Plastik – von monumental zu digital. Odysseus 2.0 – 3D-Druck in der Archäologie

Antragsteller: Leo Klinke
Projektbeteiligte: Archäologisches Museum der Universität Münster
Fachbereich, Studienrichtung: Archäologie
Projekttitel: Plastik – von monumental zu digital. Odysseus 2.0 – 3D-Druck in der Archäologie
Fördersumme: 4.600,00 Euro
Kontakt: Leo Klinke

Projektbeschreibung:

Das Forschungsprojekt „Plastik – von monumental zu digital. Odysseus 2.0 – 3D-Druck in der Archäologie“ steht im Kontext technischer Innovationen innerhalb der archäologischen Wissenschaften. So eröffnet z. B. die Digitalisierung von Artefakten ganz neue Forschungsansätze. Das Projekt untersuchte nun die Möglichkeit, aus solchen virtuellen Daten wieder reale, materiale Skulptur- und Raummodelle zu generieren. Nach 2000 Jahren konnte auf diese Weise erstmals das antike Ensemble aus Höhle und Skulpturenprogramm der ‚Grotta di Tiberio‘ - in Miniaturformat - wiedererstehen. Mit Hilfe des 3D-Druckverfahrens entstand auf der Grundlage von 7.318.674 exakt georeferenzierten digitalen Messpunkt-Daten ein Modell des Areals im Maßstab 1:33. 

Die ‚Grotta di Tiberio‘ befindet auf halber Strecke zwischen Rom und Neapel in Sichtweite zur nahen Kleinstadt Sperlonga an der italienischen Küste des Tyrrhenischen Meeres. In der Höhle, die im 1. Jh. n. Chr. Teil der Villa des römischen Kaisers Tiberius (14 – 37 n. Chr.) war, wurden 1957 bei Ausgrabungen kolossale, aber zerschlagene Marmorskulpturen gefunden. Sie stellten sich als Kunstwerke der antiken Bildhauer Athanodoros, Hagesandros und Polydoros heraus. Plinius der Ältere nennt diese Künstler als Schöpfer der weltberühmten Laokoon-Skulptur. Die überlebensgroßen Skulpturengruppen aus der ‚Grotta di Tiberio’ zeigen monumentale Szenen aus der Odyssee und gestalteten zu Tiberius Zeiten den durch Wasserspiele gegliederten Höhlenraum. Ihre heutige Präsentation erfolgt im „Museo Archeologico Nazionale di Sperlonga“. Eine wissenschaftliche, reale Modellrekonstruktion der Gesamtanlage gab es bislang nicht.  

Das übergeordnete Ziel des Projekts „Plastik – von monumental zu digital. Odysseus 2.0 – 3D-Druck in der Archäologie“ war es, sowohl Fach- als auch Laienpublikum an einer zeitgemäßen Wissenserschließung archäologischer Forschung am Beispiel der ‚Grotta di Tiberio’ und ihres Skulpturenprogramms teilhaben zu lassen.  

Das Archäologische Museum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster bot mit der Sonderausstellung "Plastik³ - Skulpturen aus der Maschine - 3D-Druck in der Archäologie. Die Rekonstruktion der Skulpturen der Grotte von Sperlonga" vom 4. Dezember 2015 bis 13. Februar 2016 hierzu die Möglichkeit. Im Zentrum der Ausstellungsfläche stand das Modell des Höhlenareals aus dem 3D-Drucker. Großformatige Text- und Bildbanner lieferten dem Publikum Hintergrundinformationen zu den Aspekten der Rekonstruktion, des Druckverfahrens, aber auch zur archäologischen Erschließung der ‚Grotta di Tiberio‘ und ihrer Skulpturen. An zwei Terminals konnten die Besucherinnen und Besucher die virtuellen Modelle einzelner Plastiken interaktiv selber drehen und wenden. Darüber hinaus zeigte ein Video die virtuelle Simulation des Gesamtensembles aus Höhlenraum und Skulpturen. Durch letzteren Aspekt wurde dem Publikum die besondere Möglichkeit des direkten Vergleichs zwischen dem realen und einem virtuellen Modell geboten. Jeder konnte selbst kompositorische und raumrelevante Fragen sowie Überlegungen zur An- und Zuordnung der Skulpturen überprüfen, sich Erkenntnisse zu Sichtachsen und Sichtfeldern aneignen und sich sogar zu Spezialaspekten wie der Ausrichtung von Skulpturstützen kundig machen. So sollte – und konnte – archäologische Forschung erlebbar werden.  

Erste Ergebnisse des Projekts konnten auf der Jahrestagung des Deutschen Archäologen-Verbands vom 19. bis 21. Juni 2015 in Innsbruck vorgestellt werden. Die im Juni 2014 neu gegründete Arbeitsgemeinschaft „Archäologie und Computer“ bot hier das adäquate Forum zur Präsentation, im Besonderen um weitere nationale und internationale Anknüpfungen zu finden. Das Projekt „Plastik – von monumental zu digital. Odysseus 2.0 – 3D-Druck in der Archäologie“ wurde hier als Grundlagenforschung gewertet. 

Auf Grund der Wichtigkeit der neuen Technologien für die archäologischen Wissenschaften wurde am Institut für Klassische Archäologie der WWU im Wintersemester 2015/2016 erstmalig der Wahlpflicht-Praxiskurs „3D-Dokumentation und -Visualisierung in der Archäologie“ angeboten.  

Über die Ausstellung "Plastik³ - Skulpturen aus der Maschine - 3D-Druck in der Archäologie. Die Rekonstruktion der Skulpturen der Grotte von Sperlonga" wurde in verschiedenen Zeitungen und auch in der Lokalzeit des WDR berichtet. Zusätzlich war sie Teil des Adventskalenders 2015 der WWU. 

Die fachlich größte Strahlkraft hatte die Begleitpublikation („Neue Ansichten – Neue Einsichten durch virtuelle Archäologie“) mit knappen mehrsprachigen Zusammenfassungen auf italienisch und englisch sowie einer beigefügten DVD. Sie zählt zu den umfassendsten Publikationen einer entsprechenden Case-Study und benennt erstmalig die zukunftsweisenden Perspektiven des 3D-Drucks für die archäologischen Wissenschaften. 

Zukünftig ist geplant das 3D-gedruckte Höhlenensemble der Rekonstruktion der Skulpturen der Grotte von Sperlonga auch in anderen Museen zu zeigen, z. B. in der Archäologischen Sammlung der Albert-Ludwig-Universität Freiburg im Rahmen der Sonderausstellung „Ansichtssache. Antike Skulpturengruppen im Raum“ (2017) oder im Antikenmuseum der Ruhr-Universität Bochum, da die Forschungsergebnisse auch für die dortige Dauerpräsentation der monumentalen Polyphemgruppen-Replik aus dem Sperlonga-Odyssee-Zyklus von Interesse sind.

Zur Begleitpublikation (im OPAC der ULB)

Fotos der Ausstellung

© Leo Klinke
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    © S. Fromme
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