eine Zusage des Inspektors, dass sie sich bei Fragen für einen neuen Kriminalroman gerne an ihn wenden kann (vgl. 01:22:25–01:23:06). Für Wallace-Filme, die sonst recht zuverlässig mit einer Hochzeit oder zumindest der Aussicht auf eine feste Beziehung enden, ist das sehr zurückhaltend (vgl. auch Seeßlen 1981: 210). Und auch sonst ist Beryl, vor allem im Gegensatz zu späteren Wallace-Filmen, keineswegs eine ‚normale‘ Wallace-Frau. Statt von einem Wahnsinnigen direkt bedroht zu werden, ist sie vom ‚Zinker‘ als ebenbürtige Partnerin verführt worden. Er tötet sogar seine eigene Frau, die seinen Plänen im Weg war, um mit Beryl nach Afrika zu fliehen (vgl. 01:08:29–1:10:19). Die einzigen Situationen, in denen sie Angst zeigt, sind die, in denen sie den ‚Zinker‘ am oder im Haus vermutet und sich um das Leben ihres Verlobten sorgt, allerdings ohne lauthals zu schreien oder sich ‚einem Mann an die Brust zu werfen‘, wie man es vor allem in späteren Wallace-Filmen beobachten kann. Ihre stärkste Reaktion auf einen vermeintlichen Schuss ist lediglich ein scharfes Einatmen (vgl. 00:47:13). Der ‚Zinker‘ bedroht sie nicht, denn er hat sie schon. Trotzdem gibt es auch hier eine Rettung durch den Inspektor, die allerdings anders als üblich aufgebaut ist. Zwar muss, wie auch in anderen Wallace-Filmen, der ‚böse‘ Mann in Beryls Leben ausgelöscht werden (Seeßlen 1981: 210), aber anstatt sie direkt zu beschützen, rettet der Inspektor sie, indem er ihren falschen Geliebten entlarvt (nachdem sie sich bereits von diesem losgesprochen hat). Da es hier kein direktes Abhängigkeitsverhältnis gibt, ist sie auch sehr viel dominanter als Frauen in Edgar Wallace-Filmen es sonst sind. Sie hat einen eigenen Job, ist bekannt durch ihre Kriminalromane, die sich u. a. durch ihre Brutalität auszeichnen. Ihre Eigenständigkeit zeigt sich auch in der mit ihr korrelierten Komik. Sie und der Inspektor sind, im direkten Gegensatz zu Fielding, nicht passiver Gegenstand der Komik, sondern tragen aktiv zur Komik bei. Sie machen selbst Witze und sind nicht Teil von Witzen. Für Inspektor Elford lässt sich dies schon in der oben zitierten Szene ablesen. Während Fielding mit seinem Gehabe versucht, die Autorität an sich zu reißen, wird dies durch die Entgegnungen des Inspektors untergraben und Fielding dadurch sozusagen vom Inspektor zum Witz gemacht. Auch in der ersten Szene, in der Beryl und Elford zusammen zu sehen sind, lässt sich dies beobachten (vgl. 00:08:53–00:09:51). Elford diskutiert mit einigen Kollegen über den ‚Zinker‘ und sein Vorgehen, als Beryl durch die Tür kommt. Sie begrüßt ihn, und dann folgt dieser Schlagabtausch:

Elford: „Wie kommen Sie denn hier rein?“
Beryl: „Durch die Tür.“
Elford: „Ja ja, sehr witzig ... Sie suchen wohl Material für Ihren neuen Kriminalroman,
was?“
Beryl: „Genau. Haben Sie schon einen bestimmten Verdacht, wer der Täter sein könnte?“
Elford: „Mhm, können sie schweigen?“
Beryl: „Selbstverständlich!“
Elford: „Ich auch. Guten Tag!“
Beryl: „Sehr witzig, und so neu!“ (00:09:00–00:09:19)

Als er ihr die Tür weist, versucht Josua Harras mit dem Inspektor zu reden und wird ebenfalls abgewiesen. Stattdessen versucht er mit angedeuteter Koketterie von Beryl die nötigen Informationen zu erhalten (vgl. 00:09:19–00:09:41), worauf sie, den Inspektor kopierend, sagt:

