Theorien der Literaturwissenschaft
Nicole M.
Mueller
Halle-Wittenberg

Deutsch-japanische Leitmotivstrukturen in digitalisierten Übersetzungskorpora

Praxeologische Notizen zu Motivsemantik und Metaphorik, basierend auf Topic Modeling

Digitalität hält Einzug in Literatur und Literaturforschung. Ob hierdurch tatsächlich, wie der Begriff Digital Humanities suggeriert, Forschungsgegenstände und -praktiken der Geisteswissenschaften von Grund auf reformiert werden, oder ob doch längst Praktiziertes nur terminologisch neu bestimmt wird, ist umstritten. Dementsprechend erfordert die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen digitaler Literaturforschung eine theoretische und methodische Standortbestimmung, zu der ich mit diesem Aufsatz beitragen möchte. Hierbei beziehe ich mich auf konkrete Erfahrungen, die ich durch Implementierung digitaler Methoden im Rahmen meines Promotionsprojektes,1 einem vergleichenden Topic Modeling japanischer Thomas Mann-Übersetzungen, gesammelt habe. Nach einer kurzen thematischen Einführung in diesen Gegenstandsbereich stelle ich die Disziplinen übergreifende Operationalisierbarkeit literaturwissenschaftlicher Betrachtungskategorien zur Diskussion: Inwieweit sind literarische Motive beziehungsweise Metaphern durch Computeralgorithmen erfassbar und welchen Erkenntnisgewinn darf man sich hiervon versprechen? Der Schwerpunkt des Beitrags liegt folglich im Bereich der Methodenreflexion. Diverse inhaltliche Aspekte, mit denen ich mich im weiteren Projektverlauf eingehender auseinandersetzen werde, bleiben dagegen vorerst offen. Sie bilden Anlass und Rahmen der hier vorgestellten Überlegungen, die als Zwischenschritt auf dem Weg zu einer sinnvoll von Digitalität profitierenden, Prozesse der literarischen Rezeption, Interpretation und Übersetzung selbstkritisch hinterfragenden Literaturforschung zu verstehen sind.


Abb. 1: User interface des deutschsprachigen Topic Explorer zu Tonio Kröger (Screenshot): Topic-Spektrum und Absatzdokumente im Überblick

 

Abb. 2: User interface des japanischsprachigen Topic Explorer zu Tonio Kröger (Screenshot): Topic-Zuordnung der Tokens im Absatzdokument

Die japanische Thomas Mann-Rezeption als Gegenstand digitaler Literaturforschung

Das bereits umfangreich erforschte Prosawerk Thomas Manns scheint zunächst eher allgemeine Interpretationsfähigkeit als zwingenden Interpretationsbedarf zu indizieren. Beziehen wir uns auf das zu Recht als Übersetzernation2 bezeichnete Japan, ist dieser Eindruck jedoch zu revidieren. Bereits 1904, also lediglich ein Jahr nach Veröffentlichung in Deutschland, thematisiert mit Tonio Kröger erstmals eine japanische Fachzeitschrift eine Erzählung aus der Feder des gebürtigen Norddeutschen.3 Das Thomas Mann als international prominentem Vertreter deutschsprachiger Literatur vom japanischen Publikum entgegengebrachte Interesse ist keine Ausnahmeerscheinung, denn nach gut zweihundert Jahren der radikalen kulturellen Abschottung setzt sich die Literaturszene des Meiji- und post-Meiji-zeitlichen Japan intensiv mit dem europäischen Roman auseinander. Für Erzählwerke wie Tonio Kröger, Buddenbrooks oder Der Zauberberg werden in der Folge – oftmals innerhalb kurzer Zeiträume – jeweils mindestens 13 verschiedene Übersetzungsvarianten publiziert.4 Diese schöpfen das programmatische Spektrum zwischen den Extremen einer wörtlichen Reproduktion auf der einen und einer freien Nachempfindung in gegenwärtigem Umgangsjapanisch auf der anderen Seite voll aus. Analog zu Ecos Definition des ästhetischen Texts, dieser werde »von seinen konkreten Empfängern so adaptiert […], daß er in unterschiedlichen historischen und psychologischen Situationen viele verschiedene kommunikative Zwecke erfüllt«, erlauben solche übersetzungsprogrammatischen Tendenzen Rückschlüsse auf historische Kontexte beziehungsweise auf kulturelle Selbstverortungen Japans gegenüber europäischen Vorbildern.5 Die These, dass die im Medium der Übersetzung literarisch nachvollziehbare Auseinandersetzung mit Thomas Mann als Scheidepunkt zwischen Japans literarischer Vergangenheit und Moderne aufzufassen ist, bildet mithin den thematischen Horizont dieser Überlegungen. Mithin soll uns der digitale Übersetzungsvergleich möglichen Antworten auf die Frage näher bringen, warum und mit welchen (ästhetischen) Konsequenzen identische Textvorlagen innerhalb kurzer Zeiträume wieder und wieder ins Japanische übertragen wurden. Bisher zu diesem Thema veröffentlichte Rezeptionschronologien konzentrieren sich dagegen auf die Katalogisierung der Übersetzungsvarianten oder auf ausschließlich werkexternen Zusammenhängen entnommene japanische Einstellungen zur Schriftstellerpersönlichkeit Thomas Mann.6 Um dem Übersetzungstext als ästhetischem Artefakt eines von komplexen werkextern-werkinternen Dynamiken gekennzeichneten Kulturtransfers gerecht zu werden, bedarf es jedoch der historisch kontextualisierenden Interpretationsarbeit.7 Diese scheitert freilich vielfach an der Sprachbarriere sowie an der disziplinären Heteronomie der japanischen Fachgermanistik.8

In Anbetracht dieser Forschungslücke ermöglicht die Implementierung des Themenmodells Topic Explorer mehr als nur die rein quantitative Ausweitung des Gegenstandsbereichs zum deutsch-japanischen Übersetzungskorpus. Nicht allein die interpretatorisch erschließbare Textmenge, auch der Interpretationsmodus an sich erfährt durch Digitalität maßgebliche Veränderungen, denen das Hauptaugenmerk dieser Betrachtungen gilt. Wie der weitere Argumentationsverlauf veranschaulicht, abstrahiert digitales Topic Modeling die sinnliche Fassbarkeit der Textoberfläche zugunsten erzählstruktureller Korrespondenzrelationen. Gleich einem Röntgenbild legt der Algorithmus des Themenmodells das leitmotivische ›Skelett‹ der bis an die Pedanterie grenzend konsequent durchkomponierten Erzählprosa Thomas Manns frei, sodass der digital erweiterte Interpretationsmodus rechnerisch-quantitativ nachvollziehbare, formale patterns fokussiert.9 Hierauf bezieht sich Moretti mit seinem Konzept eines distant reading10 beziehungsweise Ramsay mit dem eines quantitativen Formalismus.11 Beide definieren Literatur nicht länger als Manifestation eines implizit national-leitkulturell verstandenen Genius, sondern als formales, je nach äußerem Kontext dynamisch rezipierbares pattern. Im distant reading geht mit dieser Schwerpunktverlagerung zudem eine gegenüber dem close reading andersartige skalierte Betrachtungsebene einher.12 An die Stelle argumentativ miteinander verknüpfter Einzelbeobachtungen tritt die synchronisierende Darstellung gesamttextlicher Bezüge, die neuartige Perspektiven auf erzählstrukturelle Funktion und Übersetzbarkeit der Leitmotive eröffnet.

Das hinsichtlich der literaturwissenschaftlichen Interpretation bedeutsamste Innovationspotenzial der digitalen Methode besteht meines Erachtens jedoch in deren Interaktivität. Insbesondere die sich im weiteren Argumentationsverlauf anschließenden Ausführungen zu den Topic Explorer-Konfigurationen veranschaulichen, dass Topic Modeling nicht allein verschiedene Übersetzungsvarianten einander vergleichend gegenüberstellt, sondern gleichermaßen eine Vielfalt interpretatorischer Zugänge zu ein- und demselben Text erschließt. Wird auch nur ein Parameter der Konfigurationsberechnung, zum Beispiel der der in der Analyse berücksichtigten Wortarten verändert, verschiebt sich die durch Topic Explorer vermittelte Perspektive auf den Text. Die Summe der teils voneinander abweichenden, teils Überschneidungen aufweisenden Berechnungen illustriert den im Zuge des Übersetzungsvorganges weiter aufgefächerten Bedeutungsreichtum ästhetischer Texte. In seiner digitalen Weiterentwicklung avanciert der europäisch-asiatische Übersetzungsvergleich damit zum Laboratorium einer komparativen Morphologie, die formale Spezifika der Textgestalt(en) nicht als textuell fossilierte Autorintention verabsolutiert, sondern auf einem Spektrum von Übersetzungsoptionen und Rezeptionspotenzialen verortet.13 Die durch das Topic Modeling parallelisierter Übersetzungskorpora ermöglichte interaktive Interpretationsarbeit illustriert dementsprechend, in welch tiefgreifendem Maße digitale Methoden unser Verständnis von Literatur als solcher verändern können. Im begrenzten Rahmen dieses Aufsatzes wird eine so aufgefasste digitale Literaturforschung einerseits auf ihre bereits angedeuteten interpretatorischen Konsequenzen, andererseits auf ihre Anschlussfähigkeit an etablierte literaturwissenschaftliche Betrachtungskategorien hin untersucht.

Im weiteren Projektverlauf ist geplant, derartige distant readings analog zu Morettis Formel »take a form, follow it from space to space, and study the reasons for its transformations«14 zu historischen Kontexten in Beziehung zu setzen. Im Zuge dessen soll die rechnerisch ermittelte Variation formaler patterns auf die sie ursächlich bedingenden historisch-diskursiven Kräfte hin befragt werden: »We rise from a conception of form to an understanding of the forces which gave rise to it«.15 Als konkretes Beispiel für derartige Kräfte ist neben dem bereits angesprochenen kulturellen Selbstverständnis auch das jeweils historisch prädominante, anhand der akademischen Diskussion nachvollziehbare japanische Übersetzungsdenken zu nennen. Die Annäherung an eine dergestalt beispielhaft repräsentierte literarische Produktion, Rezeption, Distribution und Interaktion im globalen Maßstab verlangt nach einer Aktualisierung des literaturwissenschaftlichen Methodeninventars, die sich grundsätzlich der Idee eines in die historische Länge, geografische Breite und morphologische Tiefe multidimensional erweiterten literarischen Feldes verpflichtet sieht.16

Methodische Herausforderungen: Leitmotivik im digitalen Topic Modeling

Digitale Analysetools wie Topic Explorer priorisieren quantitativ belegbare Textfakten. Da eine solche Prämisse schwerlich mit den Grundprinzipien der geisteswissenschaftlichen Forschungs- und Argumentationspraxis zu vereinbaren ist, werden Digital Humanities nicht selten als methodologische Exerzitien abgetan.17 Online zugängliche Anwendungen wie WordHoard oder die via TAPoR (Text Analysis Portal for Research) verfügbaren Analysetools scheinen diesen Verdacht zunächst zu erhärten. Bezogen auf einen durch traditionell-geisteswissenschaftliches close reading konturierten Erwartungshorizont leistet die Einspeisung des Originaltextes der Thomas Mann-Erzählung Tonio Kröger hier eher marginale Beiträge zum Werkverständnis.18 Die Formulierung verbindlicher Charakteristiken eines sinnvollen interpretatorischen Zugangs ist freilich problematisch, da diesem so unterschiedliche Interessenschwerpunkte wie die werkimmanente strukturelle Logik, die Psyche von Produzent*in oder Rezipient*in oder aber in den Text eingeschriebene historische Weltanschauungen zugrunde liegen können.19 Konstatieren lässt sich gleichwohl, dass sämtliche der genannten Ansätze eine nicht auf Anhieb erkennbare semantische Dimension des ästhetischen Texts freilegen. Sie stellen sinnhafte Bezüge zwischen sprachlichen oder inhaltlichen Elementen her; je mehr solcher Elemente in einen möglichst widerspruchsfreien Zusammenhang gebracht werden können, desto schlüssiger die Interpretationsthese.

