Numismatik-Kurs (11.–20.11.2024, Rom): Coins and the Sacred in Roman and Early Modern times
Was könnte passender sein, als sich
in Rom etwa einen Monat vor dem Beginn des Heiligen Jahres mit
der religiösen Bedeutung von Münzen und Medaillen intensiver zu
beschäftigen? Genau diese Möglichkeit erhielten im November 2024
18 Master- und PhD- Studenten und Studentinnen aus 10
verschiedenen Universitäten aus den Niederlanden, Deutschland
und Österreich. In einem 10-tägigen Kurs unter der Leitung des
Koninklijk Nederlands Instituut in Rome (KNIR) in Kooperation
mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) und der Dutch
National Research School in Classics (OIKOS) bekamen die
Studierende Einblicke in die römische und frühmoderne Numismatik
mit einem besonderen Schwerpunkt auf den religiösen Kontext der
jeweiligen Objekte.
Religion und Geld sind für unsere
heutige Gesellschaft meist ein klar getrenntes Konzept. Wenige
Ausnahmen bestehen jedoch wie z. B. amerikanische Münzen und
Banknoten mit dem Motto »In God we trust« oder noch heute
jährlich angefertigte päpstliche Medaillen mit der Abbildung des
Papstes als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Im
Gegensatz hierzu zeigten Münzen und Medaillen im antiken und
frühneuzeitlichen Rom oft religiöse Themen.
Coins and Medals of the Holy City
– Die Theorie
In den ersten drei Tagen erhielten
die Teilnehmer eine detaillierte Einführung in die Wissenschaft
der Numismatik. Der Schwerpunkt lag hierbei vor allem auf
religiösen Münzmotiven und ihrer Bedeutung während der Römischen
Republik, der Kaiserzeit und der Spätantike. Das
Einführungsseminar in die republikanische Münzprägung wurde von
Dr. Marleen Termeer (Universität Nijmegen) geleitet. Sie
veranschaulichte den griechischen Ursprung der religiösen
römischen Münzmotive, welche in der frühen Republik noch sehr
stark dominierten. Erst mit der Einführung des Denars 211 v.
Chr. begann die bekannte Darstellung der Roma auf der
Vorderseite der Münzen zu überwiegen. Ab 130 v. Chr. wählten die
Münzmeister persönliche sakrale Motive in Form von religiösen
Objekten, Darstellungen von Prophezeiungen und unterschiedlichen
Gottheiten, die eine direkte Verbindung zu ihnen und ihren
Vorfahren hatten. In dem Vortrag von Dr. Erika Manders
(Universität Nijmegen) über die kaiserzeitlichen Münzen wurde
klar, dass sich die Tradition der religiösen Motive bis in die
Spätantike hindurchzieht. Ab der Herrschaft von Kaiser Augustus
zieren die Vorderseiten der Münzen meist das Abbild der
regierenden Kaiser als pontifex maximus, als religiöses
Oberhaupt. Die Münzrückseiten zeigen vermehrt die Darstellung
unterschiedlicher Götter und Personifikationen, sakrale
Monumente und religiöse Rituale. Durch Darstellungen wie
Opferszenen oder neu errichtete Tempelbauten, stellten sich die
Kaiser als fromme, die römische Gesellschaftsordnung
aufrechterhaltende Herrscher dar. Zwar ist nicht genau bekannt,
wie viel Einfluss der Kaiser auf die Prägung der Münzen hatte,
doch wird er vermutlich eine gewisse Mitsprache bei der Auswahl
der Motivik ausgeübt haben. Die Abbildung von christlichen
Darstellungen zeigt sich bereits in der Spätantike und wird in
den päpstlichen Medaillen und Münzen weitergeführt. Tiefer in
diese Themengebiet wurden die Studierenden durch Dr. Martin
Hirsch (Staatliche Münzsammlung München) eingeführt. Die
päpstlichen Medaillen, die jedes Jahr und zu besonderen Anlässen
noch bis heute angefertigt werden, sind stark von dem
politischen und religiösen Standpunkt des amtierenden Papstes
beeinflusst. Hierbei zieren Heilige, Päpste und biblische Szenen
die Seiten der numismatischen Objekte. Aber auch kirchliche
Gebäude und Landmarken wie der Petersdom wurden als Motivvorlage
genutzt. So zeigt eine Medaille von 1656 die Ankunft der
ehemaligen Königin Christina von Schweden in Rom im Jahr zuvor.
