Religionskundliche Sammlung

Objekte der religionskundlichen Sammlung, unter anderem Buddha und Krischna Statuen
© Uni MS - Peter Grewer

Die religionswissenschaftliche Beschäftigung mit materiellen Dingen ist noch jung. Als ein Fach das „in den Bibliotheken geboren wurde“ (Bräunlein 2011) rückten die sinnliche und materielle Seite von Religionen erst mit dem Iconic Turn und der Hinwendung zur Sichtbarkeit von Religionen in den 1980er Jahren in den Fokus. Material Religion und Religionsästhetik entwickelten sich als religionswissenschaftliche Felder, die sich unter anderem der musealen Darstellung unter den Begriffen Medialität und Musealität zuwendeten. Die Religionswissenschaft erarbeitete – neben Kunstgeschichte, Archäologie, Volkskunde und Ethnologie – eine eigene Herangehensweise an die Sachkulturforschung.
Schon älter sind das Interesse und die Sammlungstätigkeit einiger Religionsforscher mit dem Ziel der Veranschaulichung ‚fremder‘ Religionen. So begann Prof. Dr. Rudolf Otto bereits 1926 die Religionskundliche Sammlung in Marburg aufzubauen. Auch in Münster gründete Prof. Dr. Antweiler 1957 eine religionskundliche Sammlung mit einem asiatischen Schwerpunkt, die heute fast 500 Objekte verschiedener Religionen aus unterschiedlichen Zeiten umfasst. Die Sammlung diente und dient vor allem der Lehre: Regelmäßig werden Lehrforschungsprojekte durchgeführt und gelegentlich kleine Ausstellungen erarbeitet. Seit einiger Zeit widmet Dr. Patrick F. Krüger (CERES, Ruhr-Universität Bochum und regelmäßig Lehrbeauftragter am IfR, Link zu Dr. Krüger) ihr einen Teil seiner religionswissenschaftlichen Forschungsarbeit. So hat er zusammen mit der Kustodie der WWU die Sammlung 2019 mit der Ausstellung „Anton Antweiler. Das Fremde zeigen" [Link zur Ausstellung] einem breiten Publikum bekannt gemacht. Der Gründer, Anton Antweiler, und seine Sammlungstätigkeit wurden in mehreren Vorträgen und dem Aufsatz Krüger, Patrick Felix/Radermacher, Martin. Der Blick auf ›das Fremde‹ Anton Antweiler und die religionskundliche Sammlung der Universität Münster. In: ZMR (im Druck) aufgearbeitet. Weitere Arbeiten vor allem zur Provinienzforschung sind in Vorbereitung. Der Sammlungsraum ist nach vorheriger Anmeldung beim IfR für Studierende wie auch für Besucher*innen zugänglich.

Digital präsentiert

In zwei Präsentationen können Sie auf Entdeckungsreise gehen durch das jugendliche Leben des Buddha und die buddhistischen Höllen der finstren Todesgottheit Yama/Enma.

Das Institut für Religionswissenschaft dankt Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel, der die inhaltliche Aufarbeitung des tibetischen Thangkas und des japanischen Rollbildes durchgeführt und damit diese Präsentationen ermöglicht hat. Ebenfalls danken wir Paula König, die die didaktische Aufarbeitung ausführte.

Die Jugend des Buddha Gautama auf einem tibetischen Thangka

Das Thangka zeigt Ereignisse aus dem Leben des Buddha Shakyamuni (auch Siddharta Gautama oder „historischer Buddha“ genannt) und buddhistische Legenden. Dargestellt sind Szenen aus der Jugend und der Phase der Suche, wie die vier Ausfahrten, das Verlassen des Elternhauses und der Moment der Weltentsagung symbolisch durch das Schneiden der Haare markiert. Es ist zu vermuten, dass das Thangka Teil einer Serie ist, die das gesamte Leben des Buddha abbildete.