Doch wie verhält es sich mit der via TAPoR digital gewonnenen Erkenntnis, dass die mit 1168 Tokens belegte Konjunktion ›und‹ sowie an zweiter Stelle mit 512 Tokens das Personalpronomen ›er‹ unter quantitativem Aspekt die wichtigsten Vokabeln in Tonio Kröger sind? Welchen epistemischen Mehrwert hat die Beobachtung, dass der paratextuell markierte Vorname des Protagonisten 126-mal, das in der Sekundärliteratur häufig thematisierte Herzmotiv dagegen lediglich 22-mal dokumentiert ist?20 Obgleich derartige quantitative Beobachtungen ohne Zweifel durch Bezugnahme auf den natürlichen Sprachusus relativiert werden müssen, sollte ihnen ein eventueller interpretatorischer Mehrwert nicht vorschnell abgesprochen werden. Dass sie sich den gewohnten Interpretationsstrategien, die oben beispielhaft skizziert wurden, zunächst verwehren, bedeutet nicht, dass sich zwischen den scheinbar willkürlichen statistischen Werten kein sinnhafter Zusammenhang herstellen ließe. Eventuelle Abweichungen der maschinell-rechnerischen von der menschlichen Textrezeption mögen unseren disziplinär etablierten Interpretationsgewohnheiten zuwiderlaufen. Dies rechtfertigt jedoch keineswegs pauschale Ignoranz, sondern wirft insbesondere im Falle typisierbarer Unterschiede die Frage nach Sinnzusammenhängen auf, die sich klassischen Interpretationszugängen nicht erschließen. Gerade vor dem Hintergrund der disziplinären und ideengeschichtlichen Revierkonflikte, die diesbezügliche Diskussionen entscheidend prägen, kann Digitalität mithin Anlass bieten, Forschungs-, Argumentations- und Interpretationspraktiken an sich zu reflektieren.

Dass deren Herausforderung durch digitale Analysemethoden konstruktiver Natur sein kann, zeigt Ramsay in seinem Plädoyer für eine Synthese von close reading und distant reading im algorithmic criticism auf.21 Zunächst scheint das qualitative Nuancierung bei geringer Textmenge berücksichtigende close reading ebenso schwerlich mit dem große Textmassen quantitativ auswertenden, computergestützten distant reading zu vereinbaren zu sein wie geisteswissenschaftliche Hermeneutik mit digitaler Empirie.22 Der Terminus distant ist hierbei keinesfalls mit interpretatorischer Ungenauigkeit zu assoziieren, sondern verweist auf die Skalierung der Betrachtungsebene, deren Kategorien entweder sehr viel größer oder aber sehr viel kleiner ausfallen als diejenigen des close reading.23 Die resultierenden abstrakten Modelle und Schemata heben einen Teil der (in diesem Falle sprachlich-narrativen) Realität hervor, indem sie einen anderen vernachlässigen.24 Dies betrifft close reading und distant reading gleichermaßen: Was das eine ignoriert, gerät in den Fokus des jeweils anderen. Werden beide Lesemodi durch algorithmic criticism zueinander in Beziehung gesetzt, ermöglicht dies mehr als nur einen validierenden Abgleich unterschiedlicher interpretativer Zugänge. Die Kombination hermeneutischer und empirischer Argumentationsstrukturen erfasst das komplexe Zusammenspiel von rechnerisch objektivierbaren Potenzialitäten und dem, was menschliches Rezeptions- und Interpretationsvermögen auf dieser Basis hervorbringt, erlaubt also potenziell Rückschlüsse im Hinblick auf den Interpretationsvorgang an sich.25

Ein Beispiel für die praktische Umsetzung eines so verstandenen algorithmic criticism ist das durch Topic Explorer realisierte digitale Topic Modeling deutsch-japanischer Übersetzungskorpora. Themenmodelle wie Topic Explorer basieren auf der Grundannahme, dass sich jeder literarische oder nichtliterarische Text aus einer begrenzbaren Anzahl thematisch-inhaltlicher Komplexe, sogenannter Topics, zusammensetzt.26 Definiert werden diese Topics jeweils als Menge von Lexemen, die innerhalb des Textes wiederholt gemeinsam auftreten; sie können so trivial sein wie beispielsweise [FISCH/SCHWIMMEN/NASS]. Die Wahrscheinlichkeit, mit der die drei beispielhaft genannten Begriffe innerhalb der untersuchten Dokumente gemeinsam auftreten, wird durch einen Algorithmus rechnerisch ermittelt. Diese Berechnung bezieht sich auf drei Ebenen zunehmender semantischer Komplexität: Erstens die der Tokens beziehungsweise Lexeme, zweitens die der Dokumente, drittens die des Gesamtkorpus.27 Dabei werden die Tokens der Dokumente, so beispielsweise FISCH, jeweils einzelnen Topics zugeordnet, wofür sich in diesem Falle ein Topic wie MEER anbietet. In der Folge ist jedes Dokument, zum Beispiel ein Artikel aus der FAZ, als spezifisch proportionierte Zusammensetzung unterschiedlicher Topics auf dem Topic-Spektrum des Korpus verortet.28 Besteht unser beispielhaft angenommenes Korpus aus sämtlichen FAZ-Artikeln der Jahre 2010 bis 2013, könnte der Zeitungsartikel neben MEER unter anderem semantisch nahestehende Topics wie UMWELT, URLAUB oder auch, je nach Erscheinungsdatum, ein sich spezifisch auf FUKUSHIMA beziehendes Topic enthalten. Thematisch lässt er sich infolgedessen als Topic-Kombination [MEER, UMWELT, URLAUB, FUKUSHIMA] beschreiben. Liegt der Fokus des Artikels auf dem Topic FUKUSHIMA, ist es ferner statistisch gesehen eher unwahrscheinlich, dass das Topic URLAUB allzu häufig belegt ist. Die im Beispiel besonders einfach gelingende intuitive Herstellung textorientierter Bezüge sollte indes keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass der Algorithmus von Topic Explorer Topics nicht nach semantischen, sondern ausschließlich nach rechnerischen Kriterien erfasst. Topics sind keine Themen im wörtlichen Sinne, sondern repräsentieren Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf Wortansammlungen, korrespondieren also rechnerisch mit bestimmten sprachlichen patterns.29

Angesichts dieser Präzisierungen könnte der Eindruck entstehen, Topic Modeling ermögliche die radikal objektive Annäherung an literarische Texte im Sinne einer science of literature.30 Nicht nur die Auswertung der Ergebnisse, sondern bereits Entwicklung und Anwendung der Themenmodelle sind aber durch mehr oder weniger konkrete Erkenntnisinteressen beeinflusst.31 Dies bedeutet, dass die digitalen Analyseinstrumente auf die Erfassung solcher Daten hin ausgerichtet werden, die menschlichen Beobachter*innen sinnhaft erscheinen. Um ein solches Sinnhaftigkeitsurteil legitimieren und die digitalen Werkzeuge gegebenenfalls entsprechend anpassen zu können, bedarf es domänenspezifischer Fachkenntnisse.32 Infolgedessen werden auch die Ergebnisse eines distant reading hermeneutisch interpretiert. Vom klassischen close reading unterscheidet sich dies insofern, dass es durch Computeralgorithmen wie Topic Explorer modellierte Datensätze und nicht im Lektüreakt gesammelte Beobachtungen sind, von denen aus der argumentative Zirkel zur kenntnisbasierten Interpretationshypothese geschlossen wird.33 Algorithmic criticism kann in der Folge als ein Zusammenspiel von distant reading und close reading aufgefasst werden, das durch quantitativ-qualitative Arbeitsteilung zwischen Maschine und Mensch zustande kommt.34 Dass der Digital Humanities-Diskurs nichtsdestotrotz maßgeblich von der Sehnsucht nach einer radikal objektivierbaren Hermeneutik bestimmt wird, steht indes im Widerspruch zum argumentativen Charakter der literaturwissenschaftlichen Interpretation an sich. Ein wesentliches Kriterium empirischer Forschungsthesen ist das der Falsifizierbarkeit, das von komplexen Interpretationsansätzen in der Regel nicht erfüllt wird.35 Die Glaubwürdigkeit der literaturwissenschaftlichen Interpretation wird üblicherweise nicht definitiv be- oder widerlegt, sondern wird mit rhetorischen und argumentativen Mitteln graduell erzeugt. Da ein solcher Argumentationsmodus jedoch im Domänenkonflikt der Natur- und Geisteswissenschaften sukzessive in Verruf geraten ist, erhofft man sich aktuell durch Objektivierung und Empirisierung eine akademische Re-Nobilitierung der Literaturforschung. Hierzu herangezogene quantitative Interpretationszugänge, die das Falsifizierbarkeitskriterium erfüllen, erweisen sich gegenüber der grundsätzlichen Mehrdeutigkeit ästhetischer Texte jedoch nicht selten als unterkomplex.36

Derartiger semantischer Offenheit ist es außerdem geschuldet, dass subjektbasierte Interpretierbarkeit allein die Validität digitaler Literaturforschung nicht in hinreichendem Maße garantiert.37 Insbesondere dann, wenn ein Interesse an der Sinnhaftigkeit der Resultate unterstellt werden darf, trifft auf die Vielzahl der im ästhetischen Text enthaltenen Deutungsangebote die grundsätzliche Bereitschaft, semantischen Gehalt im Rezeptionsakt zu (re-)konstruieren.38 Ohne Zweifel ist eine solche Bereitschaft zur literarischen Sinnstiftung Ausgangspunkt und Achillesferse jedweder Interpretation. Da sich Topics wie beispielsweise [GOTT/AUGE/TANZEN] ebenfalls durch eine geradezu lyrisch anmutende semantische Offenheit auszeichnen können, muss subjektive Interpretierbarkeit dennoch unbedingt anhand zusätzlicher Analysekriterien und entsprechender Belege argumentativ gestützt werden. Während folglich die Glaubwürdigkeit eines close reading an Anzahl und Stimmigkeit der Textbelege gemessen wird, empfiehlt es sich im Kontext der Digital Humanities, diverse methodische Zugänge und Repräsentationsmodi vergleichend zu erproben und sich intuitiv erschließende Analyseergebnisse ebenso wie vermeintliches ›Datenrauschen‹ lückenlos zu dokumentieren.39 Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass distant reading ähnliche argumentative Schwächen aufweisen kann wie close reading: Auch wenn die Belege in diesem Falle quantitative Frequenzen und patterns sind, bleibt der metaphorische ›Sprung‹ von ihnen zur qualitativen Deutung bei unzureichender Beleglage mit dem Risiko einer subjektiven Argumentationsführung behaftet.40

Der geforderte Abgleich unterschiedlicher digitaler Analyse- und Repräsentationsmodi ist freilich keine Aufforderung zu methodischen Experimenten beliebigen Inhalts, denn je nach Forschungsdesign bedingen die skizzierten Eigenschaften von distant reading und close reading jeweils unterschiedliche Grade methodischer Passung. Entsprechend profitiert die japanische Thomas Mann-Rezeption als ein Beispiel für literarischen Transfer im globalen Maßstab von der größtmöglichen Skalierung der Betrachtungsebene und den quantitativen Formalisierungszwängen eines distant reading. Auch berücksichtigt distant reading im Allgemeinen größere Textmengen, sodass der digitale Übersetzungsvergleich tendenziell mehr Repräsentativität für sich beanspruchen kann. Konkrete Details in Hinblick auf die digitale Umsetzung des deutsch-japanischen Übersetzungsvergleichs bleiben bei dieser Einschätzung allerdings vorerst offen. Für sich genommen bringt die Einspeisung großer Textmengen, zu der uns Digitalität befähigt, noch keine neuen Erkenntnisse. Stattdessen ist zu überlegen, welche Art von Textzugängen ein dergestalt quantitativ ausgeweitetes distant reading ermöglicht sowie welche Untersuchungsgegenstände und -schwerpunkte hiermit korrespondieren. Welche Werke und Werkeigenschaften versprechen im Hinblick auf den kulturüberschreitenden Übersetzungsvergleich tatsächlich sinnvolle Erkenntnisse? Anhand welcher Werkeigenschaften lassen sich sinnvolle Bezüge zwischen historischem Kontext und werkinterner Sprachgestaltung herstellen? Es gilt, auf Grundlage der zuvor geforderten domänenspezifischen Fachkenntnisse Fragen an das digitalisierte Korpus so zu formulieren, dass uns die methodischen Möglichkeiten einem durch Forschungsbedarf begründbaren Erkenntnisinteresse näher bringen.41

Bereits in Hinblick auf die sprachgestalterische Konsequenz von Romanwerken wie Doktor Faustus, in dem es laut Thomas Mann kein nichtmotivisches Sprachmaterial, »keine freie Note mehr« gibt, darf ein solches Erkenntnisinteresse vorausgesetzt werden.42 Nicht allein komparatistische Fragestellungen, sondern bereits die gestalterische Komplexität des Originalwerks legitimieren hier einen quasi-mathematischen Textzugang. Bezieht man sich ferner auf die vielgestaltige Variation von Motivstrukturen innerhalb japanischer Übersetzungstexte, sind Optionen jenseits eines distant reading, die sprachgestalterische Möglichkeiten des Übersetzens vor dem Hintergrund historischer Kontexte angemessen erfassen, schwerlich vorstellbar. Auch ein solches distant reading bleibt bis auf Weiteres stichprobenhaft, denn aktuell können weder alle Romane Manns noch sämtliche Übersetzungstexte in die Untersuchung einbezogen werden. Gleichwohl unterscheidet sich nicht allein die Summe der im Rahmen des distant reading realistischerweise zu erhebenden Stichproben von der eines close reading; auch die einzelnen Stichproben an sich erfassen die Komplexität des jeweiligen Textganzen umfassender, als dies einem close reading möglich ist.

