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Münster (upm)
Mirjam Brzeska besuchte in Jerusalem unter anderem das Jaffator und die Altstadtmauer.<address>© privat</address>
Mirjam Brzeska besuchte in Jerusalem unter anderem das Jaffator und die Altstadtmauer.
© privat

Theologie-Studentin berichtet von Studienaufenthalt in Jerusalem

Den Berg der Heiligtümer vor der Tür / Mirjam Brzeska war acht Monate in Israel

Theologie nicht nur studieren, sondern leben: Das ist das Ziel des Theologischen Studienjahrs, das seit 1973 für Studierende der katholischen und evangelischen Theologie angeboten wird. Mitten in Jerusalem konzentrieren sich die Teilnehmer für zwei Semester (von August bis Ostern) auf das intensive Studium der biblischen Fächer, der Ostkirchenkunde, Judaistik und Islamwissenschaften. Vorlesungen und Seminare wechseln sich mit Exkursionen ab. In der Unizeitung wissen|leben berichtet Mirjam Brzeska von ihren Erfahrungen.

"Nimm dir warme Kleidung mit! Während der Wintermonate lag ich nachts im Anorak im Bett und habe gefroren!" Unter den zahlreichen Hinweisen, die eine gute Freundin mir für meinen Auslandsaufenthalt gegeben hatte, war dies wohl der überraschendste – mein Studienjahr führte mich nämlich nicht in die Weiten Sibiriens, sondern für acht Monate nach Jerusalem. Wie sich bald herausstellte, hätte ich besser auf den guten Rat gehört ...

Über das Theologische Studienjahr Jerusalem wusste ich im Vorhinein, dass es ein Intensivstudium der Theologie im Land der Bibel werden würde, das heißt am Ort des Geschehens. Doch wie sehr mich diese acht Monate prägen würden, war mir nicht bewusst. Für diese Form des Auslandsaufenthaltes habe ich mich in der zweiten Hälfte meines Theologiestudiums entschieden, beeindruckt von dem hohen Niveau der angebotenen Lehrveranstaltungen, den Berichten der begeisterten Dozierenden unserer Fakultät und vor allem den strahlenden Augen der ehemaligen Teilnehmer.

Was unterscheidet das Studienjahr von anderen Programmen des Auslandsstudiums in Israel? Das etablierte Programm, zu dessen 43. Jahrgang ich gehörte, bietet zu 80 Prozent deutschsprachige Veranstaltungen mit zahlreichen Exkursionen, die der archäologischen Erkundung des Landes dienen. Neben den wöchentlichen Tagesexkursionen ist die Zeit in Israel durch drei große Exkursionen strukturiert, die uns in die jordanische Wüste und zweimal nach Galiläa führten. Auf der ersten dieser Exkursionen wanderten wir zehn Tage lang in der jordanischen Wüste, während die beiden folgenden Exkursionen von bis zu elf Tagen vor allem mit archäologischen Höhepunkten in Galiläa begeisterten.

Im deutschsprachigen akademischen Raum einmalig ist außerdem die gelebte Ökumene der Teilnehmer: Auf dem Gelände der deutschen Benediktinerabtei Dormitio auf dem Zionsberg, das uns für acht Monate zum Wohn- und Studienort wurde, entwickelte sich eine Studier- und Lebensgemeinschaft von Christen lutherischer, unierter, reformierter und römisch-katholischer Konfession, die die unterschiedlichen Orte der Begegnung zum Austausch und Wachsen im gegenseitigen Verständnis nutzte. Als gläubige Christin und Theologiestudentin, die bereits ein Jahr zuvor für zehn Tage mit der Katholisch-Theologischen Fakultät im Heiligen Land gewesen war, kann ich die Erfahrung, dass der Berg der Heiligtümer zehn Minuten von meiner Haustür entfernt lag, nur als surreal beschreiben: Vermutlich ist dies eine der wichtigsten Erfahrungen gewesen, die ich sammeln durfte.

Ausblick vom Paulushaus auf die Altstadt mit dem Felsendom.<address>© privat</address>
Ausblick vom Paulushaus auf die Altstadt mit dem Felsendom.
© privat
Abgesehen von der engen Verknüpfung von Theologie und Archäologie, die mich auf meinem weiteren Weg begleiten wird – ob während des Studiums oder als Seelsorgerin – war die Zeit in Jerusalem nicht zuletzt durch die unterschiedlichen und doch so ähnlichen Gruppen von Menschen geprägt, die in dieser Stadt leben. Symbolisch steht die von unserer Dachterrasse sichtbare Mauer für den immer präsenten Konflikt zwischen Israel und Palästina. Der unermessliche Wert von Frieden wird unweigerlich ins Licht gerückt. Unsere kleine Gruppe von 16 Studierenden aus Deutschland und der Schweiz lebte diesen Frieden anscheinend überzeugend, da wir von Anfang an als das "harmonische Studienjahr" etikettiert wurden – zumindest sind aus dieser Zeit zahlreiche enge Freundschaften hervorgegangen.

Das Beit Joseph – so heißt das Gebäude des Studienjahrs – beherbergte uns mit einer Küche und den Speisesälen im Kellergeschoss, im Erdgeschoss befindet sich der große Studiensaal mit angrenzendem Aufenthaltsraum. Im ersten Stock sind die Unterkünfte der Dozierenden sowie das Dekanat, und die beiden Stockwerke darüber bewohnen die Studierenden. Über die Wintermonate litten wir bei 15 Grad Celsius in den Zimmern unter der fehlenden Isolierung des Hauses, entwickelten aber mit der Zeit kreative Lösungen, nicht zu "erfrieren". Als besonders eindrücklicher Tag wird uns sicher der Besuch des Berges der Heiligtümer in Erinnerung bleiben, bei dem wir die einmalige Möglichkeit wahrnehmen durften, mit Mitstudierenden der islamischen Theologie und deren Dozierenden die Al-Aqsa-Moschee und den Felsendom von innen zu bewundern.

Meine wichtigste Erkenntnis aus den acht Monaten ist jedoch eine veränderte Perspektive auf die "heilige Stadt" Jerusalem. Mit dem Herzen einer Christin wahrgenommen erscheint dieser Ort angesichts der Feindschaft seiner Bewohner seine volle Heiligkeit erst mit der absoluten Gegenwart Gottes am Ende der Zeit zu erhalten. Ein Vorgeschmack dieser Vollendung darf jedoch bereits jetzt erahnt werden, wenn der Zusammenklang von Schofar, Kirchenglocken und Muezzin die Gassen von Jerusalem füllt – und zwar in Harmonie.

Mirjam Brzeska ist 21 Jahre alt und studiert seit Oktober 2013 katholische Theologie an der WWU.

Dieser Text stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 4, 21. Juni 2017.

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