Papst Alexander VII. ließ diese Medaille zu Ehren der nach ihrer
Abdankung zum Katholizismus konvertierte Christina in Rom
prägen. Neben solchen besonderen Motiven waren jedoch auch
Abbildungen typischer päpstlicher Rituale, wie z. B. das Öffnen
und Schließen der Heiligen Pforte in dem alle 25 Jahre
wiederkommenden Heiligen Jahr sehr beliebt.
Der zweite Teil beschäftigte sich mit
dem sakralen Nutzungskontext von Münzen. Durch Dr. Marleen
Termeer wurden die Teilnehmer:innen in die griechischen und
republikanischen Münzdeponierungen, allen voran Münzhortfunden,
eingeführt. Als Beispiel sei hier der älteste römische
Silbermünzhort aus dem späten 3. Jh. v. Chr., der auf dem
kapitolinischen Hügel gefunden wurde, zu nennen. Dr. Liesbeth
Claes (Universität Leiden) besprach anschließend mit den
Studierenden die religiösen Kontexte, in denen römische Münzen
genutzt wurden. Ein wichtiger Punkt der Einführung waren die
großen Ansammlungen an Münzen, die als Votivgaben, vor allem an
Flussfurten und Brücken, gefunden wurden. Jene wurden vermutlich
für oder nach einer sicheren Überquerung des Flusses an klar
markierten Stellen abgelegt. In diesem Zusammenhang gab Liesbeth
Claes den Studenten und Studentinnen einen Einblick in ihre
eigene Arbeit zu einem Votivfund an dem Fluss Aa in Berlicum in
den Niederlanden. Dort wurden bei Grabungen in einem kleinen
Areal in der Nähe einer Flussquerung 109 römische Münzen
entdeckt, die von der Römischen Republik bis zur Regierungszeit
Kaiser Traians datieren. Darüber hinaus hatten die Studierenden
die einmalige Gelegenheit, eine Einführung in die Münzsammlung
des Vatikans durch Dr. Eleonora Giampiccolo (Direktorin des
Vatikanischen Münzkabinetts) zu besuchen. Einen besonderen
Höhepunkt stellte hierbei die Besprechung der Pilgermünzen dar,
die auf dem Grab des hl. Petrus gefunden wurden. Diese
Bronzemünzen wurden in der Heimat der Reisenden für den
täglichen Gebrauch hergestellt und bezeugen die Herkunft der
einzelnen Pilger:innen. Besonders bemerkenswert ist die
Goldmünze von Karl dem Großen, die er bei einer seiner
Pilgerreisen auf das Grab des Apostels legte.
Coins and the Sacral – Die
Entstehung einer numismatischen Ausstellung
Das eigentliche Ziel des Kurses war
jedoch die Gestaltung einer eigenen numismatischen Ausstellung
zum Thema Münzen und Religion in der Biblioteca Casanatense.
Hierbei standen den Studenten und Studentinnen die zum Teil noch
unpublizierte Münz- und Medaillensammlung der Biblioteca
Casanatense sowie deren einzigartige Bücher zur Verfügung.