Besonders anschaulich manifestiert sich sprachgestalterische Konsequenz als Distinktionsmerkmal des Mannschen Schreibens sowohl im deutschsprachigen Original als auch in den japanischen Übersetzungstexten im die Narration strukturierenden pattern der Rekurrenz. Rekurrenz kennzeichnet mit dem literarischen Leitmotiv einerseits ein Kerncharakteristikum der Erzählwerke Thomas Manns.43Andererseits werden auch Themen beziehungsweise Topics anhand ihrer Rekurrenz definiert. In literarischen wie nichtliterarischen Texten gilt also: Was häufig wiederholt wird, ist mit erhöhter Wahrscheinlichkeit inhaltlich bedeutsam. Die Leitmotivik Thomas Manns bietet in Anbetracht dessen ideale Voraussetzungen für eine rechnerische Annäherung durch Topic Explorer. Hinzu kommt, dass Motive zwar typologisch mit Metaphern verwandt sind, als Beobachtungskategorie aber durch das Rekurrenzkriterium weitaus leichter operationalisiert werden können.44 Metaphern müssen in der digitalen Analyse zunächst per Hand eingespeist, Kategorien also vorgegeben werden.45 Leitmotivische Rekurrenzfrequenzen hingegen lassen sich vollständig automatisiert ermitteln, sodass sich das Risiko eines confirmation bias durch den Verzicht auf prädefinierte Analysekategorien reduziert.46

Darüber hinaus erweist sich der quantitative Formalismus des rekurrenzbasierten distant reading von Leitmotivstrukturen als anschlussfähig an komparatistische Fragestellungen. Obwohl Topic Modeling zunächst auf der werkimmanenten Ebene einzelner Texte erfolgt, können unterschiedliche japanische Annäherungen an Thomas Manns Leitmotivtechnik durch Parallelisierung mehrerer Übersetzungskorpora vergleichend untersucht werden. Pro Topic Explorer wird ein literarischer Text als Korpus, seine Absätze als die dieses konstituierenden Dokumente eingespeist. Jedes Absatzdokument enthält unterschiedlich gewichtete Topics, die, wie die Probestudie belegt, oftmals Leitmotiven oder Motivkomplexen entsprechen. In der Folge können einzelne Absätze Motivkomplexen zugeordnet, semantische Korrespondenzen also zusätzlich zum narrativen Längs- auch im thematischen Querschnitt nachvollzogen werden: Aus der Lebensgeschichte Tonio Krögers wird so beispielsweise ein Spektrum leitmotivischer Topics wie LIEBE oder HEIMAT,47 die in jedem Absatzdokument zu spezifischen Anteilen kombiniert werden. Gleichwohl vernachlässigt Topic Modeling zwangsläufig die werkextern kulturell geprägte, metaphorisch-symbolische Semantik der nicht selten einer »zeitlosen menschlichen Grundvorstellung«48 entsprechenden Leitmotive. Ebenso, wie Topics Themen lediglich repräsentieren, repräsentieren sie auch Motive ausschließlich als sprachstrukturellen Reflex semantischer Tiefenstrukturen.49 Doch gerade ein derartiger Perspektivwechsel verspricht Antwort auf eine Frage, die sich Thomas Mann selbst zu stellen scheint: »Aber welcher Satz ist ›wichtig‹ und welcher nicht? Weiß man es denn zuvor, ob ein Satz, ein Satzteil nicht vielleicht berufen ist, wiederzukehren, als Motiv, Klammer, Symbol, Zitat, Beziehung zu dienen?«.50

Neben dem Ansatz, sprachstrukturelle patterns als Indikatoren eines solchen motivsemantischen ›Berufenseins‹ zu untersuchen, korrespondiert auch die gesamttextliche Dimension der Leitmotivik mit der digitalen Methode. Während close reading das Motivsystem als Summe von Beobachtungsfragmenten argumentativ verknüpft, beziehen sich die Berechnungen und Darstellungen eines durch Topic Modeling realisierten distant reading auf den Gesamttext. Auf diese Weise werden Funktionsweise und Dynamik der Leitmotivstrukturen in einer Komplexität erfasst, die die Grenzen menschlicher Textrezeption vor Augen führt. Für gewöhnlich lesen wir ein Buch nach dem anderen, Absatz für Absatz, Wort für Wort. Literatur ist dementsprechend als Zeitkunst, Lektüre als zeitlich gebundener Vorgang definiert.51 Obwohl die im Interpretationsakt erzeugte kognitive Repräsentation des literarischen Textes als Synchronisierungsanstrengung aufgefasst sowie als Grundlage für den Vergleich mehrerer Werke herangezogen werden kann, zeichnet sich dementsprechend auch close reading vorwiegend durch Diachronizität aus. Unsere im Zuge des Lesens generierte Synchronisierung des Gesamttextes ist interessengeleitet, weist eine klare Schwerpunktsetzung auf und bleibt deswegen, da aus interpretatorischen Einzelbeobachtungen zusammengefügt, grundsätzlich fragmentarisch. Während close reading also einzelne motivische Elemente anhand von Ähnlichkeitsrelationen zu Strukturen höherer Ordnung verknüpft, stehen im Falle eines distant reading solche wahrscheinlichkeitsalgorithmisch nachvollziehbaren Strukturen bereits zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt der Analyse fest. Interpretiert wird also nicht, welcher gedanklich-thematische Zusammenhang sich zwischen Fragmenten herstellen lässt, sondern umgekehrt, warum bestimmte sprachliche Elemente bestimmten Zusammenhängen angehören. Als potenzieller Gegenstand komparatistischer Fragestellungen ist also nicht wie im close reading das Teil, sondern das Ganze gegeben; die Synchronisierung ist weniger Ergebnis als Ausgangspunkt der Textanalyse. Ergo wohnt einem literaturwissenschaftlichen Topic Modeling das Potenzial inne, in den ästhetischen Text eingeschriebene Leitmotivstrukturen von der Diachronie des Lektüreaktes zu emanzipieren und diese dergestalt in bisher nicht gekannter Komplexität für komparatistische Fragestellungen zu erschließen.52

Synchronisierende Repräsentationen des Gesamttextes – ob nun durch close reading oder distant reading entstanden – sind eine Grundvoraussetzung jeder literaturwissenschaftlichen Interpretation. Sowohl die klassische Interpretationsparaphrase als auch das user interface von Topic Explorer können demzufolge als unterschiedliche Synchronisierungen des Ursprungstextes betrachtet werden. Dabei stellt das user interface von Topic Explorer das Topic-Spektrum des Narrativs einerseits als durch farbige Kästen voneinander abgegrenzte Lexemlisten dar, die den Topics entsprechen. Andererseits werden diese dergestalt auf den ursprünglichen Text zurückbezogen, dass die einzelnen Absatzdokumente als Fließtext, dessen Tokens je nach Topic-Zugehörigkeit farbig unterlegt sind, eingesehen werden können. Enthält ein Absatz viele Tokens, die beispielsweise einem rot eingefärbten Topic LIEBE zugeordnet werden, erscheint der Fließtext dementsprechend ebenfalls zu großen Teilen rot und gibt so thematisch-inhaltliche Schwerpunkte anhand der Farbcodierung unmittelbar zu erkennen. Eine derartige Veränderung der äußeren Textgestalt bedeutet indes keine Verfremdung des ursprünglichen Werksinns, sondern verwirklicht im ästhetischen Text sprachgestalterisch angelegte Sinnpotenziale. Mich implizit am sinnpluralistischen Postulat der Rezeptionsästhetik sowie der Terminologie Ramsays orientierend bezeichne ich solche ›hinter‹ dem Ursprungstext liegenden, diesen potenziell unterminierenden oder sogar ersetzenden Sinnpotenziale als ›alternative Textgestalten‹ oder ›Alternativtextualitäten‹.53 Die literaturwissenschaftliche Interpretation solcher Alternativtextualitäten kann infolgedessen als eine konstruktive Destabilisierung des Ursprungstextes aufgefasst werden. Diese Destabilisierung profitiert entscheidend von der Interaktivität der digitalen Methode, da sich im Topic Modeling eine Vielzahl alternativer Textgestalten parallel erzeugen und vergleichen lässt.54 Konfrontiert uns das user interface von Topic Explorer folglich auch mit zunächst wenig vertraut wirkenden alternativen Textgestalten, ermöglichen diese einen interaktiven Zugang zu den vielfältigen semantischen Potenzialen des ursprünglichen ästhetischen Textes, die in ihrer Summe seiner gesamten semantischen Potenzialität entsprechen.55

Zu beachten ist, dass Topic Modeling, obwohl den Berechnungen keine semantischen Kriterien zugrunde liegen, ausschließlich Inhalte repräsentiert.56 Der Gegenstand der algorithmischen Analyse ist die paradigmatische Masse des vorhandenen Sprachmaterials, die dementsprechend auch als bag of words bezeichnet wird.57 Syntagmatische Aspekte der Formalstilistik finden hingegen kaum Berücksichtigung. In Anbetracht von Jakobsons Definition der Poetizität beziehungsweise Literarizität scheint es dementsprechend so, als könne Topic Explorer das, was einen literarischen Text als solchen auszeichnet, unter keinen Umständen erfassen, denn Jakobson zufolge projiziert poetische Rede das Prinzip der Äquivalenz von der paradigmatischen Achse der Selektion auf die syntagmatische Achse der Kombination und generiert dergestalt ästhetische Mehrdeutigkeit.58 Wie also kann ein paradigmatisch ausgerichtetes Topic Modeling Kernaspekte eines literarischen Werkes erfassen, wenn dessen Literarizität per Definition syntagmatisch ist? Dass Topic Explorer dennoch mit der Leitmotivik ein nicht ausschließlich inhaltlich-paradigmatisches, sondern gleichermaßen erzählstrukturell-syntagmatisch relevantes Phänomen erfasst, verdanken wir der quantitativ-qualitativen Spezifik der Leitmotive. Diese etablieren zwar keinen syntagmatischen plot, komprimieren aber auf sprachlich engstem Raum »doch bereits ein inhaltliches, situationsmäßiges Element«.59 Da sich dieses situationsmäßige, kombinatorische Element im Unterschied zum plot in erster Linie durch semantische Ähnlichkeitsrelationen konstituiert, bleibt es trotz bag of words-assumption erhalten. Letztere erweist sich außerdem als anschlussfähig in Bezug auf das Konzept der Interpretation als konstruktiver De- und Rekonstruktion des literarischen Textes. Eine Veränderung der Textgestalt, beispielsweise durch das Lesen von Gedichten in umgekehrter Versfolge oder die dem user interface von Topic Explorer ähnelnden entropic poems Irrizarys (1996), führt zur Freisetzung von semantischen Potenzialen derjenigen Textbestandteile, die ansonsten gleichsam im narrativen Zusammenhang versiegelt sind.60 Hierbei gilt es, sich vor Augen zu führen, dass bereits die japanischen Übersetzungstexte an sich nichts anderes als unter veränderten sprachsystemischen Vorzeichen de- und rekonstruierte alternative Textgestalten sind. Diese übersetzerischen Rekonstruktionen werden durch Topic Modeling beziehungsweise durch die bag of words-
assumption
erneut de- und rekonstruiert, sodass das Forschungsdesign mit Übersetzung und Digitalisierung genau genommen zweierlei Alternativtextualitäten integriert. Diese erlauben nicht nur interpretatorische Rückschlüsse auf eine gemeinsame Textgrundlage, sondern sind insbesondere auch bezüglich der ihre Entstehung bedingenden Prozesse zu reflektieren.61

