Hafenplan Bericht2 Klein
Topographischer Plan des Hafengebietes

Der Hafen

Ein Hafen ist für jede große Stadt eine der wichtigsten Schlagadern. In ihm werden Waren aller Art verhandelt, Reisende steigen ein und aus, die Stadtkasse wird durch die Zölle und Abgaben voller und voller. So ein geschäftiger Hafen und Umschlagplatz war auch der von Alexandria Troas. Hier kamen die Schifffahrtswege von Süd nach Nord durch die Dardanellen und der Weg nach Westen nach Thrakien und weiter nach Griechenland zusammen. Dazu kam noch der Handel mit dem Hinterland der Troas, in dessen Granitbrüchen der berühmte und im gesamten antiken Mittelmeerraum geschätzte marmor troadense gefertigt wurde. Einer der antiken Reisenden im Hafen von Alexandria Troas war zum Beispiel der Apostel Paulus, der von hier aus nach Griechenland aufbrach, um das Christentum in Europa zu verbreiten.
Im Jahre 2005 konnten mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum ersten Mal Untersuchungen im Hafengebiet von Alexandria Troas durchgeführt werden. Dabei wurden aber keine Grabungen, sondern ein so genannter Survey durchgeführt.

Taucher Klein
Unterwasserarchäologen beim Vermessen des Wellenbrechers

Grundlegend für das Verständnis des Hafens ist die Frage, wo sich die Hafeneinfahrt befunden hat. Dafür kam ein Bereich im Westen des Untersuchungsgebietes in Frage. Dort laufen mit H 1 und H 2 zwei mächtige Strukturen aus opus caementitium aufeinander zu, ohne sich zu berühren. Bei ihnen handelt es sich um zwei Molen von 8 m Breite, die die Schiffe im inneren Hafen vor Stürmen und schwerer See schützen konnten. Zwischen beiden befindet sich  ein 36 m breiter freier Bereich - die Hafeneinfahrt.
Ein zweites, sehr flaches Gebiet im Südwesten des Hafengeländes kam für eine zweite Hafeneinfahrt in Frage. Häufiger hatten Häfen in der Antike zwei Einfahrten – je nachdem aus welcher Richtung der Wind kam, konnten die Schiffe durch die eine oder andere Einfahrt in den Hafen einlaufen. Am Strand im Bereich dieser zweiten vermuteten Hafeneinfahrt befinden sich allerdings die Reste mehrerer Fundamente (H 6 - H 8) aus antikem Beton. Diese sind obertägig nicht miteinander verbunden.
Um zu erfahren, ob unter dem Sand eine Verbindung untereinander besteht, untersuchte Dr. Norbert Blindow vom Institut für Geophysik der Universität Münster dieses Gebiet mit den Mitteln der Geophysik. Dabei konnte festgestellt werden, dass die einzelnen Strukturen z. T. nicht verbunden sind. Es laufen demnach unter dem Sand zwei Mauerzungen aufeinander zu, die sich allerdings nicht berühren. Zwischen diesen liegen zwei rechteckige Fundamente, die auch oberhalb des Sandes zu erkennen sind. Da die Lücken zwischen den einzelnen Strukturen mit ungefähr 10 m zu gering sind, kann sich hier keine zweite Hafeneinfahrt befunden haben. Allerdings konnte Meerwasser in das Hafenbecken fließen. Um was für einen Bau handelt es sich dabei nun? Wenn man im antiken Hafenbau nach Parallelen Ausschau hält, stößt man auf die so genannte bogenförmige Mole, bei der Wasser durch die Bögen hindurchfließen konnte, die aber oberhalb dieser Bögen begehbar war. Eine derartige bogenförmige Mole könnte sich auch im Hafen von Alexandria Troas befunden haben. Sie diente dazu, dass Wasser im Hafenbecken durch die Hafeneinfahrt und durch die Bögen fließen und so eine Strömung aufrecht gehalten werden konnte. Die Strömung diente dazu, dass das Becken nicht so schnell versandete und brackig wurde.

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Taucher im Hafenbecken

Der äußere Hafen wurde von zwei langen Wellenbrechern geschützt. Bei H 5 zieht der südliche der beiden vom Strand aus über 100 m ins Meer hinaus. An der tiefsten Stelle liegen die antiken Reste über 4 m unter dem heutigen Meeresspiegel. Der nördliche Wellenbrecher befindet sich bei H 10 und H 11 am Strand, sein westlicher Abschluss reicht allerdings auch bis ins Wasser hinein. Von Land aus sind unmittelbar westlich des Wellenbrechers zahlreiche Granitsäulen aus dem Wasser ragend zu sehen. Dieser Bereich wurde durch Unterwasserarchäologen der Universität Çanakkale gesäubert und untersucht. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich über 100 Bauelemente – Granitsäulen, Poller, Pflastersteine – auf dem Meeresboden befinden. Diese sind aber nicht in Folge einer Katastrophe oder eines Schiffsunterganges dorthin gelangt, sondern wurden absichtlich dort deponiert, um den Wellenbrecher zu stabilisieren. Die Säulen wurden zum Land hin schräg an zuvor bearbeitete Steine angelehnt und ragten einen bis anderthalb Meter aus dem Wasser. Dies diente dazu, gefährliche tote Wellen – Wellen, die gegen eine feste Struktur schlagen und zurückprallen – zu unterbinden. Diese Umbauten fanden wahrscheinlich in spätantiker oder byzantinischer Zeit statt.

Durch die Arbeiten zu Lande und auch unter Wasser ist es gelungen, die Grundstruktur des antiken Hafens von Alexandria Troas in römischer Zeit zu erschließen. Demnach hatte er einen äußeren und einen inneren Hafen. Der äußere Hafen war durch zwei Wellenbrecher im Norden und im Süden geschützt. Dort konnten die Schiffe zunächst ankern. Durch die 36 m breite Einfahrt konnten die Kapitäne ihre Schiffe dann in das innere Hafenbecken lenken. Das Becken hatte eine langrechteckige Form mit einem Versprung im Osten, wie die sichtbaren Strukturen und die geophysikalischen Untersuchungen nahe legen. Im Südwesten konnte Wasser durch eine bogenförmige Mole in das Hafenbecken eintreten, sodass eine gleichmäßige Strömung gewährleistet war und einer Versandung und Verbrackung des Wassers vorbeugte.