Während einige Studierende bereits in der Vergangenheit
Erfahrungen mit Münzen und Medaillen sammeln konnten, war das
Thema für andere noch Neuland. Mit Unterstützung der
Kursleiter:innen konnte die Gruppe nach und nach insgesamt mehr
als 100 Münzen und Medaillen identifizieren. Nach der Bestimmung
der Münzen und Medaillen sowie deren Kategorisierung begann die
Konzipierung der Ausstellung. Hierfür wurden die
Teilnehmer:innen nach eigenen Interessensgebieten in fünf
verschiedene thematische Gruppen eingeteilt. Die Themen reichten
von der Betrachtung der religiösen Autorität(en), zu religiösen
Symbolen, religiösen Bauten und die Darstellung von Göttern und
Heiligen bis hin zum Thema Kommunikation durch Münzen. Zur
Koordination der fünf Einzelgruppen sowie der zentralen
Konzeption, Gestaltung und Marketing der Ausstellung wurde eine
gesonderte Organisations- und Managementgruppe zusammengestellt.
Als fachliche Basis diente ein Vortrag über die
Ausstellungspraxis einer numismatischen Sammlung durch den
Kurator Dr. Paul Beliën (Nationale Numismatische Sammlung der
Niederländischen Bank, Amsterdam). Er erläuterte anhand
praktischer Beispiele die wichtigsten Aspekte einer
erfolgreichen Münzausstellung: beginnend bei der Notwendigkeit
einer durchgehenden Storyline, über die Anordnung von Texten im
Zusammenhang mit den ausgestellten Münzen bis hin zum
allgemeinen Organisationsablauf einer solchen Ausstellung. In
den folgenden Tagen entwickelten die einzelnen Themengruppen
Konzepte für ihre Vitrinen, wählten passende Münzen und
Medaillen sowie weitere archäologische Funde und Bücher aus, um
ihre Botschaft für die Besucher:innen zu veranschaulichen. Ihnen
standen hierbei sowohl die vielseitige Bibliothek des KNIR und
des DAI mit eigenen Arbeitsplätzen, als auch die Ressourcen der
Biblioteca Casanatense, sei es zur Recherche von Bildern,
der Suche nach thematisch relevanten Büchern und archäologische
Objekte, zur Verfügung. Hierbei bekamen die Studierenden
tatkräftige Unterstützung bei der praktischen Umsetzung von den
ehemaligen Mitarbeiter:innen der Biblioteca Casanatense,
Eleonora Vatta und Daniele Guerrieri. Auch bei sprachlichen
Herausforderungen in Bezug auf italienische Texte und
Ausführungen waren die beiden eine große Hilfe.
Eine zusätzliche Inspirationsquelle
für das eigene Ausstellungskonzept war ein Ausflug in die
Kapitolinischen Museen, die eine umfangreiche Sammlung antiker
Münzen und frühmodernen Medaillen beherbergen. Hier betrachteten
die Studierenden die einzelnen numismatischen Objekte, zogen
Vergleiche zu den eigenen untersuchten Stücken und suchten
Beispiele für ihre eigenen Ausstellungsideen. Zusätzlich hatten
die Kursteilnehmer:innen die Möglichkeit in der vatikanischen
Medagliere, der päpstlichen Münzsammlung, mehr über die
Geschichte der päpstlichen Medaillenprägung und deren
Gestaltungskonventionen zu erfahren (Abb. 3). In
Kleingruppen durften die Studierenden und
Koordinatoren/Koordinatorinnen einige der auf vatikanischem
Boden gefundenen Münzen genauer betrachten. Eine Besonderheit
stellten hierbei die unterschiedlichen Pilgermünzen da, die aus
ganz Europa auf das Grab des hl. Petrus gelegt wurden. Definitiv
ein bewegender Moment für alle (angehenden) Numismatiker:innen.

The Divine in the Hand – Die
Münzausstellung in der Biblioteca Casanatense
Wie bei jeder großen Ausstellung
neigt sich die Planung irgendwann einem Ende zu und es beginnt
die Umsetzungsphase. Nach intensiven Sitzungen über eine
verknüpfende Storyline, eine effektive Marketingstrategie und
ein einheitliches Designkonzept, gestalteten die einzelnen
Gruppen ihre Vitrinen. Sie verfassten Einführungstexte,
unterteilten die Themen in Anschnitte, schrieben Objekttexte und
ordneten die Ausstellungsobjekte in den Vitrinen an. Dabei
mussten einige sogar den Hammer schwingen, um einzelne Elemente
sicher zu befestigen. Aber auch die Frage nach den richtigen
Werbekanälen wurde angegangen. Über Social Media, Flyer und
Plakate erhielten die Besucher:innen Informationen zur
Ausstellung, in italienischer und englischer Sprache.