Im Sinne eines vorläufigen Fazits dieser Überlegungen zu den allgemeinen Möglich­keiten und Grenzen eines Übersetzungsvergleichs durch Topic Modeling lässt sich dementsprechend festhalten, dass der transparent geführte Methodendialog unverzichtbare Voraussetzung einer adäquaten digitalen Annäherung an das durch die japanische Thomas Mann-Rezeption repräsentierte Phänomen Weltliteratur ist. Die realhistorische Entwicklung eines sich ins Unüberschaubare ausdifferenzierenden globalen Literaturbetriebs und seiner dynamisch miteinander interagierenden Erzeugnisse macht nicht allein die Erschließung von Alternativen zum close reading unumgänglich; auch ist einfach nur mehr zu lesen keine Lösung.62 Das digitale distant reading ist folglich – im Sinne von algorithmic criticism – kritisch auf seine Anschlussfähigkeit bezüglich tradierter Interpre­tations- und Argumentationstechniken zu befragen. Ein so verstandenes Topic Mode­ling digitalisierter Übersetzungskorpora führt keineswegs zur Vernachlässigung von Literarizität, sondern generiert alternative Textgestalten, die interaktive, sinnpluralistische Interpretationszu­gänge ermöglichen. Mitnichten garantiert dies eine urplötzlich ob­jektivierbare Hermeneutik: »the virtue of automated analysis is not the ready delivery of objective truth, but instead the more profound virtue of bringing us up short, of disturbing us in our preconceptions and our basic assumptions so that we can exist, if only for a moment, in uncertainties, mysteries and doubts«.63 Demgemäß sind die mit Digital Humanities assoziierten methodischen Zugänge zumindest kurz- und mittelfristig kaum als Instrumen­ta­rium der literaturwissenschaftlichen Faktenprüfung geeignet. Anstelle dessen zu er­warten sind tiefgreifende Auswirkungen auf die Episteme der Fachwissenschaften, ein durch Digitalisierung und Digitalität signifikant erweiterter geisteswissenschaftlicher Dis­­kurs, dessen Motor auch in Zukunft die aus dem close reading hinreichend bekannten Unsicherheiten, Mysterien und Zweifel sein werden.

Erste Ergebnisse: Tonio Kröger im deutsch-japanischen Topic Modeling

Aufbauend auf der Methodenreflexion des vorherigen Abschnitts werden im Folgenden erste Ergebnisse einer Probestudie zum digitalen Übersetzungsvergleich durch Topic Modeling zusammengefasst. Gegenstand der Studie sind vier parallelisierte Topic Explorer, die auf dem deutschsprachigen Originaltext der Thomas Mann-Erzählung Tonio Kröger sowie auf den Übersetzungstexten Saneyoshi Hayaos (erstmals publiziert 1927),64 Takahashi Yoshitakas (1967)65 und Hirano Kyōkos (2011)66 als dreien von insgesamt 13 japanischen Tonio Kröger-Übersetzungen basieren.67 Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Aufsatzes umfasst die Studie ausführliche Dokumentationen von 14 deutsch- und acht japanischsprachigen, also insgesamt 22 Topic Explorer-Konfigurationen; weitere Konfigurationen fanden implizit Berücksichtigung. In diesem Zusammenhang ist unter einer Konfiguration das Ergebnis jeweils einer Topic Explorer-Berechnung, das heißt je eine alternative Textgestalt zu verstehen. Die teils erheblichen Abweichungen zwischen einzelnen Konfigurationen sind durch drei Faktoren bedingt: Erstens die berücksichtigten Wortarten, zweitens die Anzahl der zu berechnenden Topics, drittens Rekurrenzschwellen, ab beziehungsweise bis zu denen ein Token in die Berechnung eingeht. Obwohl zunächst erklärt wird, wie sich genannte Faktoren im Einzelnen auf die Konfigurationsberechnungen auswirken, gilt das Hauptaugenmerk dieser Ausführungen der Art, wie sich Topics diverse Konfigurationen übergreifend zu einem interpretatorischen Potenzialitätsfeld alternativer Textgestalten organisieren.

Bezüglich der Wortarten erweist sich eine auf Nomen, Verben, Adjektiven und eventuell Adverbien basierende Berechnung als sinnvoll, da auf weniger Wortarten basierende Konfigurationen jeweils nur semantische Teilbereiche der Narration erfassen. Zum Beispiel priorisiert eine Adjektive komplett ausklammernde Berechnung die Handlungsebene im engeren Sinne, sodass die hierdurch erzeugte Alternativtextualität mehr Ähnlichkeit gegenüber einem Bericht denn einer literarischen Erzählung aufweist. Bezieht man stattdessen weitere Wortarten mit ein, sind die Topics der japanischsprachigen Topic Explorer von Partikeln wie wa, o oder no dominiert. Diese indizieren die syntaktischen Funktionen des Japanischen, sind aber für sich genommen schwerlich interpretierbar. Berücksichtigt die Berechnung des deutschsprachigen Topic Explorer ungefiltert sämtliche Wortarten, bleiben dahingegen die zuvor generierten Topics in Grundzügen erhalten, wirken semantisch aber weniger scharf konturiert. Topics wie [ALLE/WAS/ABER/DENKEN/NAME] werfen vor diesem Hintergrund Fragen nach einer motivstilistischen Dimension von im close reading als stilistisch unmarkiert eingestuften Funktionswörtern wie Konjunktionen, Pronomina oder sogar den japanischen Partikeln auf.68 Auch die sämtliche Topic Explorer quantitativ dominierenden Eigennamen können zwar potenziell aus der Berechnung ausgeschlossen werden, versprechen aber, sind sie in semantische Umgebungen wie [LIEBEN/BLOND/HOLM/INGE/TUN] oder [LISAWETA/MENSCH/GUT/EMPFINDEN/FÜHLEN] integriert, Rückschlüsse auf die Figurencharakterisierung. Ordnet der Wahrscheinlichkeitsalgorithmus also zunächst als weitgehend nichtmotivisch klassifiziertes Sprachmaterial, wozu im Fall der Erzählung Tonio Kröger auch Tageszeiten und Farbadjektive gehören, motivisch konnotierten Topics zu, erweitert dies potenziell unser Verständnis von Leitmotivik.69

Ein weiterer, die Resultate der Konfigurationsberechnung bestimmender Faktor ist die im Vorfeld festzulegende Topic-Anzahl. Hierbei ist die Schwelle, ab der neue Topics beginnen, bestehende Topics semantisch zu erodieren, für deutsch- und japanischsprachige Topic Explorer jeweils unterschiedlich anzusetzen.70 Während die deutschsprachige Variante für eine Topic-Anzahl zwischen 10 und 18 sinnvoll interpretierbare Ergebnisse produziert, tut die japanischsprachige dies für 8 bis 12 Topics. Werden mehr Topics berechnet, spalten sich Restkategorien ab; werden weniger berechnet, sind die Topics von Hilfsverben und sonstigen hochfrequenten Funktionswörtern dominiert. Im Unterschied dazu wirkt sich die Setzung von Rekurrenzschwellen und Grenzwerten, ab beziehungsweise bis zu denen ein Lexem in die Berechnungen eingeht, kaum auf den deutschsprachigen, aber erheblich auf die japanischsprachigen Topic Explorer aus. Einerseits sind letztere in höherem Maße von hochfrequenten Partikeln et cetera dominiert, die durch niedrig angesetzte Grenzwerte tangiert werden. Andererseits stellt die japanische Übersetzung motivische Bezüge oftmals durch okkasionell gebildete, niedrigfrequente Kanjikomposita71 her, die bei höher angesetzten Rekurrenzschwellen aus der Berechnung ausgeschlossen werden. Konstatieren lässt sich mithin, dass es vor allem die berücksichtigten Wortarten und die im Vorfeld festgelegte Topic-Anzahl sind, die die im Topic Modeling generierten deutsch-japanischen Alternativtextualitäten im Einzelnen prägen.

Nichtsdestotrotz bleibt die grundsätzliche strukturelle Anordnung der auf Basis von Tonio Kröger generierten Topics über diverse deutsch-japanische Konfigurationen hinweg konstant. Die Mehrzahl der Topics konzentriert sich auf bestimmte Absatzbereiche, die den Kapiteln 4 und 8 der Erzählung entsprechen. Die semantische Passung zwischen der Kunst-Leben-Problematik des vierten Kapitels von Tonio Kröger und Topics wie [MENSCH/TIEF/FÜHLEN/MACHEN/KUNST] im Deutschen sowie [NINGEN/HIDOI/SHIRU/GEIJUTSU], also [MENSCH(HEIT)/GEMEIN72/WISSEN/KUNST] im Japanischen wird rein rechnerisch, also ohne äußere Einflussnahme auf den Computeralgorithmus ermittelt. Erscheint diese digitale Affirmation eines close reading inhaltlich zunächst auch unspektakulär, belegt sie doch die Existenz eines maschinellen, strukturbasierten Textverständnisses, das Entsprechungen zu semantischen Lesarten aufweist.

Zu Strukturen organisieren sich Topics indes nicht nur auf der Ebene der Absatzbereiche und Kapitel, sondern auch innerhalb einzelner Absätze. Rekurrieren zwei oder mehr Topics in zahlreichen Dokumenten kombiniert, verschränken sie sich zu seman­tisch anschlussfähigen Topic-Komplexen wie [KÖRPER<- -> AUGE <- -> TANZ] oder [SELBST<- -> IDENTITÄT<- ->HEIMAT].73 Häufig spalten sich im close reading als moti­visch eingestufte Begriffe im Topic Modeling auf mehrere dieser verschränkten Topics auf. Hierbei ist die Belegsumme gemeinsam rekurrierender Topics auf Dokument- beziehungsweise Absatzebene umso größer, die Verschränkung also umso ausgeprägter, je weniger Topics insgesamt berechnet werden. Übersteigt die Topic-Anzahl dagegen die oben erwähnten Richtwerte von zwölf beziehungsweise 18, fallen die Topic-Kapitel-Korrespondenzen weniger prägnant aus. Innerhalb sämtlicher Konfigurationen organisieren sich diese Topic-Verschränkungen um zwei bis drei inhaltliche Zentren, die den Motivkomplexen Kunst-Leben-Problematik und Heimat entsprechen; einige Konfigurationen des deutschsprachigen Topic Explorer bilden zusätzlich um Topics wie [SEHEN/WISSEN/ART/FRAGEN/WELT/SACHE] den Motivkomplex Sehen/Erkenntnis.74

Zudem geht aus den bisherigen Resultaten der Probestudie hervor, dass die Topics je nach Verschränkungslage unterschiedliche erzählstrukturelle Funktionen erfüllen. Mit spe­zi­fischen Absatzbereichen oder Kapiteln korrespondierende Topics sind meist intensiv mit ein bis zwei motivsemantisch assoziierten Topics verschränkt. Topics wie [JA/NUN/DA/SIE(2. Pers. Pl.)/SOLLEN] verteilen sich indes gleichmäßig über alle Dokumente des Korpus und zeichnen sich durch zahlreiche Verschränkungsrelationen moderater Intensität aus. Als zumindest nicht im engeren Sinne leitmotivische Argumentationsstile, Gesprächssituationen oder Ortschilderungen generieren sie allgemeine Textkohärenz und beschränken sich demzufolge nicht auf bestimmte Absatzbereiche. Ausgesprochene Restkategorien sind dahingegen nur solche Topics, die sowohl weitgehend unverschränkt als auch nur in sehr geringer Token-Anzahl belegt sind.75

