Polyionische Komplexe

Polyionische Komplexe (auch Coacervate genannt) bilden sich zwischen komplementär geladenen Polymerketten, d. h. zwischen Polykationen (z. B. Polyaminen, Biopolymere) und Polyanionen (z. B. Polysäuren, DNA). Die Polymerketten ziehen sich aufgrund elektrostatischer Anziehung an und finden sich zu losen Komplexen oder Gelen mit hydrophoben Domänen in Wasser zusammen (jedoch ohne Membran). Die Freisetzung der Gegenionen ist dabei die entropische Triebkraft für diese Komplexbildung. Während polyionische Komplexe in der Natur als Weichgewebe häufig vorkommen, sind sie auch für die Nanomedizin äußerst attraktiv.

Schacher et al., Micellar Interpolyelectrolyte Complexes, Chem. Soc. Rev., 2012, 6888-6901
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Werden Blockcopolymere statt Homopolymere verwendet, entstehen durch IPEC-Bildung Nanostrukturen (Mizellen, Morphologien, Kapseln) deren Form und Eigenschaften von der Blockcopolymer-Zusammensetzung und dem Mischungsverhältnis der Polyionen abhängt.

Wir verwenden die Interpolyelektrolyt Komplexbildung als neuartiges Werkzeug, um Oberflächenmuster und Nanotopographien auf Mikro- und Nanopartikeln zu erzeugen. Letzteres ist von besonderem Interesse für den Wirkstofftransport, da die Oberflächenstruktur eines Wirkstoffträgers maßgeblich für die Wechselwirkung von Träger und Zellmembrane und damit auch für Internalisierungsprozesse verantwortlich ist.

  • IPECs auf Nanopartikeln

    Wird eines der Polyionen an die Oberfläche von Nanopartikeln gebunden, verändert sich die Morphologie des IPEC. Die verankerten polyionischen Ketten sind aufgrund electrosterischer Abstoßung senkrecht zur Oberfläche ausgerichtet und dirigieren das Wachstum der IPEC-Nanostruktur. Wir konnten dieses Wachstum von Oberflächentopographien (3D-Oberflächenreliefs) auf sphärischen Blockcopolymer-Mizellen, stäbchenförmigen Zellulose-Nanokristallen und langkettigen Polymerbürsten demonstrieren. Das Beispiel von IPECs auf sphärischen Blockcopolymer-Mizellen ist hier dargestellt.

    Cryo-TEM Aufnahmen von Blockcopolymer-Mizellen mit nanostrukturierter Schale
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    Diese Blockcopolymer-Mizellen verfügen über eine Polyacrylsäure-Korona, die mit PEO-b-Poly(L-Lysin) oder PEO-b-Poly{[2-(methacryloyloxy)ethyl]trimethylammoniumiodid} komplexiert ist, um ein Bürste-auf-Bürste-System zu bilden. Eine hohe Kettenverdichtung innerhalb der Partikelperipherie verursacht eine Mikrophasenseparation, bei der sich die gebildete Morphologie senkrecht zum Partikelkern orientiert, d. h. IPEC Zylinder und Lamellen stehen senkrecht auf der gekrümmten Oberfläche. Die abgebildeten Aufnahmen wurden mit einem 300kV kryogenen Transmissionselektronenmikroskop (Kryo-TEM) aufgenommen, das die Partikel im eingefrorenen Zustand sichtbar macht. Die Verwendung von Elektronentomographie und 3D-Rekonstruktion lieferte wertvolle strukturelle Details und Einblicke in die geometrische Anordnung. Aus volumetrischen Berechnungen haben wir herausgefunden, dass die beobachteten Morphologien den klassischen Regeln der Mikrophasentrennung folgen, d. h. bei φIPEC = 20 vol.% erhielten wir Zylinder und φIPEC = 45 vol.% erhielten wir Lamellen.

    Da das gleiche Konzept auch bei Cellulose-Nanokristallen sowie Polymerbürsten funktionierte, könnte die IPEC-Bildung zu einem universellen Werkzeug werden, um die Oberfläche von Nanoobjekten mit spezifischen Topographien auszustatten. Das Potential dieser Methode wird derzeit in unserer Gruppe untersucht.