Beryl: „Können Sie schweigen?“
Harras: „Wie eine Sphinx.“
Beryl: „Ich auch, guten Tag!“
Harras: „Weiber!“ (00:09:41–00:09:51)

Während sie auf den Kalauer von Elford souverän und lächelnd antwortet, kann Eddi Arent sie nur noch plump beleidigen, als sie schon fort ist. Beryl unterliegt nicht im Gespräch mit dem Inspektor, sondern begegnet ihm auf Augenhöhe. Beide, sowohl Elford als auch Beryl, witzeln aktiv, sind allerdings nie die Zielscheibe des Spottes. Sie wirken dadurch auf den Zuschauer mächtiger bzw. souveräner und sympathischer.

Josua Harras und Nancy Mulford

Der bereits angesprochene Harras sowie Mrs. Mulford nehmen nun in dieser Gegenüberstellung eine Sonderrolle ein. Harras ist, wie fast jede Figur, die von Eddi Arent verkörpert wird, verschroben und komisch, bildet also eine Inkongruenz zu den sonstigen innerfilmischen Verhaltungsformen. Seine Bewegungen sind kontrolliert, aber übertrieben. Als er beispielsweise sagt, er könne wie eine Sphinx schweigen, hält er mit übermäßig ernstem Gesicht seine Finger in einer Schwurgeste vor sein Herz (vgl. 00:09:43). In einer anderen Szene spielt er nach eigenen Worten „Pingpong im Simultanverfahren“ (00:26:54), was bedeutet, dass er so tut, als würde er Tischtennis spielen, obwohl weder Platte noch Schläger noch Ball in Sicht sind (Abb. 1). Bestärkt wird dieser Eindruck durch die Soundkulisse, die die Geräusche, die der innerdiegetisch fiktive Ball machen würde, imitiert. Diese Handlungen zeichnen ihn sowohl für den Zuschauer als auch für die innerdiegetischen Figuren als Clown aus. Als Fielding ihn beim Pingpongspielen überrascht, kann er nur den Kopf schütteln und dies mit einem „Um Himmels Willen“ (00:27:19) quittieren. Bis zum Ende des Filmes nimmt er ihn nicht ernst, ja schikaniert ihn gar. Auch die restlichen Figuren nehmen ihn kaum ernst. Als ihn der Assistent Elfords beim Herumschleichen mit einem Damenstrumpf über dem Gesicht erwischt, macht er sich über ihn lustig (vgl. 00:55:24). Aber trotz dieser eindeutigen Markierung als Clown, agiert und wirkt er nicht wie Fielding. Denn statt schusselig, gar dumm zu wirken, reagiert er auf Angriffe auf seinen Charakter mit eigener Kritik und ernstem Auftreten, was überrascht, da sein albernes Verhalten eigentlich keine scharfe Zunge erwarten lässt. In dem ersten Treffen von Harras und Fielding beispielsweise kritisiert Fielding ihn, weil Harras, statt Jos zuvorzukommen, Essays mit seiner Meinung nach uninteressanten Themen wie „Gibt es ein Liebesleben im Weltraum“ (00:06:26) schreiben möchte. Auf diese Kritik hin reagiert Harras eingeschnappt und kommentiert, Fielding solle „ab und zu ein Stück Fleisch essen“ (00:07:04), dann wäre er weniger nervös. Darauf wird gezeigt, wie Fielding eine Möhre isst, und zwar aus der äußerst ungewöhnlichen Innenperspektive aus seinem Mund heraus. Durch das überraschende Kontra zusammen mit der seltsamen Kameraperspektive entsteht hier ein komischer Effekt. Dies alles gipfelt schließlich in der Enthüllung, dass er selbst in Wahrheit der ‚geniale Schlagzeilenjäger‘ Jos ist. Damit ändert sich die Stellung beider zueinander: Schürenbergs einzige Stärke war seine höhere Stellung gegenüber Harras; mit der nun erfolgenden Rollenumkehr, die Harras zum Überlegenen macht, erweisen sich beide als ‚Witzfiguren‘. Harras allerdings, so verdeutlicht die Kontrastierung, verfügt auch selbst über aktive Komikanteile.