Eine solche Klassifizierung von Topic- beziehungsweise Motiv-Komplexen erweitert nicht nur unser Verständnis erzählstruktureller Funktionsmechanismen, sondern stellt eine sinnvolle Bereicherung des Übersetzungsvergleichs auf gesamttextlicher Ebene dar. Der Zirkularität der Validierung ungeachtet – ein mit Fokus auf Leitmotive implementiertes Themenmodell erfasst Leitmotive – demonstriert die Probestudie mithin interpretatorische Potenziale der digitalen De- und Rekonstruktion literarischer Texte. Die ausschließlich wahrscheinlichkeitsalgorithmisch generierten Topic-Komplexe korrespondieren nicht nur mit Motivschemata der Sekundärliteratur,76 sondern organisieren sich gänzlich unabhängig von prädefinierten Analysekategorien zu sinnhaften Strukturen. Als problematisch erweist sich indes das Topic Modeling der die Tonio Kröger-Forschung dominierenden Kontrastmotive.77 Da der semantische Unterschied zwischen Kontrast und Korrespondenz in der Regel nicht quantitativer, sondern qualitativer Natur ist, wird er von Themenmodellen wie Topic Explorer nicht erfasst. In der Folge fallen Dichotomien wie die Kunst-Leben-Antithese in Topics wie [LEBEN/LIEBE/KUNST/SEHNSUCHT/ABEND] zusammen. Hierin besteht ohne Zweifel ein Defizit der digitalen Methode. Gleichwohl ist die strikte logische Trennung von Kontrastmotiven wie beispielsweise Heimat und Meer78 nicht uneingeschränkt sinnvoll. Die Sekundärliteratur assoziiert mit der Liebe des Protagonisten zum Meer »Lebensferne« sowie »Sehnsucht nach Selbstvergessenheit, nicht selten bis zum Todeswunsch gesteigert« und stellt dem Motivkomplex Meer infolgedessen den der lebensbejahenden Heimat/Identität kontrastierend gegenüber.79 Doch die semantische Korrespondenz zwischen der Heimat und dem Meer, der Ostsee – »du meiner Jugend wilder Freund«80 –, ist deshalb keineswegs zu leugnen. Ergo zeigt Topic Explorer gerade durch die radikale Nivellierung semantisch mehrdeutiger Kontrast- und Korrespondenzrelationen eine legitime alternative Lesart auf, die die quantitativ bestimmbare erzählstrukturelle Funktion des Meeresmotivs verabsolutiert: Was im Text gemeinsam belegt ist, ist thematisch assoziiert. Derartige problematische Synthesen von Lebensferne und Lebenssehnsucht, von Süd und Nord, von Exotik und Bürgertum81 sind nicht nur leitmotivisches Kerncharakteristikum Tonio Krögers, sondern prägen das Schreiben Thomas Manns bis ins Spätwerk, bis zur Schilderung Adrian Leverkühns in Doktor Faustus: «Hitze und Kälte walteten neben einander in seinem Werk, und zuweilen, in den genialsten Augenblicken, schlugen sie ineinander«.82 Da die durch Topic Modeling erzeugte Alternativtextualität semantische Kontraste und Korrespondenzen nivelliert, wird in ihr die paradoxe Synthese inhaltlicher Gegensätze von der Ausnahme zur Regel, das »zuweilen« der »genialsten Augenblicke« dementsprechend zum Absolut-Ausschließlichen. Unter motivsemantischen Gesichtspunkten handelt es sich also um einen Extremfall, der interpretatorisch sinnvoll auslotbar ist, aber zugleich unbedingt als solcher erkannt und benannt sein will.

Theoretische Implikationen: Topics, Motive und die Hunde im Souterrain

Literaturforschung, wie wir sie kennen, würdigt Poetizität beziehungsweise Literarizität allenfalls als raffinierte Stimulation und Manipulation kognitiver Strukturen, lässt die Frage nach möglichen Ursachen aber weitgehend unbeantwortet.83 Gleiches gilt für das Zustandekommen leitmotivischer Wirkung. Zwar wird quantitative Rekurrenz als wesentlicher Faktor, anhand dessen auch Topic Explorer bestimmte Lexeme als motivisch relevant erfasst, benannt. Hochfrequente Funktionswörter der Alltagssprache wie die Konjunktion ›und‹ verdeutlichen jedoch, dass Rekurrenz keine hinreichende Bedingung der Leitmotivgenese ist. Tatsächlich sind durch close reading als solche klassifizierte84 Leitmotive wie beispielsweise das des Herzens im Originaltext von Tonio Kröger vergleichsweise spärlich belegt,85 weswegen das Rekurrenzkriterium selbst als notwendige Bedingung in Frage gestellt werden muss. Häufig sind es neben Rekurrenz werkexterne semantische Bezüge, die die Entstehung der einer »zeitlosen menschlichen Grundvorstellung« entsprechenden Leitmotive bedingen.86 Da diese Bezüge meist metaphorischer Natur sind, erweisen sich Leitmotive als anschlussfähig an die konzeptionelle Metapherntheorie Lakoffs und Johnsons. Deren Metapherndefinition, eine Entität werde mithilfe der auf sie projizierten semantisch-konzeptionellen Beschaffenheit einer anderen erlebt, gedacht und versprachlicht,87 trifft dementsprechend auf eine Vielzahl literarischer Motive zu. Beschreitet Tonio Kröger den »Weg, den er gehen mußte, ein wenig nachlässig und ungleichmäßig, vor sich hinpfeifend, mit seitwärts geneigtem Kopf ins Weite blickend«, veranschaulicht dies den per se abstrakten, sich aber auch in der wörtlichen japanischen Übersetzung metaphorisch erschließenden Lebensweg.88

Obwohl Leitmotivik eine Form der metaphorischen Rede ist, gestaltet sich die Abgrenzung zu Metaphern im engeren Sinne problematisch. Vorgeschlagen wird, dass das Motiv im Unterschied zur Metapher ausschließlich in werkimmanentem Zusammenhang einen ihm wesensmäßig fremden Sinn entfalte.89 Dieser Ansatz ist nur eingeschränkt sinnvoll, denn obgleich dem Herzmotiv in Tonio Kröger ohne Zweifel ein spezifisch werkimmanenter Sinn zukommt, sind ihm werkexterne Semantiken des Herzens mitnichten fremd. Als weiteres Abgrenzungsmerkmal wird eine strikte logische Differenzierung der durch Metaphern im engeren Sinne implizierten Vergleichsgegenstände vorgeschlagen.90 Doch auch diese trifft auf metaphorische Ausdrücke wie den warmen Händedruck oder den kalten Blick, in denen nichtmetaphorisches physikalisches und metaphorisches emotionales Wärmeempfinden zusammenfallen, nicht zu. Es handelt sich hierbei um Basismetaphern, die in konkreter körperlicher Erfahrung wurzeln und somit eine Konstante menschlichen Denkens darstellen. Hierin wiederum erweisen sie sich als anschlussfähig an die Eigenschaft des literarischen Leitmotivs, »in äußerst anschaulicher Präzisierung eine typische Denkform, menschliche Verhaltensweise oder Situation« auszudrücken.91 Auch hier fallen, wie das Beispiel des Lebensweges veranschaulicht, wörtliche und figurative Lesart zusammen. Darüber hinaus weisen selbst der Metaphernerwerb und die narrative Motivetablierung strukturelle Entsprechungen auf, denn in beiden Fällen bedingt die gleichzeitige, sensorische oder sprachliche Aktivierung zweier Domänen eine kognitive Verknüpfung.92

Auch die in Tonio Kröger entfaltete Leitmotivik ist reich an Bezügen zu basismetaphorischen Komplexen wie WÄRME = GEFÜHL93, SEHEN = VERSTEHEN/WISSEN94 sowie zur sich in Form des geistigen ›Erbes‹ von Tonios Eltern manifestierenden Verwandtschaftsmetaphorik95. In Hinblick auf eine digitale Auseinandersetzung mit diesem basismetaphorischen Unterbau der Motive ist die Erzählung besonders interessant, da Manns Sprachgebrauch hier weniger durch besondere Variation als durch Konsequenz besticht. Sind andere Erzählwerke reich an Neologismen und anderweitigen Raffinements,96 rekurrieren in Tonio Kröger bestimmte Ausdrücke weitgehend unverändert. Sie organisieren sich zu einem semantischen Beziehungskomplex, der sich im digitalen Topic Modeling unmittelbar erschließt. Treten die basismetaphorischen Bezüge also ansonsten oftmals hinter Extravaganzen der sprachlichen Oberfläche zurück, expliziert sie Tonio Kröger durch in der japanischen Übersetzung direkt nachempfundene, wahrscheinlichkeitsalgorithmisch nachvollziehbare Rekurrenz. Obgleich im weiteren Verlauf des Promotionsprojektes eruiert werden muss, inwieweit sich das Vorgehen auf andere Romane Thomas Manns übertragen lässt, bilden durch distant reading erschlossene Topic- beziehungsweise Motiv-Strukturen in der Folge den Ausgangspunkt eines algorithmic criticism, der dem close reading nahe stehende Argumentationsstrukturen integriert.

Innerhalb der basismetaphorischen Bezüge, die für einzelne Topic- und Motiv-Komplexe herausgearbeitet wurden, können im Anschluss an Baldauf weitere Untergattungen differenziert werden. Diese wiederum liefern eine theoretische Erklärung für die im distant reading festgestellte erzählstrukturelle Relevanz der Leitmotive. Als Attributsmetaphern können zunächst die in Tonio Kröger motivisch realisierten Wahrnehmungsdichotomien WARM/KALT und HELL/DUNKEL bezeichnet werden.97 Sie implizieren abstrakte Wertungen und generieren semantische Kontrast- und Korrespondenzverhältnisse, die im Topic Modeling freilich nivelliert werden. Geprägt ist die Erzählung außerdem vom bereits erwähnten metaphorischen Konzept des Lebensweges beziehungsweise der Lebensreise. Als bildschematische Metapher ist es an konkrete Raumerfahrung gebunden und strukturiert die Narration analog zu dieser.98 Durch eine demgegenüber noch komplexere Struktur zeichnen sich die ein ganzes Feld semantischer und idiomatischer Konzepte bedingenden Konstellationsmetaphern aus. Ihnen ist die in Tonio Kröger ebenfalls leitmotivisch etablierte Metaphorik des Sehens sowie die Projektion von SEHEN auf WISSEN/VERSTEHEN zuzuordnen, die außerdem Bezüge zur Attributsmetapher HELL/DUNKEL herstellt.99 Das dergestalt zustande kommende System basismetaphorischer Bezüge konstituiert durch thematische Querverbindungen die inhaltliche Kohärenz literarischer und nichtliterarischer Texte.100 Anzunehmen ist, dass es auch die Entstehung von Topic- und Motivkomplexen ursächlich bedingt.101

Zunächst scheinen die Metaphors We Live By Lakoffs und Johnsons und die Leitmotive Thomas Manns freilich unterschiedlichen Sprachbereichen anzugehören. Eine dergestalt beschworene Trennung von Alltags- und Kunstsprache verkennt jedoch, dass auch komplexe poetische Metaphern auf Basismetaphern zurückzuführen sind: »The same mechanisms of metaphorical thought used throughout poetry are present in our most common concepts«.102 Entsprechende basismetaphorische Assoziationen bilden die Grundlage zahlreicher literaturwissenschaftlicher Interpretationsansätze.103 Mag die konkrete Versprachlichung einer Basismetapher auch formal einzigartig sein, beruht sie dennoch potenziell auf einem kulturübergreifend universellen Konzept.104 Schriftsteller*innen sind also nicht etwa die Schöpfer*innen, sondern Organisator*innen solcher Basismetaphern: »The basic metaphors are not creations of poets; rather, it is the masterful way in which poets extend, compose, and compress them that we find poetic«.105 Demgemäß ist die in Tonio Kröger anhand von Topic-Verschränkungen nachvollziehbare Kohärenz basismetaphorischer Motive wie HELL/DUNKEL und SEHEN = ERKENNTNIS als ein wesentlicher Faktor von Poetizität und Literarizität überhaupt zu benennen.106

In Hinblick auf die japanische Thomas Mann-Übersetzung sind indes zwei weitere, sich potenziell aus den vorherigen Überlegungen ergebende Aspekte von Bedeutung. Ein Aspekt ist die Frage, inwiefern die basismetaphorischen Bezüge der Leitmotive die Übersetzung tangieren. Ferner weisen nicht alle Motive solche basismetaphorischen Be­züge auf, sodass von zweierlei Leitmotivklassen auszugehen ist. Diese charakterisiere ich vorläufig als basismetaphorisch versus im engeren Sinne werkimmanent.107 Die Semantik basismetaphorischer Leitmotive lagert sich aus werkexternen Kontexten an die Narration an, weshalb beispielsweise die Herzmotivik in Tonio Kröger trotz verhältnismäßig schwach ausgeprägter Rekurrenz im close reading als solche erkannt wird. Da werkimmanente Motive dahingegen einer solchen werkexternen Semantik weitgehend entbehren, müssen sie durch im distant reading klar hervortretende Rekurrenz markiert werden. Erste Erkundungen im Rahmen der Probestudie bestätigen, dass sich Original und japanische Übersetzung bezüglich der beiden genannten Motivklassen in Topic Modeling unterschiedlich verhalten. Hierbei wird insbesondere die werkimmanente Motivik der Kunstgesprächstopics108 sowohl vom deutschen wie auch von den japanischen Topic Explorern verschiedene Konfigurationen übergreifend an prominenter Stelle repräsentiert. Im deutschsprachigen Tonio Kröger-Topic Explorer bestimmen allerdings Topics, innerhalb derer basismetaphorische und werkimmanente Motive kombiniert vorliegen, das Ergebnis der Berechnungen. Dahingegen sind in den bisher untersuchten Konfigurationen der japanischsprachigen Topic Explorer rein werkimmanente Topics im Vergleich zu basismetaphorischen mehr als doppelt so häufig belegt. Auf dieser Grundlage lässt sich die Hypothese formulieren, dass werkimmanente Leitmotivik in der japanischen Übersetzung zusätzlich quantitativ akzentuiert wird und infolgedessen auch die Ergebnisse des Topic Modeling dominiert. Dies ist jedoch nicht allein anhand zusätzlicher Übersetzungsanalysen zu überprüfen, sondern sollte ferner im weiteren Verlauf des Promotionsprojektes auf eventuelle Berührungspunkte zwischen der basismetaphorisch-werkimmanenten Motivklassifikation einerseits und dem oben skizzierten verschränkungsbasierten Modell andererseits hin befragt werden.

