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Münster (upm/ja)
Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Karin Böllert<address>© privat - Agentur Bildschön</address>
Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Karin Böllert
© privat - Agentur Bildschön

"Kitas sind Türöffner für Integration"

Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Karin Böllert spricht über den bevorstehenden Kinder- und Jugendhilfetag

Schon im Vorfeld des 16. Kinder- und Jugendhilfetags vom 28. bis 30. März in Düsseldorf schlugen die Wellen hoch bei der Bewertung der sozialen Situation des Nachwuchses. Knapp 20 Prozent der jungen Menschen seien von Armut bedroht, befand der Veranstalter, die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ). Deren Vorsitzende, die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Karin Böllert von der Universität Münster, beantwortet im Interview mit Juliane Albrecht einige Fragen zu dem bevorstehenden Gipfel.

Was ist aus Ihrer Sicht derzeit brisant in der Kinder - und Jugendhilfe?

Nahezu jeder junge Mensch in Deutschland nutzt ganz selbstverständlich Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, angefangen bei der Kita, dann in den Ganztagsschulen, in der offenen Kinder- und Jugendarbeit usw. Mit über 750.000 Beschäftigten ist die Kinder- und Jugendhilfe auch ein echter Job-Motor. Trotzdem gibt es noch reichlich Luft nach oben. Wir brauchen z. B. eine Qualitätsoffensive Kita: weniger Kinder pro Erzieherin, mehr Zeit für Leitungsaufgaben und Elternarbeit, mehr Personal.

Stichwort Flüchtlinge und Migration: Wie erklären Sie sich die sehr geringe "Flüchtlingskinderquote" in den deutschen Kitas, und was ist zu tun?

Vielen geflüchteten Eltern ist kaum bewusst, dass sie die Möglichkeit haben, einen Kitaplatz zu nutzen. In ihren Herkunftsländern gibt es solche Einrichtungen nicht. Deshalb ist es notwendig, die Eltern offensiv in ihrer Heimatsprache zu informieren und bei ihnen für den Kita-Besuch zu werben. Die Zahl der Kitaplätze muss deutlich erhöht werden – im Idealfall sollte allen der 120.000 unter sechsjährigen Flüchtlingskindern ein Kitaplatz angeboten werden können. Kitas sind Türöffner für Integration.

Die AGJ fordert ein "Pflichtfach politische Bildung" in der Schule. Wie konkret stellen Sie sich das vor, denn politische und gesellschaftliche Inhalte gibt es doch bereits im Unterricht?

Es wäre schon viel erreicht, wenn politische Bildung regelmäßig im Stundenplan stehen würde. Der Rechtspopulismus wächst. Schon deshalb müssen Kinder und Jugendliche immer wieder vom Wert der Demokratie überzeugt werden. Bildung für Demokratie soll aber schon ganz klein anfangen – und zwar in der Kita. Bundesweit muss es eine "neue Demokratie-Welle" geben, die ganz früh beginnt. Und zwar altersgerecht, auf spielerische Art. Auch Schule sollten junge Menschen als einen Ort erleben, der zum Mitmachen und zur Mitsprache einlädt. Früh übt sich, für wen Mitbestimmung ein wichtiger Teil seines Lebens werden soll.

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