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Ähnliches lässt sich auch für einen anderen Charakter festhalten: Nancy Mulford. Zuerst eingeführt durch einen bizarr langsamen Rückzoom, der sie zuerst in einer nahen Einstellung dirigierend zeigt und dann langsam enthüllt, dass sie lediglich in ihrem eigenen Haus vor einem kleinen Publikum aus Freunden und Verwandten eine Aufnahme dirigiert (Abb. 2), erhält sie sofort eine verschrobene und tattrige Note (vgl. 00:12:16–00:13:48). Noch verstärkt wird dies von ihrer für Agnes Windeck charakteristischen hohen ‚harmlose-alte-Damen-Stimme‘. Im Laufe des Filmes wird allerdings ein weiterer komischer Kontrast aufgebaut. In einem Gespräch mit ihrer Nichte über ihren neuen Kriminalroman zeigt sie einen eigentümlichen Geschmack für gewalttätige Literatur und Vergeltung, indem sie anmerkt, statt den Bösewicht nur zu erschießen, sollte „man […] ihn mit einer kleinen Laubsäge“ erledigen (00:46:26). Nicht nur ist dies komisch, da die Inkongruenz ‚vermeintlich harmlose alte Frau‘ vs. ‚Freundin blutrünstiger Kriminalromane‘ aufgebaut wird, sondern es entsteht auch ein Zweifel an der zuerst eingeführten Charakterisierung, welcher im Laufe des Filmes noch gestärkt und am Schluss durch ihre Vergeltung am ‚Zinker‘ bestätigt wird (vgl. 01:17:31–01:21:24). Auch aus anderen Wallace-Filmen kennt man diese Taktik: Ein Verdächtiger wird erschaffen, indem ein Bild aufgebaut und schließlich gänzlich demontiert wird. Genau wie Harras wirkt sie ebenfalls komisch, ja lächerlich, jedoch nicht geistig beschränkt. Besonders gut zu ersehen ist das in der Szene, in der sie mit Fielding einen Tee trinkt. Ihr Butler vertauscht die Tassen und es stellt sich heraus, dass sie Whisky statt Tee trinkt. Auf Fieldings entgeisterte Frage, ob sie dies in jeder ihrer Zusammenkünfte tue, antwortet sie: „Nein, mein lieber Geoffrey, […] manchmal war es auch Rum!“ (00:16:53). Ein Schnitt schließt die Nahaufnahme einer Schlange, gekoppelt mit einem Raubtierschrei im Hintergrund an (vgl. 00:16:57): eine komische Kommentierung der Tee-Szene durch eine überraschende Wildheit.

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Auswertung

Herausgestellt wurde, dass es in den Wallace-Filmen drei Gruppen von komischen Figuren gibt. Diejenigen, die allein dazu dienen, die Zielscheibe von Witzen zu sein und damit ihre Komik primär durch ein Überlegenheitsgefühl der Zuschauer erreichen. Sie dienen der Auflockerung der Gesamtatmosphäre. Zweitens diejenigen, die Komik aktiv aufbauen und so ihre eigene Überlegenheit und Handlungsfähigkeit zeigen. Besonders bei den Frauenfiguren ist dies außergewöhnlich. Hier entsteht eine positive Identifikationsfigur, was die These stützt, dass die frühen Edgar Wallace-Filme dezidiert an ein weibliches Publikum gerichtet waren (vgl. Seeßlen 1981: 210 f.). Und drittens die Gruppe derjenigen, die sowohl passiv als auch aktiv in Formen der Komikerzeugung eingebunden sind. Dies geschieht zumeist aufgrund einer bestimmten Inkongruenz. So ist Harras zunächst primär aufgrund seines seltsamen Gebarens komisch, was die anderen Figuren dazu anhält, sich über ihn lustig zu machen. Erst zum Ende hin erfährt man schließlich von seiner eigentlichen Kompetenz, die dann auch zu einer zufriedenstellenden Auflösung führt. Bei Mrs. Mulford ist es ähnlich: Auch sie wirkt zunächst schrullig, wird aber dann erst zu einer Verdächtigen und schließlich zu einer verschlagenden, aber im Recht handelnden Frau, die ihren verstorbenen Mann rächen will. Die letzte Gruppe ist die für Wallace-Filme kennzeichnendste: Als zunächst komisch eingeführte Figuren werden sie in zunehmend in Spannungsbögen involviert, die sie zu Verdächtigen machen und hinter ihrer komischen Fassade ‚Abgründe‘ vermuten lassen. In diesem Kontext nehmen allerdings Eddi Arents Clown-Figuren eine Sonderrolle ein. Denn Arent ist dem Zuschauer aus Vorgängerfilmen der Reihe als nicht verdächtig bekannt. Mit sehr wenigen Ausnahmen sind seine Figuren nie Mörder, oft sogar ganz aus dem Verdächtigenkreis ausgeschlossen. Insgesamt betrachtet lässt sich bilanzieren, dass die drei Gruppen komischer Figuren durch die verschiedenen Formen der Interaktionen hierarchisiert werden: Die souveränen Figuren schlagen dabei die weniger souveränen in Wortduellen.