Der zweite Aspekt, hinsichtlich dessen die basismetaphorischen Bezüge der Leitmotivik den Übersetzungsvergleich tangieren, ist die nach wie vor umstrittene Frage ihrer Kultur- und Sprachabhängigkeit.109 Obwohl Lakoff und Johnson auf Berührungspunkte von Metaphorik und kulturspezifischen Wertzuschreibungen verweisen,110 beziehen sich (Basis-)Metaphern ebenso wenig wie die Übersetzung auf die Sprachoberfläche, sondern auf die Ebene der semantischen Konzepte. Der Sinngehalt basismetaphorischer Motive dürfte sich demgemäß weitgehend unabhängig von sprachsystemischen Gegebenheiten erschließen.111 Hiermit korrespondiert, dass diese im Unterschied zu den zuvor thematisierten werkimmanenten Motiven auch in der japanischen Übersetzung keiner verstärkten Rekurrenz zu bedürfen scheinen. Ferner gibt Lakoff zu bedenken, dass sich ein über kulturrelativistische Gemeinplätze hinausgehender Metaphern- oder Motivrelativismus auf elementare, sprachlich automatisierte beziehungsweise grammatikalisierte Phänomene beziehen müsse.112 Zu diesen gehören beispielsweise unterschiedliche Raum- und Zeitkonzeptionen, nicht aber moderat voneinander abweichende Nuancierungen. Da die im Topic Modeling bisher feststellbaren motivischen beziehungsweise metaphorischen Besonderheiten eher letzterem entsprechen, muss man sich vom potenziell kulturrelativistischen Gedanken einer typisch deutschen beziehungsweise typisch japanischen Metaphorik oder Motivik distanzieren. Sowohl deutschsprachiges Original als auch japanische Übersetzungen fußen auf derselben kognitivsemantischen Grundlage; die im formale patterns fokussierenden distant reading besonders deutlich hervortretenden Unterschiede betreffen dagegen vorwiegend deren Versprachlichung. Auch existieren, obgleich die Systematik semantischer Konzepte oftmals als monolithisches Konstrukt aufgefasst wird, bereits innerhalb eines Sprach- oder Konzeptsystems diverse alternative Möglichkeiten, Erfahrungen kognitiv sowie sprachlich zu repräsentieren.113 Da divergierende übersetzerische Annäherungen an ein- und dasselbe Konzept des Originaltextes aus solchen intrakulturellen Alternativen resultieren können, ist bezüglich leichtfertiger, auf singulären Motiv-Versprachlichungen basierender Zuschreibungen vermeintlich spezifischer japanischer Denkformen Vorsicht geboten.

Dennoch darf die vorläufige Bilanz gezogen werden, dass eine durch die kognitive Metapherntheorie inspirierte und von digitaler Methodik profitierende Literaturforschung bislang von Sprach- und Interpretationsgemeinschaften als gegeben angenommene ursächliche Zusammenhänge motivsemantischer Wirkung hinterfragt.114 Dürfen Sätze oder Satzteile in der Tat als zum Leitmotiv ›berufen‹ gelten115, sind Basismetaphern als Beziehungszentren, um die herum literarische Leitmotive feldartig zusammenwirken, wesentliche Faktoren dieses ›Berufenseins‹.116 Eine solche Strukturgleichheit von Basismetaphern und Leitmotiven zeichnet sich überdies auch auf psychologischer Ebene ab, denn während erstere unbewusst unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen, ist Leitmotivik im narrativen Kontext ebenfalls »in der dargestellten Person wirksam, ihr aber im Augenblick des dargestellten Vorgangs selbst verborgen«.117 Basismetaphorische Assoziationen durchwirken also nicht allein Fiktion und Interpretation, sondern beschäftigen als »Hunde im Souterrain« insbesondere auch den Autor Thomas Mann selbst.118 Die sein Schreiben charakterisierenden Leitmotive sind dementsprechend oftmals Selbstzitate im denkbar intimsten Sinne, die er nicht allein aus früheren Werken, sondern auch aus privaten Tagebuchaufzeichnungen und Briefen entnimmt.119 Sich an Schopenhauer orientierend fragt er: »Wie kann ich mein ganzes Selbst preisgeben, ohne zugleich die Welt preiszugeben, die meine Vorstellung ist? Meine Vorstellung, mein Erlebnis, mein Traum, mein Schmerz?«.120 Die Frage, inwieweit Vorstellung, Erlebnis, Traum, Schmerz basismetaphorisch-leitmotivisch überformt, inwiefern sie kulturspezifisch oder universell sind, bildet eines der wesentlichen, dem Topic Modeling parallelisierter Übersetzungskorpora zugrunde liegenden Erkenntnisinteressen.

Perspektiven

Bereits im Rahmen der Probestudie zeigt das Topic Modeling parallelisierter deutsch-japanischer Übersetzungskorpora innovative Sichtweisen auf das Zustandekommen von leitmotivischer Wirkung und Literarizität auf, die sich von denen eines close reading maßgeblich unterscheiden. Um die literarische Interpretation im weiteren Projektverlauf für werkexterne Zusammenhänge im global-kulturüberschreitenden Maßstab zu öffnen, wird die Betrachtungsebene so skaliert, dass gesamttextliche Zusammenhänge synchronisierend erfasst werden. Da der Schwerpunkt der Betrachtungen zudem auf quantitativ bestimmbaren patterns sprachlich-thematischer Rekurrenz liegt, ist das Vorgehen mit Moretti als distant reading zu charakterisieren.

Werden im künftigen Verlauf des Promotionsprojektes Topic Explorer zu weiteren Werken Thomas Manns und den entsprechenden japanischen Übersetzungstexten erstellt, lässt sich vergleichend untersuchen, welche Faktoren jenseits quantitativer Rekurrenz die Entfaltung leitmotivischer Wirkung bedingen und inwieweit der Autor tatsächlich »immer wieder aus seinem einmal angelegten Motivfundus schöpft«.121 Darüber hinausgehend versprechen die distant readings unterschiedlicher japanischer Annäherungen an Manns Leitmotivtechnik Aufschluss hinsichtlich übersetzerischer und akademischer Selbstverortungen Japans gegenüber dem Westen. Diese stehen symptomatisch für Wesen und Funktionsmechanismen einer dem Einfluss der Globalisierung ausgesetzten Literarizität. Von Moretti als ein ungleich Vereintes (one and unequal)122 definiert, ist in einer so aufgefassten Weltliteratur weniger ein Forschungsgegenstand denn eine nach methodischer Innovation verlangende Forschungsfrage zu sehen.123 Definieren wir als die Quelle (source) eines solchen ungleich Vereinten die deutsch-muttersprachliche Literatur- und Forschungstradition, als Ziel (target) das literarisch-akademische Japan, wird die zunächst werkexterne Asymmetrie der japanischen Auseinandersetzung mit dem Werk Thomas Manns offenkundig: »There is no symmetry in literary interference. A target literature is, more often than not, interfered with by a source literature which completely ignores it«.124 Vor diesem Hintergrund fungieren japanischsprachige Annäherungen an Manns Leitmotivik als digital-interaktiv erschließbare Sollbruchstelle, in die sich die historischen und kulturellen Spannungsverhältnisse einer seit dem 18. Jahrhundert zunehmend hybriden, werkexterne Hegemonie und Emanzipation werkimmanent aushandelnden Weltliteratur eingeschrieben haben.125 Geplant ist, die im Rahmen dieses Arbeitspapier lediglich angedeuteten Zusammenhänge zwischen Leitmotivstrukturen, basismetaphorischen Implikationen sowie japanischer Übersetzungs- und Rezeptionsaktivität überblicksartig aufzubereiten. Zu diesem Zweck werden gegenwärtig Topic Explorer-Anwendungen erprobt, anhand derer sich Topic-Ähnlichkeiten unterschiedlicher Erzählwerke quantitativ bestimmen lassen. Anhand dessen soll rechnerisch ermittelt werden, welche Thomas Mann-Übersetzungen einander sowie der deutschsprachigen Vorlage motivstrukturell näher stehen beziehungsweise welche motivstrukturell divergieren. Im Ergebnis ist vorgesehen, dass die dergestalt ausgewerteten Übersetzungen räumlich angeordnet ein Japans geistesgeschichtliche Verfasstheit im 20. und 21. Jahrhundert widerspiegelndes Übersetzungsfeld visualisieren. Eine solche Darstellung aktualisiert nicht allein unser Verständnis der übersetzerischen Nähe zum Originaltext, sondern veranschaulicht die Möglichkeiten einer digitalen Annäherung an ein global dimensioniertes literarisches Handlungsfeld samt seiner Akteure, Kräfteverhältnisse und ästhetischen Konsequenzen.126

Ferner zeigen die durch Topic Explorer wahrscheinlichkeitsalgorithmisch generierten De- und Rekonstruktionen des ästhetischen Textes auf, dass sich der explorative Charakter einer digitalen Literaturforschung als anschlussfähig an das rezeptionsästhetische Mehrdeutigkeitspostulat erweist: An die Stelle eines einzigen, im close reading bruchstückhaft freigelegten interpretatorischen Zugangs tritt ein durch digitale distant readings interaktiv erkundetes Potenzialitätsfeld konkurrierender und koexistierender Sinnhaftigkeiten. Da das Topic Modeling parallelisierter Übersetzungskorpora dabei weniger narrative Mikrostrukturen als die den Gesamttext umspannende Makrostrukturen in den Blick nimmt, korrespondiert es mit einem übersetzungstheoretischen Paradigmenwechsel weg von der wörtliche Entsprechungen auf Mikroebene einfordernden Äquivalenzübersetzung hin zum rezeptionsorientierten Wirkungsprimat des ästhetischen Gesamtkonstrukts. Die algorithmisch formalisierte, synchronisierende Erfassung potenziell hinter dem Ursprungstext liegender alternativer Textgestalten muss hierbei mitnichten auf das Schaffen einer/eines einzigen Autors/Autorin beschränkt bleiben. Eine auf demselben Prinzip wie der Übersetzungsvergleich basierende, beispielsweise Rückschlüsse auf stilistische Vorbilder oder Nachahmer Thomas Manns versprechende Anwendung auf Texte anderer Autor*innen ist ebenso denkbar und wurde im Rahmen digitaler Korpusanalysen zur Metaphorik bereits umgesetzt.127

Folglich verspricht die digitale Erweiterung des literaturwissenschaftlichen Methodenkanons, im Rahmen des Promotionsprojektes Aspekte unserer Auseinandersetzung mit Literatur und literarischer Wirkung sichtbar zu machen, die beim Festhalten an tradierter Methodik weitgehend unsichtbar bleiben. Damit das Forschungsparadigma der Digital Humanities durch einen algorithmic criticism im Sinne Ramsays sinnvoll bereichert wird, müssen allerdings nicht allein die Analyseergebnisse, sondern vor allem die diese bedingenden methodischen und interpretatorischen Strategien kritisch reflektiert werden.128 Dementsprechend sollte die Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage, ob Digital Humanities die Forschungsgegenstände und -praktiken der Geisteswissenschaft grundsätzlich reformierten oder doch längst Praktiziertes lediglich terminologisch neu bestimmten, im Idealfall zugunsten des Paradigmenwechsels ausfallen. Von einer schlichten terminologischen Umetikettierung des Bestehenden kann insofern keine Rede sein, als dass das Promotionsprojekt die Anwendung neuartiger Forschungspraktiken auf einen bis dato unzureichend erschlossenen Gegenstandsbereich fordert. Dies impliziert jedoch keineswegs die kategorische Absage an bisherige Interpretations- und Argumentationsmuster. Ebenso, wie close reading und distant reading unterschiedlichen Teilaspekten desselben Sprachkunstwerks besondere Aufmerksamkeit widmen, sind auch digitale Interpretationsmodi nicht als totale Negierung, sondern als konstruktive Gegenstimme zur bisherigen Literaturforschung aufzufassen. Mit der Etablierung der Digital Humanities geht also dergestalt ein Paradigmenwechsel einher, dass die Genese eines algorithmic criticism gleichermaßen die geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Formalwissenschaft wie auch den formalwissenschaftlichen Dialog mit geisteswissenschaftlicher Argumentations- und Forschungspraxis voraussetzt. Dies ist kein Bruch mit dem Bestehenden, sondern dessen vor dem Hintergrund gewandelter kontextueller Rahmenbedingungen unerlässliche Weiterentwicklung. Werden die aus der digitalen Methode resultierenden Präzisierungs- und Formalisierungszwänge auf interaktiv generierte alternative Textgestalten angewendet, vertiefen sie unser Verständnis hinsichtlich ästhetischer Texte, ohne sich dabei auf die quantitative Bekräftigung von Gewusstem oder Vermutetem zu beschränken. Dem Promotionsprojekt liegt im Einklang hiermit die Absicht zugrunde, gerade das durch die bisherige literaturwissenschaftliche Argumentations- und Interpretationspraxis weitgehend stillschweigend Vorausgesetzte zu explizieren und im interdisziplinären Dialog zu hinterfragen.

