Der Tempel auf der oberen Agora (Forum)

Im Verlauf der ersten Surveys innerhalb der Stadtmauern fiel das Augenmerk auf ein von einer Freifläche von ca. 80 x 50 m umgebenes, rechteckiges, überwachsenes Areal im „Mittelpunkt“ der antiken Stadt. Anhaltspunkte, dass es sich um die Reste eines Tempels handelt, waren die Nähe zu einem unmittelbar östlich anschließenden Odeion sowie eine Unmenge von zerschlagenen, architektonischen Marmorteilen. In den darauf folgenden Jahren wurden die Überreste eines massiven Tempelpodiums freigelegt.

Blick _ Ber Den Tempel
Blick über den Tempel nach NW. Im Hintergrund Bozcaada (Tenedos)

Das ca. 24 x 16,5 m messende Fundament erscheint für den Tempelbau zu groß und statisch überdimensioniert. Es besteht, von den Eckverstärkungen abgesehen, aus einem sehr kompakten, rissfreien opus caementicium.

Als Eckverstärkungen wurden Kalksteinquadern eingesetzt, teils mit, teils ohne Zierbosse. Die in Zweitverwendung genutzten Quader reichen an drei Ecken bis zum oberen Rand, an der SO-Ecke knapp unter die Fundamentoberkante. Sie sind ohne Bindemittel und Klammern in isodomen Schichten unterschiedlicher Höhe verlegt.

Das Füllmauerwerk des Podiums besteht aus opus caementicium einer weniger festen Konsistenz als das des Fundaments, was damit erklärt werden kann, dass keine statischen Anforderungen an dasselbe gestellt werden mussten. Das Füllmauerwerk ist in Schichten vergossen worden, offenbar derart, dass die nächst höhere Schicht aufgebracht wurde, als die darunter befindliche bereits abgebunden hatte, so dass eine Verbindung nicht stattfand und eine Fuge blieb. Die Schichthöhen scheinen dabei den Quaderhöhen entsprochen zu haben. Es scheint, dass eine Schicht vergossen wurde, nachdem die zugehörige Quaderschicht verlegt war.

Blick Vom Odeion _ Ber Den Tempel Nach Westen
Blick vom Odeion über den Tempel nach Westen

Nach den bisherigen Untersuchungen handelt es sich bei dem auf einem Podium stehenden Marmortempel um einen korinthischen Peripteros. Er war mit einer Schmalseite zum Odeion hin (Ostseite) und mit der gegenüberliegenden prospekthaft zur unteren Agora, zur Landschaft und auf das Meer hin orientiert. Der Tempel auf der oberen Agora dürfte das erste Heiligtum der neu gegründeten Kolonie Alexandria Troas gewesen sein.

Hans Wiegartz