Am 19. November 2024 wurde die bilinguale Ausstellung
unter dem Titel Holding the Divine. Coins and Religion in
Rome mit einer feierlichen
Eröffnungszeremonie offiziell eröffnet, bei der Reden der
Koordinationsgruppe, der einzelnen Themengruppen sowie der
Direktorin der Biblioteca Casanatense, Cristiana Aresti,
gehalten wurden. In sechs verschiedenen Vitrinen wurde den
Besucher:innen das Thema Religion anhand von römischen Münzen
und päpstlichen Medaillen nähergebracht. In der ersten Vitrine
erfuhren die Besucher:innen etwas über die Wissenschaft der
Numismatik und ihrer religiösen Komponenten. Der darauffolgende
Schaukasten beschäftigte sich mit den religiösen Autoritäten
hinter den Prägungen. Münzen und Medaillen stellten ein
wichtiges Mittel für römische Kaiser und Päpste da, um ihre
politische und religiöse Autorität auszudrücken. Durch Titel wie
pontifex maximus, die Betonung von Verbindungen zu
Göttern und göttlichen Vorfahren oder die Darstellung religiöse
Rituale auf Münzen und Medaillen legitimierten sie ihre Rolle
und ihre Macht als religiöse Oberhäupter. Das Thema Religiöse
Symbole war Schwerpunkt der nächsten Ausstellungsvitrine. In
ihr wurden weitverbreitete Bilder wie das Füllhorn, aber auch
typische Götterattribute wie die Leier des Apollo oder der
Donnerkeil des Jupiters thematisiert. Und auch das bis heute
gebräuchliche christliche Chi-Rho-Zeichen durfte bei dieser
Aufarbeitung nicht fehlen. Auch religiöse Gebäudestrukturen sind
zentrale Münz- und Medaillenmotive. Tempel und Kirchen spiegeln
die sich im Laufe der Zeit entwickelnde Sakralarchitektur wider.
Diesem Thema widmete sich die vierte Vitrine der Ausstellung.
Die Darstellung göttlicher Figuren und die Parallelen
zwischen der Vergöttlichung der kaiserlichen Familie und der
Heiligsprechung von Christen verdeutlichen die komplexen
Beziehungen zwischen Menschen und göttlichen Wesen. Münzen
dienten als Kommunikationsmittel, um die Macht der Kaiser durch
die Verbindung zur göttlichen Sphäre zu legitimieren und zu
stärken. Diese Beziehungen zwischen Menschen und Göttlichem
beleuchtete die fünfte Vitrine Gods and Saints. Hierbei
wurde vor allem auf die Darstellungen der Götter und
Personifikationen des römischen Pantheons sowie deren Bedeutung
eingegangen. Ein besonderes Augenmerk lag auch auf der
Deifikation der römischen Kaiserfamilie im Vergleich zu der
Selig- und Heiligsprechung im Katholizismus. Der letzte Teil der
Ausstellung befasste sich mit dem Thema Kommunikation durch
Münzen. Noch einmal stand verstärkt die Legitimierung
unterschiedlicher Kaiser durch Religion und durch das Medium der
Münzen im Vordergrund.
Die Ausstellung konnte bis zum 14. März 2025 in der
Biblioteca Casanatense in Rom besucht werden.

Der nächste Numismatik-Kurs unter der Leitung des KNIR
und DAI wird im Frühjahr 2026 wieder in Rom stattfinden. Er
bietet hoffentlich weiteren niederländischen und deutschen
Studierenden die einmalige Möglichkeit, tiefer in die Münzkunde
einzutauchen und sich mit Studenten und Studentinnen unterschiedlicher Fachbereiche und Länder
auszutauschen.