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Münster (upm/jus)
Glücksspiel im Internet: Bisher ist nicht geregelt, welcher Staat bei grenzüberschreitenden Straftaten zuständig ist.<address>© Colourbox.de</address>
Glücksspiel im Internet: Bisher ist nicht geregelt, welcher Staat bei grenzüberschreitenden Straftaten zuständig ist.
© Colourbox.de

Glücksspiel im Internet: Deutsches Recht weist Lücken auf

Jurist Dr. Erik Duesberg schlägt in seiner Dissertation einen neuen Auslegungsweg ein

Es sollte ein Urteil mit Signalwirkung sein: Anfang 2015 verurteilte das Amtsgericht München einen Internet-Zocker zu einer Geldstrafe, weil er bei einem ausländischen Anbieter "Black Jack" gespielt hatte. Sein Gewinn von mehr als 60.000 Euro wurde einbehalten, weil das Online-Casino für Deutschland keine Lizenz hatte. Doch es kam anders: Das Landgericht München hob das Urteil wieder auf. Das deutsche Strafrecht sei in diesem Fall nicht anwendbar, entschieden die Richter.

Dieser Fall steht beispielhaft für die Probleme der deutschen Rechtsprechung, wenn es um die Strafbarkeit von illegalen Glücksspielen im Internet geht. Dürfen ausländische Anbieter, die keine deutsche Lizenz haben, in Deutschland bestraft werden? Ist bereits die Teilnahme am nicht-lizensierten Online-Glücksspiel strafbar? Zahlreiche Experten haben Publikationen dazu vorlegt, wie das deutsche Recht in diesen Fällen auszulegen sei. "Eine zufriedenstellende Lösung gibt es bisher nicht", konstatiert der Jurist Dr. Erik Duesberg vom Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Münster. In seiner Dissertation hat er deshalb einen neuen Auslegungsweg aufgezeigt, indem er den Begriff der Tat aus den Paragrafen 3 und 9 des Strafgesetzbuches neu definiert. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät hat ihn dafür mit dem Harry-Westermann-Preis ausgezeichnet.

Das Problem beim Online-Glückspiel besteht darin, dass deutsches Strafrecht gemäß Paragraf 3 des Strafgesetzbuches – abgesehen von einigen Ausnahmefällen – nur für Taten gilt, die im Inland begangen werden. "Diese Formulierung stammt aus dem Jahr 1969 und bezieht den globalen Charakter des Internets nicht mit ein", erklärt der Jurist, der derzeit sein Referendariat absolviert. Streng genommen dürften also viele Straftaten, die vom Ausland aus über das Internet begangen werden, nicht von Deutschland aus verfolgt werden. Das deutsche Recht eröffnet dennoch Möglichkeiten einer Strafverfolgung. Bisher wurden die Gesetze in der Praxis aber sehr unterschiedlich ausgelegt.

Dr. Erik Duesberg<address>© picturepeople Dortmund</address>
Dr. Erik Duesberg
© picturepeople Dortmund
In seiner Dissertation gelangt Erik Duesberg zu der allgemein verbindlichen Erkenntnis, dass eine Tat als zusammengehöriger Tatsachenkomplex zu verstehen ist. Demnach wären beim Online-Glücksspiel beispielsweise die Werbung, das Angebot sowie mögliche Betrugsdelikte keine Einzeltaten, sondern mehrere Aspekte einer einzigen Tat. Sobald es einen inländischen Tatort gibt (zum Beispiel Werbung für ein Glücksspiel in Deutschland), ist es nach Auslegung von Erik Duesberg rechtens, wenn deutsche Behörden den Fall komplett erfassen – auch wenn der Anbieter aus dem Ausland agiert. "So ließe sich verhindern, dass Strafbarkeitslücken entstehen, wenn Glücksspiel-Anbieter das deutsche Recht durch eine Ansiedlung im Ausland zu umgehen versuchen", erläutert er.

Dass das Thema den Puls der Zeit trifft, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Glücksspiele im Internet erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Schätzungsweise 6,8 Millionen Menschen aus der Europäischen Union nehmen daran teil, davon rund zwei Millionen in Deutschland. Die Einnahmen beliefen sich 2015 in der EU auf rund 13 Milliarden Euro. Typische Anbieterstaaten sind beispielsweise Costa Rica, Gibraltar oder Malta. Dort erhalten Glücksspiel-Anbieter ohne hohe Anforderungen eine legale Lizenz. Für Spieler bergen die Angebote häufig hohe Risiken, denn der Markt wird zu weiten Teilen von kriminellen Anbietern beherrscht.

Welchen Weg man in der deutschen Rechtsprechung bei der Problematik grenzüberschreitender Kriminalität einschlagen könnte, zeigt Erik Duesberg in seiner Dissertation auf. Am Beispiel des Online-Glücksspiels unterbreitet er zugleich Lösungsvorschläge, wie Regelungen auf internationaler Ebene aussehen könnten. "Denkbar ist beispielsweise eine europäische Online-Glücksspielrichtlinie, durch die verbindlich festgelegt würde, welcher EU-Mitgliedsstaat die Tat verfolgen darf", erklärt er.

Dass es jemals eine weltweit geltende Regelung geben wird, hält er dagegen für utopisch. Spieler in Deutschland könnten sich bisweilen auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen. "Das bedeutet, dass sie angesichts der verworrenen Rechtslage nicht mit Sicherheit wissen können, ob sie sich durch eine Teilnahme am Online-Glücksspiel strafbar machen."

Julia Schwekendiek

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 2, 26. April 2017.

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