Thangkas  werden u.a. zur kontemplativen Meditation verwendet und dienen der geistigen Versenkung. Sie werden in Klöstern und in Hausaltären aufgehängt oder aber als besondere, meist sehr große, Thangkas nur an Festtagen öffentlich präsentiert. Die Thangka-Malerei ist eine traditionelle Kunstform, die im Himalaya-Raum (insbesondere Nepal und Tibet) und in Zentralasien (Tuva, Mongolei usw.) hohes Ansehen genießt.

Aufgrund von Darstellungsart und -stil sowie der hohen künstlerischen Qualität wird das Thangka ins späte 19. Jahrhundert datiert. Es gehört, so haben Forschungen im Nachlass Antweilers ergeben, zu den allerersten Ankäufen für die Sammlung. Damals noch als „Lamaistische Tempelfahne“ bezeichnet, wurde das Textil während der Verhandlungen mit dem Sammler Walter Exner über den Ankauf einer Buddhafigur quasi als Dreingabe nach Münster gegeben. Ein Glücksfall, denn heute gilt das Thangka als eines der Spitzenstücke der Sammlung.

Link: https://www.thinglink.com/card/1727711476019364708

Fotos

© IfR
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Die buddhistischen Höllen und ihr Wächter Yama/Enma auf einem japanischen Rollbild

Das japanische Rollbild zeigt den Gott Yama, japanisch Enma, und einige der buddhistischen Höllen. Yama ist sowohl in hinduistischen als auch in buddhistischen Traditionen als finstre und sinistre Todesgottheit bekannt. Er wird hier in buddhistischer Tradition als „Richter“ dargestellt, der eher ein Bewahrer des kosmischen Gesetzes von Ursache und Wirkung (Dharma) ist und über die acht Höllen wacht, die als eine Art Fegefeuer zu verstehen sind, in denen die verstorbenen Seelen ihre Strafe erhalten.

Ein Namensstempel auf der Rückseite der Malerei lässt vermuten, dass das Rollbild vom Hannoveraner Landrichter Otto Rudorff (1845–1922) nach Europa gebracht wurde, der 1884 auf Empfehlung des damaligen Gesandten Japans in Berlin, Aoki Shuzö, an der Universität Tokio römisches und öffentliches Recht lehrte. Als Gerichtsdarstellung dürfte das Rollbild das besondere Interesse des Juristen Rudorff geweckt haben. Am Objekt wird der kulturelle Austausch zwischen Japan und Deutschland um 1900 an einem konkreten Beispiel greifbar, an dem auch religiöse (Yama) und säkular (Rudorff) Rechtsauffassungen thesamisiert werden können.

Link: https://www.thinglink.com/card/1727708897810056036

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Buddhistische Malereien wieder zurück in Münster

Zwei bedeutende buddhistische Textil- und Papiermalereien der Religionskundlichen Sammlung konnten mit großzügiger Unterstützung der Universitätsgesellschaft Münster e.V. konservatorisch und restauratorisch aufgearbeitet werden. Anfang Mai 2023 brachten die Restaurator:innen Philip Kochendörfer und Viola Beier aus Köln das tibetische Thangka und das japanische Rollbild zurück nach Münster. Hier werden Sie nach der Fertigstellung des Neubaus in der Robert-Koch-Straße (Hüffercampus) in einem Schaumagazin wieder der Forschung und Lehre zur Verfügung stehen und auch einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden.

Das Institut für Religionswissenschaft (IfR) und die Zentrale Kustodie bedanken sich sehr für die großzügige Unterstützung der Universitätsgesellschaft Münster e.V., die bereits den Aufbau der Sammlung in den 1950er und 1960er Jahren finanziell begleitete und ohne die die sichernden Maßnahmen nicht möglich gewesen wären. So konnten die Malereien aus Papier und Seide gereinigt und geglättet werden, Fehlstellen wurden ausgebessert und fragile Bereiche gesichert. Durch die reversible Fixierung auf Platten können die Objekte nun sicher gelagert und in den neuen Räumen präsentiert werden.

Demnächst können die Objekte digital angesehen werden. In einer audio-visuellen Präsentation können Betrachter:innen auf Erkundungsreise gehen durch das jugendliche Leben des Buddha und in die acht buddhistischen Höllen des Yama/Enma.