So verfügen die Edgar Wallace-Filme über eine große Bandbreite an komischen Figuren. Sie erfüllen im Rahmen von Spannungs- und Sympathielenkung unterschiedliche dramaturgische Funktionen bis hin zu plumpem Klamauk. Dabei zeigt sich jedoch, dass die komischen Figuren und ihre ihrem Stil des steten Wechsels von gruseligen Anspannungs- und komischen Entspannungssequenzen essenziell sind. Auch dies ist wohl einer der Gründe, warum sich die Filme bis heute nachhaltiger Popularität erfreuen.

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1    Es handelt sich dabei um den 1895 aufgenommenen Film ARROSEUR ARROSÉ (DER BEGOSSENE GÄRTNER) von L. Lumiére. Dargestellt ist ein Gärtner, dem ein Lausbube einen Streich spielt, indem er den Schlauch, mit dem der Gärtner die Blumen wässert, solange zuhält, bis der Gärtner in den Schlauch guckt. Der durchnässte Gärtner verfolgt im Anschluss den fliehenden Jungen und versohlt ihm den Hintern (vgl. Siegrist 2017: 351).


Filme

DER ZINKER (BRD 1963, Alfred Vohrer).
DER BUCKLIGE VON SOHO (BRD 1966, Alfred Vohrer).
DER HUND VON BLACKWOOD-CASTLE (D 1968, Alfred Vohrer).

Forschungsliteratur

Grob, Norbert (1991): „Das Geheimnis der toten Augen. 13 Aspekte zum deutschen Kriminalfilm der sechziger Jahre“. In: Hans-Peter Reimann u. Rudolf Worschech (Hg.): Abschied von gestern: Bundesdeutscher Film der sechziger und siebziger Jahre. Frankfurt, S. 72–97.

Kindt, Tom (2017): „Komik“. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart, S. 1–6.

Klee, Ralf u. Broder-Jürgen Trede (2009): „Im Bann des Killer-Froschs“. Spiegel-Online. https://www.spiegel.de/geschichte/kinogeschichte-a-948483.html (13.04.2021).

Seeßlen, Georg (1981): „Die deutschen Edgar Wallace-Filme“. In: Ders.: Mord im Kino. Geschichte und Mythologie des Detektiv-Films. Reinbek bei Hamburg, S. 209–217.

Seeßlen, Georg [1986]: „Edgar Wallace – Made in Germany“. filmzentrale. filmzentrale.de/rezis/edgarwallacegs.html (08.03.2021).

Siegrist, Hansmartin (2017): „Comedy’s Greatest Era“. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart, S. 357–359.

Siegrist, Hansmartin (2017): „Die Urszene der Film-Komik“. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart, S. 351–355.

Thiele, Jens (1992): „Deutsche Trivialität. Die seltsame Gräfin (1961)“. In: Werner Faulstich u. Helmut Korte (Hg.): Tradition und Neuorientierung. 1961 – 1967 (= Fischer Filmgeschichte 4). Frankfurt a. M., S. 40–54.