Interdisziplinäre Tagung "Das Immaterielle ausstellen"

Antragsteller: Levke Tessmann
Fachbereich, Studienrichtung: Graduate School "Practices of Literature", Promotionsstudiengang
Projekttitel: Das Immaterielle ausstellen
Fördersumme: 2.647,93 Euro
Kontakt: Levke Tessmann

Projektbeschreibung:

Die Graduate School Practices of Literature (GS PoL) der Westfälischen Wilhelms Universität Münster hat als Kooperation mit dem Buddenbrookhauses und dem Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck am 15. und 16. April 2016 die interdisziplinäre Tagung „Das Immaterielle ausstellen“ in Lübeck realisieren können, die in Münster initiiert und konzipiert wurde. Durch einen Kontakt der GS PoL nach Lübeck wurde die Kooperation angestoßen. Als Keynote-Sprecherin konnte früh Frau Prof. Dr. Heike Gfrereis aus dem Literaturmuseum der Moderne Marbach gewonnen werden.

Die Tagung sollte die Frage beleuchten, wie sich Literatur und performative Formen der Kunst als ihrem Wesen nach (zunächst) immaterielle Größen musealisieren lassen, da doch das  Zeigen  von  ‚Dingen’  ein  wesentliches Merkmal  musealer  Ausstellungen  darstellt. Absicht war es u. a., sich im Rahmen eines interdisziplinären Austauschs damit auseinanderzusetzen, welche Rolle dem Aspekt der Materialität und der physischen Präsenz der ‚Dinge’ in Literaturausstellungen und Ausstellungen ephemerer Kunstformen zukommt. Ausdrückliches Ziel der Tagung war es, Aspekte und Praktiken aus beiden Bereichen – der Literatur und der performativen Kunst – zusammenzudenken, miteinander zu konfrontieren und einen möglichst fruchtbaren Austausch zu erreichen. Zur Diskussion boten sich Begriffe an, die in beiden Disziplinen problematisch erscheinen wie Aura, Original oder Immaterialität.

Aus den zahlreichen qualifizierten Beitragsvorschlägen wurde ein Programm zusammengestellt, das letztlich in vier Sektionen unterteilt war. Diskutiert wurden das Ausstellen von Performance und Erzählung  (Sektion I), das Ausstellen von Resten und Relikten (Sektion II), Materiellem und Immateriellem (Sektion III) und die digitalen Strategien und Möglichkeiten in Ausstellungen (Sektion IV). Sowohl den Beiträgen aus dem Bereich der Literatur, als auch denen aus dem Bereich der performativen Kunst ging es um die Frage, wie Literatur/Kunst erfahrbar gemacht werden kann. So wurde u.a. dafür plädiert die Dimension  von  Literatur  zu  exponieren  und  diese  für die MuseumsbesucherInnen  räumlich erfahrbar  zu  machen, und als grundlegende  Prinzipien  für  Literaturausstellungen  die Nutzung  der  Architektur  als  Träger  von  Botschaften gedacht. Thematische Überschneidungen, die nach jedem Vortrag eine besonders lebhafte Diskussion ermöglichten, gab es auch mit der P  erformance Kunst, für die ebenfalls die Frage gestellt wurde, wie diese  in  Ausstellungen vermittelt  werden  kann. Ein Ansatz, der sich herauskristallisierte, war, dass Ausstellungen  grundsätzlich aus narratologischer  Perspektive  betrachtet werden können.

In ihrer Keynote-Lecture thematisierte Frau Prof. Dr. Heike Gfrereis die verbreitete Auffassung, Literaturausstellungen seien das Umnutzen des  Materiellen  zum  Stellvertreter  des Immateriellen, sodass ein zu Beginn der Tagung kaum deutlich formulierter Aspekt ergänzt wurde. Das Deutschen Literaturarchiv  Marbach, so betonte Gfrereis, konzipiere Literaturausstellungen mit dem Blick darauf, etwas erfahrbar zu machen, nicht etwas zu vermitteln. Grundsätzlich ließ der Tenor der Tagung darauf schließen, dass Kuratoren offener und mutiger mit Fragen der Musealisierung umgehen sollte – ein Impuls, der auch Anstoß zu der Tagung gab. 

Die sehr vielfältigen und interdisziplinären Beiträge ergänzten sich äußerst produktiv und konnten aufgrund der Konkretheit ihrer Anlage sehr gelungen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Dies ist auch darin zu begünden, dass viele der Vortragenden aktuell oder vormals ein Volantariat im Museen leisten oder an Museen arbeiten und ebenso praktisch wie theoretisch arbeiten. So konnten sowohl die thereotischen wie praktischen Erkenntnisse stets in den Blick genommen werden. Die Öffnung für die verschiedenen Disziplinen sorgte zudem für ein gemischtes und sehr offenes Publikum.

Im Anschluss an die, nach Anmeldung durchaus für Jede/n geöffneten Sektionen wurde eine ebenfalls konstruktive öffentlichen Podiumsdiskussion im Buddenbrookhaus eröffnet. Hier konnten noch mal die grundästzlichen Punkte und Anliegen der Tagung zusammengefasst und diskutiert werden, wobei der Fokus aufgrund der Räumlichkeiten auf dem Medium der Literaturausstellung lag. Über die in den Vorträgen angesprochenen Aspekte hinaus lag der Schwerpunkt der Podiumsdiskussion somit auf den  Rahmenbedingungen von Literatur- und Performanceausstellungen und bot als Abschluss der Tagung einen Raum für umfassende Reflexionen, Diskussionen und Denkanstöße. Besonders konstruktiv und bereichernd erschien hier die, über die ästhetischen und literatur- bzw. kunstwissenschaftlichen Aspekte hinausgehende Diskussion um die gesellschaftlich-politische Dimension von Ausstellungen und der Frage nach einer (sozial-)politischen Verantwortung von Museen, die die Fragestellung der Tagung zum  Schluss hin öffnete.

Die Rückmeldungen von ReferentInnen, TeilnehmerInnen und die Besprechung der Tagung in den lokalen Medien (u.a. in den Lübecker Nachrichten und im Flensburger Tageblatt/ Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag) waren durchgehend positiv. Vor allem die gute Diskussionsatmosphäre und die gelungene Zusammenarbeit der Kooperationspartner wurden hervorgehoben. Besonderen Zuspruch fand die Verzahnung von Theorie und Praxis, die sich auch darin niederschlug, dass neben den Vorträgen gemeinsame Museumsführungen im Buddenbrookhaus und im Günter-Grass-Haus stattfanden, die in der Umsetzung wichtige Synergieeffekte und interdisziplinären Austausch erzeugten.

In diesem Sinne möchte ich mich herzlich für die Förderung durch die WWU bedanken. Obwohl der Planungszeitraum der Tagung knapp bemessen war, hat die zügige Bearbeitung des Antrags durch die Förderung von Forschungsprojekten Studierender der WWU und die hilfreiche Rückmeldung durch Frau Dieks einen reibungslosen Ablauf ermöglicht.

Nachdem bereits ein kurzer Tagungsbericht online erschienen ist, wird es voraussichtlich eine Publikation der Beiträge im Textpraxis-Journal der WWU geben, sodass die qualifizierten Beiträge weiter sichtbar gemacht werden können.