Late Autumn School 2017
Late Autumn School 2017

Vertrauen im Wandel? Die Konstitution und Bedeutung von Vertrauen im digitalen Zeitalter

Im Rahmen der Late Autumn School 2017 begrüßte das Graduiertenkolleg internationale Vertrauensforscherinnen und –forscher in Münster

Zum vierten Mal haben sich in diesem Jahr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen einer Late Autumn School in Münster getroffen, um über aktuelle Themen der Vertrauensforschung zu diskutieren. Unter dem Titel „Trust through the changes of time? The constitution and meaning of trust in digital times“ hatte das Graduiertenkolleg „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ einige der profiliertesten Akteure auf dem Gebiet der Vertrauensforschung als Vortragende gewinnen können. Darüber hinaus bot die Late Autumn School für Doktorandinnen und Doktoranden der Kommunikationswissenschaft, Psychologie, Sportwissenschaft, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftswissenschaft die Chance ihre Promotionsprojekte mit den renommierten Gästen zu diskutieren.

Keynote Speaches

Den Anfang der Vortragsreihe machte am Freitag, 24.11. Prof. Dr. Roger C. Mayer von der North Carolina State University (USA) mit einem Vortrag zum Thema „Trust in a Digital Age: Getting beyond 1s & 0s“. Als Hauptautor und Mitentwickler eines der meist zitierten Vertrauensmodelle ist Mayer eine der wichtigsten Figuren der Vertrauensforschung. Das von ihm mitentwickelte Modell wurde nicht nur tausendfach zitiert, sondern bildet zudem einen zentralen Baustein im Forschungsprogramm des Graduiertenkollegs an der WWU. Mayer nutzte die Keynote um anhand seiner eigenen Familiengeschichte und insbesondere der Biographie seiner Vorfahren die Schnelligkeit des gesellschaftlichen und technischen Wandels zu reflektieren. Er stellte die These auf, dass der technologische Wandel immer schneller voranschreitet und zu immer höheren Risiken führe. Einerseits sei Vertrauen eine Möglichkeit solchen Risiken zu begegnen. Andererseits warnte Mayer vor einem zu starken Vertrauen in moderne computergestützte Anwendungen. Er plädierte stattdessen nachdrücklich dafür kritisches Denken und Grundlagenwissen weiter zu schulen. Anstelle eines blinden Vertrauens, sei es notwendig moderne Technologien immer kritisch hinterfragen zu können.

An der Schnittstelle zwischen Wirtschaftswissenschaft und Psychologie arbeitet Prof. Dr. Sirkka Jarvenpaa von der University of Texas at Austin (USA). Am Samstag Morgen fokussierte sie in ihrer Keynote „Trust and Distrust in Hybrid and Blended Environments“ die Zusammenarbeit von global verstreuten Arbeitsgruppen. Sie ging insbesondere darauf ein, dass die meisten Teams in modernen Arbeitskontexten nicht ausschließlich virtuelle oder face-to-face Teams sind. Stattdessen handelt es sich meistens um hybride Teams, die sich sowohl durch virtuelle als auch durch face-to-face Kontakte ausweisen. In diesem Zusammenhang zeigte sie aktuelle Erkenntnisse zur Teamarbeit in Unternehmenskooperationen auf und fundierte diese durch Einblicke in ihre eigene Forschung. Sie griff insbesondere das Verhältnis von Vertrauen und Misstrauen in Arbeitsgruppen auf und stellte heraus, dass Misstrauen durchaus positive Aspekte aufweisen kann.

Direkt im Anschluss lotete Prof. Dr. Yariv Tsfati unter dem Titel “Should we trust trust?” die Grenzen der Untersuchungsbereiche aus, die unter dem Label der Vertrauensforschung adressiert werden können. Dabei fokussierte der an der Universität Haifa ansässige Kommunikationswissenschaftler in erster Linie welche Rolle Misstrauen in journalistische Angebote bei der politischen Meinungsbildung von Bürgerinnen und Bürgern einnimmt. „Seeing is not necessarily believing“, resümierte Tsfati. So würden Zuschauerinnen und Zuschauer durchaus TV-Nachrichten des politisch oppositionellen Lagers konsumieren – obgleich sie diesen Nachrichten nicht notwendigerweise trauen. Der Wissenschaftler unterstrich, dass es für eine Demokratie jedoch unabdingbar sei, dass Bürgerinnen und Bürger dem Journalismus in seiner gesellschaftlichen Kritik- und Kontrollfunktion ein gewisses Maß an Vertrauen entgegen bringen.

Workshops

Sowohl am Freitag als auch am Samstag standen in den beiden Nachmittags-Sessions die Doktorandinnen und Doktoranden mit ihren Dissertationen im Mittelpunkt. Im Workshop von Sirkka Jarvenpaa hatten die TeilnehmerInnen und Teilnehmer die Möglichkeit ihre Forschungsprojekte vorzustellen und konstruktiv zu diskutieren. Dabei war insbesondere auch die Expertise von Prof. Jarvenpaa hilfreich, die mit kritischen Nachfragen und nützlichen Anregungen die Doktorandinnen und Doktoranden unterstützte.

Roger Mayer befasste sich in seinem Vortrag 'Understanding Trust in a Digital Age' vor allem mit seinem 'Integrative Model of Organizational Trust', welches er mit seinen Kollegen David Schoorman und James Davis bereits im Jahre 1995 entwickelt hat. Mayer stellte ferner einige Studien aus dem Management-Sektor vor, in denen das Modell zur Anwendung kam. Eine der zentralen Erkenntnisse dieser Studien: Das Vertrauen von Mitarbeitern lässt sich besonders effektiv gewinnen, wenn Vorgesetzte sie loben: "And it doesen't cost a thing!", so der US-Forscher.

Yariv Tsfati griff in seinem Workshop die polarisierte politische Situation in seinem Heimatland Israel auf. Er stellte insbesondere zwei Forschungsprojekte vor, in denen er den Zusammenhang zwischen dem Konsum rechtsgerichteter Medien, Medienvertrauen und politischen Wahlentscheidungen von Bürgerinnen und Bürgern aufzeigte. Seine Studien zeigten demnach, dass sich die Medienkritik einflussreicher Politiker aus dem Lager der Konservativen, so Tsfatis These, möglicherweise positiv in deren Wahlerfolgen widerspiegele.

Ergänzt wurde das umfangreiche Vortragsprogramm durch einen Workshop zu Publikationsstrategien in der Vertrauensforschung. Prof. Dr. Guido Möllering von der Universität Witten-Herdecke, der als Herausgeber des „Journal of Trust Research“ fungiert, gab den teilnehmenden Doktorandinnen und Doktoranden hilfreiche Ratschläge, wie man erfolgreich in einem so stark interdisziplinär geprägten Forschungsbereich wie der Vertrauensforschung publizieren kann.

Zur Late Autumn School

Seit 2013 richten die Doktorandinnen  und Doktoranden des Graduiertenkollegs das interdisziplinäre Format der Late Autumn School aus. In der mehrtägigen Veranstaltung haben die Kollegiaten sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von anderen Universitäten die Möglichkeit, eine erweiterte Perspektive auf den aktuellen Stand der Vertrauensforschung und das eigene Dissertationsthema zu erhalten. Zusätzlich zu den Keynote Speaches werden Workshops angeboten, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmner ihre Forschungsprojekte vorstellen und in der Gruppe diskutieren können.

Late Autumn School 2017

© GRK "Vertrauen und Kommunikation"
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