© D. Djahanschah
© IFR
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Digitaler Rundgang durch die Religionskundliche Sammlung

Mithilfe der Maus können Sie sich durch die virtuelle Ausstellung bewegen und einen 360°-Blick auf die verschiedenen Objekte werfen. Anklickbare Exponate färben sich rot, wenn man mit der Maus darüberfährt, und die Bezeichnung des Objekts wird eingeblendet. Klickt man das Objekt an, erscheinen eine Großaufnahme sowie ein kurzer Text. Ein Exponat ist darüber hinaus mit einer erklärenden Tonspur versehen. Es ist ebenfalls möglich in die Schränke hinter den Glasvitrinen zu schauen. Wenn Sie digital davor stehen, klicken Sie dafür die Schloss-Symbole auf den Türen an.
Link zum digitalen Rundgang

Australische Objekte der Religionskundlichen Sammlung in neuem Licht

Die Forschungen von Dr. Patrick F. Krüger und Dr. Martin Radermacher zu dem Sammlungsteil "Pater Worms" sind veröffentlicht. In Ihrem Aufsatz beleuchten die zwei Religionswissenschaftler zum einen die ethnografische Arbeit des Missionars Ernest Ailred Worms (1891–1963) und dessen Wahrnehmung australischer Kultur vor dem wissenschaftlichen Hintergrund seiner Zeit. Zum anderen beschreiben sie die Objekte, die über Pater Worms in die Religionskundliche Sammlung der Universität Münster gelangten. Darunter sind Schwirrhölzer (Tjuringas), Klanghölzer und Fadenkreuze sowie Speerspitzen und Steinwerkzeuge. Mit dem Aufsatz schließen Krüger und Radermacher eine Forschungslücke der Sammlung und tragen zur Aufarbeitung der zum Teil sensiblen Objekte bei.

Krüger, P. F., & Radermacher, M. (2023). Australian Objects in the Religious Studies Collection at the University of Münster: The “Pater Worms Collection” as a Case of Inter-Religious Contact. /Entangled Religions/, /14/(1). https://doi.org/10.46586/er.14.2023.10309 [Titel anhand dieser DOI in Citavi-Projekt übernehmen]

Klanghölzer (Rs13)
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Speerspitze (Rs18)
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Lanzette (Rs19)
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Eine indische Göttin aus Köln zieht nach Münster – Neuzugang in der Religionskundlichen Sammlung

Das Institut für Religionswissenschaft freut sich über einen bedeutenden Neuzugang in der Religionskundlichen Sammlung. Der Durga-Altar war bis zuletzt Teil der Dauerausstellung des Rautenstrauch-Joest Museums in Köln. Ursprünglich wurde er für die Durga-Puja 2008 in Köln geschaffen und für das jährlich stattfindende Fest zu Ehren der Göttin Durga verwendet. Das Idol wurde vom Indischen Kulturverein (Bharat Samiti) e. V. in Köln dem Museum und nun der Religionskundlichen Sammlung zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle danken wir dem Kulturverein sehr für die Überlassung dieses eindrucksvollen Werkes für die Vermittlung in der Lehre.

Als immaterielles UNESCO Weltkulturerbe ist die Durga-Puja hauptsächlich in Bangladesch und im nord-östlichen Indien mit Hauptort Kalkutta verbreitet. Hier zieht sie jährlich Millionen von Besucherinnen und Besuchern in die Städte, um die große Göttin in Gestalt der Durga zu verehren, die in den vielen nur für dieses Fest erstellten Altären anwesend ist. Am letzten Tag des zehntägigen Festes wird die Göttin wieder verabschiedet und die Altäre dem Wasser übergeben.

Link zur Kurzdokumentation der Durga-Puja in Kalkutta:
https://ich.unesco.org/en/RL/durga-puja-in-kolkata-00703

Das Objekt zeigt zentral die Göttin Durga als Bezwingerin des Dämons Mahisasur in Gestalt eines Büffels – in dieser Darstellung nur mit dem abgeschlagenen Kopf repräsentiert. Begleitet wird sie von ihrem Reittier, dem Löwen und ihren vier Kindern: Lakshmi (links), Göttin des Glücks und des Reichtums, Sarasvati (rechts), Göttin der Weisheit, Kunst und Wissenschaft, Ganesha (links außen), der elefantenköpfige Gott des Anfangs, und Karttikeya (rechts außen), der auch als Murugan oder Skanda bekannt ist. Über ihr, scheinbar schwebend ist Shiva als Asket dargestellt.