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  • 1. Das Dissertationsprojekt entsteht seit Oktober 2016 an der Abteilung für Japanologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und wird dort von Herrn Prof. Dr. Christian Oberländer betreut. Ihm gilt ebenso mein aufrichtiger Dank wie Herrn PD Dr. Alexander Hinneburg (MLU Halle-Wittenberg) und Frau Professor Minori Murata (Keio Universität Tokyo), die die Arbeit am Projekt von Beginn an begleitet haben. Gleichfalls bedanken möchte ich mich beim DAAD, der die Promotion aktuell durch die Jahresförderung für Doktorand*innen unterstützt.
  • 2. Vgl. Irmela Hijiya-Kirschnereit: Ausgekochtes Wunderland. Japanische Literatur lesen. München 2008, S. 25f.
  • 3. Vgl. Yasumasa Oguro: »Thomas Mann in Japan-Rezeption und neuere Forschung«. In: Japanische Gesellschaft für Germanistik (Hrsg.): Neue Beitrage zur Germanistik. 3.4. Internationale Ausgabe von ›Doitsu Bungaku‹. München 2004, S. 143–277, hier S. 145.
  • 4. Georg Potempa (Mitarbeit Gert Heine): Thomas Mann-Bibliographie II. Übersetzungen – Interviews. Morsum / Sylt 1997, S. 1118–1139.
  • 5. Umberto Eco: Semiotik. Entwurf einer Theorie der Zeichen. 2., korrigierte Auflage. München 1991, S. 368.
  • 6. Vgl. Oguro: Thomas Mann in Japan (Anm. 3).
  • 7. Vgl. als Ansatz hierzu: Hitoshi Fukai: »›Tonio Kurēgeru‹ hōyaku bunken – hon’yaku no yomarekata – [Materialien zu den japanischen ›Tonio Kröger‹-Übersetzungen – Lesarten der Übersetzung]«. In: Report des Bibliothekenverbandes der unabhängigen Universitäten (Dokuritsu Daigaku Toshokan Kyōkai Kaihō), Bd. 64. Tokyo 1975, S. 71–81.
  • 8. Ueda äußert die meines Erachtens auch gegenwärtig relevante Beobachtung, dass innerhalb der japanischen Fachgermanistik allein die Auseinandersetzung mit dem deutschsprachigen Original akademische Meriten verspreche, während eine strukturierte Übersetzungstheorie weitgehend unbekannt sei. Vgl. Kōji Ueda: »Die Bedeutung des Übersetzens in der japanischen Germanistik«. In: Irmela Hijiya-Kirschnereit (Hg.): Eine gewisse Farbe der Fremdheit. Aspekte des Übersetzens Japanisch-Deutsch-Japanisch. Monographien aus dem Deutschen Institut für Japanstudien der Philipp Franz von Siebold Stiftung 28. München 2001, S. 125–149.
  • 9. Vgl. Franco Moretti: Distant Reading. London, New York 2013, S. 218.
  • 10. Vgl. ebd.
  • 11. Vgl. Stephen Ramsay: Reading Machines: Towards an Algorithmic Criticism. Illinois 2011.
  • 12. Vgl. ebd., S. xi, 17.
  • 13. Vgl. Moretti: Distant Reading (Anm. 9), S. 168.
  • 14. Franco Moretti: Graphs, Maps, Trees. Abstract Models for a Literary History. London, New York 2005, S. 90.
  • 15. Vgl. Moretti: Distant Reading (Anm. 9), S. 164.
  • 16. Vgl. ebd., S. 161.
  • 17. Vgl. Ramsay: Reading Machines (Anm. 11), S. 2.
  • 18. Etwas anders verhält es sich mit der ebenfalls frei zugänglichen Anwendung Voyant Tools (Stéfan Sinclair u. Geoffrey Rockwell: Voyant Tools. https://voyant-tools.org/ [zuletzt eingesehen am 14. Juni 2017]), die den ausschließlich quantitativen Betrachtungsmodus um diverse Visualisierungsmodi bereichert.
  • 19. Vgl. Ralf Klausnitzer: Literaturwissenschaft. Begriffe – Verfahren – Arbeitstechniken. Berlin, New York 2004, S. 50f.
  • 20. Vgl. Horst S. Daemmrich u. Ingrid G. Daemmrich: Themen und Motive in der Literatur. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Tübingen, Basel 1995, S. 195.
  • 21. Vgl. Ramsay: Reading Machines (Anm. 11).
  • 22. Vgl. Moretti: Distant Reading (Anm. 9).
  • 23. Vgl. ebd., S. 77.
  • 24. Vgl. ebd., S. 48f.
  • 25. Vgl. Ramsay: Reading Machines (Anm. 11), S. 67.
  • 26. Vgl. David M. Blei: »Topic Modeling and Digital Humanities«. In: Journal of Digital Humanities 2.1 (2012), S. 7–11, hier S. 8f.
  • 27. Vgl. David M. Blei, Andrew Y. Ng u. Michael I. Jordan: »Latent Dirichlet Allocation«. In: Journal of Machine Learning Research 3 (2003), S. 993–1022, hier S. 996.
  • 28. Vgl. David M. Blei: »Probabilistic Topic Models«. In: Communications of the ACM 55.4 (2012), S. 77–84, hier S. 78f.
  • 29. Vgl. Blei, Ng u. Jordan: »Latent Dirichlet Allocation« (Anm. 27), S. 996.
  • 30. Vgl. Brad Pasanek u. D. Sculley: »Mining millions of metaphors«. In: Literary and Linguistic Computing 23.3 (2008), S. 345–360, hier S. 358.
  • 31. Vgl. Blei: »Topic Modeling and Digital Humanities« (Anm. 26), S. 10.
  • 32. Vgl. Rob Kitchin: »Big Data, new epistemologies and paradigm shifts«. In: Big Data and Society 6213 (2014), S. 1–12, hier S. 5.
  • 33. Vgl. D. Sculley u. Bradley M. Pasanek: »Meaning and mining: The impact of implicit assumptions in data mining for the humanities«. In: Literary and Linguistic Computing 23.4 (2008), S. 409–424, hier S. 410f.
  • 34. Vgl. Timothy R. Tangherlini u. Peter Leonard: »Trawling in the Sea of the Great Unread: Sub-corpus topic modeling and Humanities research«. In: Poetics 41 (2013), S. 725–749, hier S. 728.
  • 35. Vgl. Ramsay: Reading Machines (Anm. 11), S. xi, 17.
  • 36. Vgl. Mark Turner: Death is the Mother of Beauty. Mind, Metaphor, Criticism. Christchurch 2000, S. 9.
  • 37. Vgl. Sculley u. Pasanek: »Meaning and mining« (Anm. 33), S. 421.
  • 38. Vgl. Stanley Fish: Is there a Text in this Class?: The Authority of Interpretive Communities. Cambridge 1980, S. 328.
  • 39. Vgl. Sculley u. Pasanek: »Meaning and mining« (Anm. 33), S. 422f.
  • 40. Vgl. Hugh Craig: »Authorial Attribution and Computational Stylistics: If You Can Tell Authors Apart, Have You Learned Anything about Them?«. In: Literary and Linguistic Computing 14 (1999), S. 103–113, hier S. 103.
  • 41. Vgl. Moretti: Distant Reading (Anm. 9), S. 165.
  • 42. Thomas Mann, zitiert nach Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche – Werk – Wirkung. 3. erneut überarbeitete Auflage. München 1997, S. 85.
  • 43. Vgl. Jürgen Link: Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe: Eine programmierte Einführung auf strukturalistischer Basis. 6. unveränderte Auflage. München 1997, S. 116.
  • 44. Vgl. Constanze Spieß u. Michael Köpcke: Metapher und Metonymie. Theoretische, methodische und empirische Zugänge. Berlin 2015, S. 4.
  • 45. Vgl. Pasanek u. Sculley: »Mining millions of metaphors« (Anm. 30), S. 346f.
  • 46. Vgl. Justin Grimmer u. Brandon M. Stewart: »Text as Data: The Promise and Pitfalls of Automatic Content Analysis Methods for Political Texts«. In: Political Analysis (2013), S. 1–31, hier S. 2.
  • 47. Zur Illustration des Arguments werden die Topics hier mit Titeln versehen. Innerhalb der Ausführungen zur Probestudie referiere ich auf sie jedoch analog zur Darstellung im user interface von Topic Explorer in der Form [LEBEN/LIEBE/KUNST], also anhand der sie quantitativ dominierenden Tokens.
  • 48. Elisabeth Frenzel: Stoff- , Motiv- und Symbolforschung. 4. Auflage. Stuttgart 1978, S. 50.
  • 49. Vgl. Blei: »Probabilistic Topic Models« (Anm. 28), S. 79; Børge Kristiansen: »Das Problem des Realismus bei Thomas Mann. Leitmotiv – Zitat – Mythische Wiederholungsstruktur«. In: Helmut Koopmann (Hrsg.): Thomas Mann Handbuch. 3. aktualisierte Auflage. Frankfurt / M. 2005, S. 823–835, hier S. 829.
  • 50. Thomas Mann: »Mitteilung an die Literaturhistorische Gesellschaft in Bonn«. In: Ders.: Gesammelte Werke in 13 Bänden [GW]. Hg. von Hans Bürgin und Peter de Mendelssohn. Bd. 11: Reden und Aufsätze 3. 2. durchgesehene Auflage. Frankfurt / M. 1974, S. 716f., hier S. 716.
  • 51. Vgl. Fish: Is there a Text in this Class? (Anm. 38), S. 345.
  • 52. Vgl. Moretti: Distant Reading (Anm. 9), S. 215.
  • 53. Vgl. Ramsay: Reading Machines (Anm. 11), S. 45. Der Begriff ›Alternative Textgestalt‹ meint im gegebenen Zusammenhang den relativ konkreten Gegenstand einer beispielsweise durch Digitalisierung physikalisch veränderten Repräsentationsform. ›Alternativtextualität‹ bezieht sich dagegen abstrahierend auf die hierdurch im Vergleich zum Ursprungstext veränderten ästhetischen Qualitäten.
  • 54. Vgl. Estelle Irizarry: »Tampering with the Text to Increase Awareness of Poetry’s Art (Theory and Practice with a Hispanic Perspective)«. In: Literary and Linguistic Computing 11 (1996), S. 155–162, hier S. 155.
  • 55. Dass hierbei eine Summe von Beobachtungen argumentativ verknüpft wird, illustriert die Kompatibilität von für close reading und distant reading jeweils typischen Argumentationsmustern, also die Grundprämisse des algorithmic criticsm.
  • 56. Vgl. Elijah Meeks u. Josh Weingart: »The Digital Humanities Contribution to Topic Modeling«. In: Journal of Digital Humanities 2.1 (2012), S. 1–6, hier S. 4f.
  • 57. Vgl. Blei: »Probabilistic Topic Models« (Anm. 28), S. 82; John W. Mohr u. Petko Bogdanov: »Topic Models -What they are and why they matter«. In: Poetics 41 (2013), S. 545–556, hier S. 547.
  • 58. Vgl. Roman Jakobson: »Linguistik und Poetik«. In: Ders.: Poetik. Ausgewählte Aufsätze 1921–1971. Hg. v. Elmar Holenstein u. Tarcisius Schelbert. Erste Auflage. Frankfurt / M. 1979, S. 83–121, hier S. 83.
