Wer entscheidet, wie sich Scheinfüßchen in Neuronen bilden?

CiM-Forscher untersuchen den Einfluss von Membrankrümmung auf die Filopodienbildung in Neuriten. Hier ein Neuron mit einem sogenannten Biosensor (rot), mit dem sich die Krümmung der Membran messen lässt.
© Gloria Mancinelli

Projekttitel: Symmetry Breaking in Neurons
Projektleitung: Christian Engwer, Milos Galic
Projektlaufzeit: 07/2016 - 10/2018
Projektkennziffer: FF-2016-03

In diesem Projekt arbeiten Mathematiker und Biologen gemeinsam daran, grundlegende Mechanismen der neuronalen Entwicklung zu erforschen. Sie verzahnen dazu bildgebende Analyseverfahren mit mathematischen Modellen und wollen klären, inwieweit die Geometrie oder die Größe von Neuriten darüber entscheiden, ob und wie sich Filopodien, also Scheinfüßchen, bilden. Filopodien entstehen, wenn Neuriten, also Zellfortsätze von Neuronen, wachsen. Die Regulationsmechanismen dieses Prozesses sind noch nicht vollständig geklärt.

Diese ratiometrische Analyse eines Neurons zeigt die Anreicherung des Krümmungssensors in Zellstrukturen mit kleinem Durchmesser. Je kleiner der Durchmesser, desto höher ist die Krümmung.
© Gloria Mancinelli

Bekannt ist: Krümmungsabhängige Proteine bestimmen, ob sich Scheinfüßchen bilden. Gleichzeitig sagen mathematische Modelle jedoch voraus, dass geringe Unterschiede in der Größe von Neuriten ausreichen, um die Geschwindigkeit zu beeinflussen, mit der Signalzentren ausgebildet werden. Vorläufige Experimente hatten zudem gezeigt, dass die Krümmung eine Art Initialzündung dafür ist, dass sich Scheinfüßchen bilden. Nun wollen die CiM-Gruppen von Mathematiker Prof. Dr. Christian Engwer und Biologe Dr. Milos Galic genauer analysieren, welchen Einfluss Krümmung und Größe von Neuriten auf die Filopodienbildung haben. Eine Kombination aus einer mathematischen, theoretischen Methode und zellulären Experimenten soll diese Erkenntnisse quantitativ beweisen. Dafür entwickeln die beiden Forschergruppen in ihrem interdisziplinären Projekt zunächst ein mathematisches Framework, mit dem sie das Verhalten von Zellen simulieren können. Grundlage für die Simulation ist der sogenannte Turing-Mechanismus, der in einem mathematischen System beschreibt, wie Strukturen spontan entstehen. Die CiM-Forscher lassen nicht nur die Häufigkeit der symmetriebrechenden Ereignisse, sondern auch den Radius der Neurite in die Berechnung einfließen. Auf diese Weise entstehen Vorhersagen über die molekularen Mechanismen der Filopodienbildung, die die Biologen wiederum in Experimenten validieren. Indem die Forscher dieses Prinzip mehrfach wiederholen, wollen sie letztlich die molekularen Mechanismen quantitativ entschlüsseln, die entscheidend sind, wenn sich Scheinfüßchen in Neuronen bilden.