Bis zur finalen Präsentation im Schaumagazin des geplanten Neubaus in der Robert-Koch-Straße verbleibt der Altar im Depot verwahrt und ist bis dahin leider nicht zu sehen.

Foto: Anja Lüpken

Durga-Altar
© Anja Lüpken

Neuigkeiten aus der Religionskundlichen Sammlung: Restauration von zwei Skulpturen

© IfR

Guan-Yin

Nach einer gründlichen Reinigung und der Beseitigung von Kleberückständen unsachgemäßer Reparatur strahlt die aus Porzellan gefertigte Figur wieder in vollem Weiß. Die genaue Herkunft ist noch ungeklärt. „Sehr ähnliche Vergleichstücke in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und im Victoria und Albert Museum in London werden in die zweite Hälfte des 17. Jhs. datiert und stammen aus Dehua in der Provinz Fujian.“ so die Restauratorin. Wahrscheinlich hat Anton Antweiler, Gründer der Sammlung, sie auf dem Kunstmarkt erworben. Krüger und Radermacher schreiben zu der Figur: „Aus ähnlichen Gründen (Anknüpfung an christliche Vorstellungen, A. L.) dürfte Antweiler eine chinesische oder japanische Porzellanfigur der weißgewandeten Guan-Yin erworben haben. Die Verehrung dieses weiblichen Erleuchtungswesens (bodhisattva) aus dem Mahayana-Buddhismus ist vor allem in der chinesischen Volksfrömmigkeit weit verbreitet. Religionsgeschichtlich ist die Figur aus dem männlichen Bodhisattva Avalokiteśvara entstanden, den die Gläubigen wegen seines unendlichen Mitgefühls verehren und um Hilfe anrufen. Der Mahāyāna-Buddhismus führte das Prinzip der Verdienstübertragung ein, das den Gläubigen einen Erlösungsweg durch Verehrung und Anbetung anstelle von strenger Askese anbietet. Die chinesische Volksfrömmigkeit erhob Guan-Yin zur Glück und Wohlstand spendenden Göttin, von der die Gläubigen Trost und Segen erbitten. Die Ähnlichkeiten mit der christlichen Mutter Gottes sind auffällig und führten im 19. Jahrhundert gelegentlich zu einer bildlichen Verschmelzung beider Gestalten (…)“ (Krüger / Radermacher 2020: 94).

© IfR und A. Antweiler

Buddha (zentrale Figur des Reiseschreins)

Die zentrale Buddha-Figur des Reise- oder Hausaltars war von ihrem Sockel gebrochen und musste wieder angefügt werden. Nun hat sie ihren Platz wieder eingenommen. Antweiler schreibt zu diesem Stück, das er 1962 erwarb: „Verhältnismäßig spät, aber breit und hartnäckig, hat sich im Buddhismus ein Kult entwickelt, der sich nicht nur auf Tempel und Klöster beschränkte. Aus Korea, wohl aus dem 19. Jh., stammt der Hausaltar, dessen Schnitzereien und Beschläge künstlerische Konzeption mit bester Handwerksarbeit verbinden. Er ist unversehrt und zeigt, wie eine gehobene Familie Glaube und Kult pflegte (Abb. 6).“ (Antweiler 1965: 44)

 


Antweiler, Anton (1965) Die religionsgeschichtliche Sammlung an der kath. Theol. Fakultät der Universität Münster. In: Jahresschrift 1964 der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Aschendorff, Münster Westf.,1965, S. 41–61.

Krüger, Patrick Felix und Martin Radermacher (2020) Der Blick auf ›das Fremde‹. Anton Antweiler und die religionskundliche Sammlung der WWU Münster. In: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, Heft 1-2, 104. Jahrgang, S. 84–97.