  • 59. Vgl. Frenzel: Stoff- , Motiv- und Symbolforschung (Anm. 48), S. 29.
  • 60. Vgl. Irrizary: Tampering with the Text to Increase Awareness of Poetry’s Art (Anm. 54); Ramsay: Reading Machines (Anm. 11), S. 32–38.
  • 61. Vgl. Ramsay: Reading Machines (Anm. 11), S. 63.
  • 62. Vgl. Moretti: Distant Reading (Anm. 9), S. 46.
  • 63. Sculley u. Pasanek: »Meaning and mining« (Anm. 33), S. 423.
  • 64. Hayao Saneyoshi (Übers.): ›Tonio Kurēgeru‹ Tōmasu Man Saku [›Tonio Kröger‹ von Thomas Mann]. 10. überarbeitete Auflage (basierend auf der Erstauflage von 1952 sowie der 1. überarbeiteten Auflage von 2003). Deutschsprachige Grundlage der Übersetzung unbekannt. Tokyo 2015.
  • 65. Yoshitaka Takahashi: Tōmasu Man ›Tonio Kurēgeru/Venisu ni shisu‹ [Thomas Mann ›Tonio Kröger/Der Tod in Venedig‹]. 61. Auflage (basierend auf der Erstauflage von 1967 sowie der 60. überarbeiteten Auflage 2012). Deutschsprachige Grundlage der Übersetzung: Novellen. Band II (1922). Tokyo 2013.
  • 66. Kyōko Hirano: Tōmasu Man ›Tōnio Kurēgā ta’ippen‹ [Thomas Manns ›Tonio Kröger‹ und ein weiteres Werk]. Erstauflage. Grundlage der Übersetzung: Taschenbuch (1913). Tokyo 2011.
  • 67. Vgl. Potempa: Thomas Mann-Bibliographie II (Anm. 4), S. 1133.
  • 68. Vgl. Moretti: Distant Reading (Anm. 9), S. 206f.
  • 69. Beispielsweise erscheint das Farbadjektiv ›weiß‹ diverse Konfigurationen übergreifend in charakteristischen Topicumgebungen wie [HAUS/GANZ/ZEIT/WEISS/STARK], [GROSS/GEBEN/GOTT/ZEIT/FAHREN/WEISS], [SAGEN/GEBEN/FAHREN/PLÖTZLICH/ZEIT/WEISS] oder auch [STEHEN/ALT/WIND/WEISS/WAND]. Vgl. außerdem: Astrid Roffmann: »Keine freie Note mehr«. Natur im Werk Thomas Manns. Würzburg 2003, S. 37.
  • 70. Vgl. Tangherlini u. Leonard: »Trawling in the Sea of the Great Unread« (Anm. 34), S. 731f.
  • 71. Ein sich unmittelbar erschließendes Beispiel für eine übersetzerische Weiterentwicklung der Motivik sind japanische Schreibungen, die das ursprünglich ›Herz‹ bedeutende Zeichen kokoro beziehungsweise shin beinhalten. Hierzu gehören Abstrakta wie ryōshin (Gewissen) oder kanshin (Interesse), die den Bezug zur Herzmotivik ausschließlich durch ihre ikonografische Schreibung herstellen.
  • 72. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass das japanische Adjektiv hidoi keine semantische Deckungsgleichheit zum deutschen gemein aufweist. Es entspricht ausschließlich der Lesart ›moralisch niederträchtig‹, ›furchtbar‹, nicht aber der Lesart ›allgemein‹, ›gewöhnlich‹.
  • 73. An dieser Stelle repräsentieren die durch Pfeile als verschränkt markierten Begriffe keine Tokens, sondern komplette Topics, die der Übersichtlichkeit halber ausnahmsweise unter jeweils einem einzigen Überbegriff subsummiert wurden.
  • 74. Wie aus dem weiteren Argumentationsverlauf hervorgeht, weist dieser Verschränkungskomplex besonders ausgeprägte basismetaphorische Bezüge auf. Dass er im auf der Takahashi-Übersetzung basierenden Topic Explorer im Gegensatz zur deutschsprachigen Variante kaum repräsentiert ist, stützt die weiter unten formulierte Hypothese einer erschwerten Übersetzbarkeit basismetaphorischer Motiv- oder Topic-Komplexe.
  • 75. Ein Beispiel einer derartigen Restkategorie ist das Topic [DU/WERDEN/NOCH/WOHL/LIEBEN/FRAGEN]. Das sentenzartige Beispiel verdeutlicht, dass sich eine Analyse der erzählstrukturellen Dimension von Topics und Motiven keinesfalls ausschließlich auf das hier durchaus gegebene Interpretierbarkeitskriterium stützen darf, sondern explizite Kriterien formulieren muss.
  • 76. Vgl. Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche – Werk – Wirkung. 4. überarbeitete und aktualisierte Auflage. München 2010, S. 103f.; Daemmrich u. Daemmrich: Themen und Motive in der Literatur (Anm. 20), S. 195.
  • 77. Vgl. beispielsweise Kurzke: Thomas Mann. Epoche – Werk – Wirkung (Anm. 42), S. 103f.; außerdem Helmut Jendreiek: Thomas Mann. Der demokratische Roman. Düsseldorf 1977, S. 177f.; Manfred Eisenbeis: Interpretationen Deutsch. Thomas Mann: Tonio Kröger – Mario und der Zauberer. Nachdruck der Auflage von 2010. Hallbergmoos 2012, S. 41.
  • 78. Vgl. Jendreiek: Thomas Mann. Der demokratische Roman (Anm. 77), S. 177f.; außerdem Roffmann: »Keine freie Note mehr« (Anm. 69), S. 24.
  • 79. Roffmann: »Keine freie Note mehr« (Anm. 69), S. 118, 24.
  • 80. Thomas Mann: »Tonio Kröger«. In: Ders.: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe [GKFA]. Hg. von Heinrich Detering u. a. Band 2: Frühe Erzählungen 18931912. Hg. von Terence J. Reed. 3. Auflage. Frankfurt / M. 2012, S. 243–318, hier S. 300.
  • 81. Vgl. ebd., S. 265.
  • 82. Thomas Mann: »Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von seinem Freunde«. In: Ders.: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe [GKFA]. Hg. von Heinrich Detering u. a. Band 10.: Doktor Faustus. Hg. von Ruprecht Wimmer. Frankfurt / M. 2007, S. 260.
  • 83. Vgl. Turner: Death is the Mother of Beauty (Anm. 36), S. 12; außerdem: Peter Stockwell: Cognitive Poetics. An Introduction. London, New York 2002; außerdem Jakobson: »Linguistik und Poetik« (Anm. 58), S. 83–121.
  • 84. Vgl. Daemmrich u. Daemmrich: Themen und Motive in der Literatur (Anm. 20), S. 195.
  • 85. 22 Belegen im Original sind in der japanischen Übersetzung je 81 bis 95 Belege entgegenzusetzen.
  • 86. Frenzel: Stoff-, Motiv- und Symbolforschung (Anm. 46), S. 50.
  • 87. Vgl. George Lakoff u. Mark Johnson: Metaphors We Live By (with a new afterword). Nachdruck der Neuauflage. Chicago, London 2003 [1980], S. 5.
  • 88. Mann: Tonio Kröger (Anm. 77), S. 262.
  • 89. Vgl. Kristiansen: »Das Problem des Realismus bei Thomas Mann« (Anm. 49), S. 830.
  • 90. Vgl. Sabine Kuhangel: Der labyrinthische Text. Literarische Offenheit und die Rolle des Lesers. Wiesbaden 2003, S. 166.
  • 91. Daemmrich u. Daemmrich: Themen und Motive in der Literatur (Anm. 20), S. XVI.
  • 92. Vgl. Lakoff u. Johnson: Metaphors We Live By (Anm. 87), S. 259.
  • 93. Vgl. ebd., S. 255.
  • 94. Vgl. ebd., S. 48, 255.
  • 95. Vgl. Turner: Death is the Mother of Beauty (Anm. 36).
  • 96. Vgl. Werner Frizen: »Thomas Manns Sprache«. In: Helmut Koopmann (Hg.): Thomas Mann Handbuch. 3. aktualisierte Auflage. Frankfurt / M. 2005, S. 854–874, hier S. 864f.
  • 97. Vgl. Christa Baldauf: Metapher und Kognition. Grundlagen einer neuen Theorie der Alltagsmetapher. Frankfurt / M. u.a. 1997, S. 99–106.
  • 98. Vgl. ebd. S. 139–151.
  • 99. Vgl. ebd., S. 181f.
  • 100. Vgl. Spieß u. Köpcke: Metapher und Metonymie (Anm. 44), S. 7f.
  • 101. Vgl. Lakoff u. Johnson: Metaphors We Live By (Anm. 87), S. 7–9, 244.
  • 102. Vgl. ebd., S. 244.
  • 103. Vgl. George Lakoff u. Mark Turner: More than Cool Reason. A Field Guide to Poetic Metaphor. Chicago, London 1989, S. 51.
  • 104. Vgl. ebd., S. 50.
  • 105. Ebd., S. 54.
  • 106. Vgl. ebd., S. 89.
  • 107. Vgl. erneut Kristiansen: »Das Problem des Realismus bei Thomas Mann« (Anm. 49), S. 830.
  • 108. Bspw. [LEBEN/LIEBE/KUNST/SEHNSUCHT/ABEND] oder [NINGEN/HIDOI/SHIRU/GEIJUTSU], d. h. [MENSCH(HEIT)/GEMEIN/WISSEN/KUNST].
  • 109. Vgl. Baldauf: Metapher und Kognition (Anm. 93), S. 19; vgl. Lakoff u. Johnson: Metaphors We Live By (Anm. 84), S. 3; Spieß u. Köpcke: Metapher und Metonymie (Anm. 44), S. 5.
  • 110. Vgl. Lakoff u. Johnson: Metaphors We Live By (Anm. 84), S. 22–24.
  • 111. Vgl. ebd., S. 244, 256.
  • 112. Vgl. George Lakoff: Women, Fire, and Dangerous Things. What Categories Reveal about the Mind. Chicago, London 1990, S. 307f., 320.
  • 113. Vgl. ebd., S. 317.
  • 114. Vgl. Turner: Death is the Mother of Beauty (Anm. 36), S. 14.
  • 115. Vgl. Mann: »Mitteilung an die Literaturhistorische Gesellschaft in Bonn« (Anm. 50), S. 716.
  • 116. Vgl. Walter Weiss: Thomas Manns Kunst der sprachlichen und thematischen Integration. In: Beiheft zur Zeitschrift Wirkendes Wort. Band 13. Düsseldorf 1964, S. 51–64, hier S. 52f.
  • 117. Jendreiek: Thomas Mann. Der demokratische Roman (Anm. 77), S. 176.
  • 118. Thomas Mann, zitiert nach Hans Rudolf Vaget: »Die Erzählungen«. In: Helmut Koopmann (Hg.): Thomas Mann Handbuch. 3. aktualisierte Auflage. Frankfurt / M. 2005, S. 534–618, hier S. 541.
  • 119. Vgl. beispielsweise Roffmann: «Keine freie Note mehr« (Anm. 60), S. 212.
  • 120. Thomas Mann (Hervorhebungen im Original), zitiert nach Kristiansen: »Das Problem des Realismus bei Thomas Mann« (Anm. 49), S. 824.
  • 121. Roffmann: »Keine freie Note mehr« (Anm. 69), S. 92.
  • 122. Vgl. Moretti: Distant Reading (Anm. 9), S. 46.
  • 123. Vgl. ebd.
  • 124. Moretti: Distant Reading (Anm. 9), S. 46f. Moretti bezieht sich auf: Itamar Even-Zohar: »Laws of literary interference«. In: Poetics Today Vol. 11/1 (1990), S. 53–72, hier S. 70.
  • 125. Vgl. ebd., S. 58, 134.
  • 126. Vgl. Mohr u. Bogdanov: »Topic Models – What they are and why they matter« (Anm. 57), S. 558.
  • 127. Vgl. Pasanek u. Sculley: »Mining millions of metaphors« (Anm. 30), S. 348–351.
  • 128. Vgl. Ramsay: Reading Machines (Anm. 11), S. 81.

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