|
Münster (upm/ch)
Umweltfreundlicher Verkehr in Kopenhagen: Die Stadt wurde 2014 als &quot;Grüne Hauptstadt Europas&quot; ausgezeichnet. Ähnlich wie in Münster sind viele Menschen mit dem Rad unterwegs. Fahrrad-Schnellstraßen ins Umland werden sehr gut angenommen.<address>© william87/fotolia.com</address>
Umweltfreundlicher Verkehr in Kopenhagen: Die Stadt wurde 2014 als "Grüne Hauptstadt Europas" ausgezeichnet. Ähnlich wie in Münster sind viele Menschen mit dem Rad unterwegs. Fahrrad-Schnellstraßen ins Umland werden sehr gut angenommen.
© william87/fotolia.com

"Mehr Anreize für Haus-Sanierungen schaffen"

Ein Gespräch mit dem Klimatologen Prof. Otto Klemm über die Herausforderungen, die der Klimawandel für die Stadtplanung bedeutet

Otto Klemm ist Professor für Klimatologie am Institut für Landschaftsökologie der WWU und Vorsitzender des Klimabeirats der Stadt Münster. Christina Heimken sprach mit ihm über den Klimawandel und die Herausforderungen, die dieser für die Stadtplanung mit sich bringt.

Zum Weltklimagipfel hat die "World Meteorological Organization" im November eine erste Bilanz gezogen: 2016 sei das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Spiegelt sich der Rekordwert auch in Ihren Messdaten für Münster wider?

Es ist vermessen, schon im November Mittelwerte für das Jahr 2016 herauszugeben. Anscheinend gibt es einen Wettstreit darüber, wer am schnellsten ist. Daran werde ich mich nicht beteiligen. Aber davon abgesehen: Auch hier in Münster gibt es einen klaren Trend – die Temperaturen steigen.

Mit welchen Folgen angesichts des Klimawandels müssen wir für das Münsterland rechnen?

Mit dem Klimawandel werden die Temperaturen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit weiter ansteigen, und es wird eine Häufung von Extremwetterlagen geben. Dazu zählen Hitzewellen wie im Sommer 2003 oder die Wetterlage, die im Juli 2014 zu dem Hochwasser in Münster geführt hat. Insgesamt erwarten wir hier in der Region – im Gegensatz zu anderen Teilen Europas – keinen großen Einfluss auf die jährliche Niederschlagsmenge. Allerdings wird es wohl eine Verschiebung geben: im Winter mehr Niederschlag, im Sommer eher weniger.

Ich möchte übrigens unterscheiden zwischen Prognosen und Projektionen. Prognosen macht man bei der Wettervorhersage. Anhand physikalischer Gegebenheiten und Formeln kann man recht gut vorhersagen, wie morgen oder übermorgen das Wetter sein wird. Die Vorhersagbarkeit des Wetters hört allerdings spätestens nach 14 Tagen auf. Trotzdem können wir Aussagen darüber machen, wie das Klima in Jahrzehnten aussehen wird. Dann spricht man von Projektionen – Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Dinge auftreten, beispielsweise bestimmte Temperaturen oder Stürme.

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens – maximal 1,5 Grad Celsius Erderwärmung – zu erreichen, müssen alle Länder ihren Beitrag leisten. Vieles muss auch auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Was kann eine Stadt zum Klimaschutz beitragen?

Schauen wir uns zunächst einmal den Verkehr an. Einerseits müssen wir kurzfristig zum Beispiel überlegen: Wie können wir EU-Richtlinien zur Luftreinhaltung umsetzen? Wie weit wollen wir zeitnah die Innenstadt autofrei halten? Welche Rolle spielt zukünftig der Elektro-Verkehr? Solche Fragen werden im Spannungsfeld der verschiedenen Interessen konkret diskutiert.

Über längere Zeiträume betrachtet ist es jedoch angemessen, in Visionen zu denken. Wie sieht die Welt von morgen aus? Fahren wir in 30 Jahren überhaupt noch mit Autos, die mit Benzin oder Diesel betrieben werden? Wie viel Fläche wird dem Verkehr zugewiesen? Es gibt Trends in der Stadtentwicklung, die darauf abzielen, dass Freiflächen eher den Menschen zugutekommen, weniger dem Verkehr.

Ein Beispiel ist Kopenhagen: Hier laden Flächen in der Innenstadt, die früher als Parkplätze dienten, zum entspannten Aufenthalt ein. Im Gegenzug wird nicht nur der Fahrradverkehr im Innenstadtbereich gefördert, sondern es werden auch Fahrrad-Schnellstraßen ins Umland gebaut, die sehr gut angenommen werden. Münster beteiligt sich an der Bundesinitiative "Klimaschutz 2050". Diese Initiative lotet aus, wie wir bis 2050 den CO2-Ausstoß um 95 Prozent und den Energieverbrauch um 50 Prozent senken können. Das ist wirklich visionär, eine völlig andere Welt. Die Initiative startet mit Verve, die Diskussionen über diese Vision beginnen im Moment.

Wie sieht es mit dem Thema Gebäude aus?

Millionen von Gebäuden bundesweit – darunter auch viele in Münster – könnten energetisch saniert werden. Die Haus-Isolierung zu verbessern, ist eine der größten Energiesparmaßnahmen, die es gibt. Damit die Menschen die Sanierung ihrer Häuser tatsächlich in Angriff nehmen, muss man Anreize schaffen, zum Beispiel städtische Zuschüsse zu Renovierungsmaßnahmen. Die Stadt geht bei vielen ihrer eigenen Liegenschaften voran, indem sie energieeffizient baut oder saniert.

Weil früher viel falsch gemacht wurde bei der energetischen Sanierung und es dann beispielsweise Probleme mit Schimmelbildung gab, haben manche Bürger immer noch Vorbehalte. Heutzutage weiß man aber, wie man solche Fehler vermeidet. Bei der Fassadengestaltung muss man auch keine optischen Einschränkungen mehr hinnehmen. Eine solche Sanierung kostet natürlich Geld. Aber über die geringeren Heizkosten ist es in der Regel innerhalb von wenigen Jahren wieder eingespart. Danach verdient man sozusagen Geld.

Stichwort Energieversorgung ...

Strom wird europaweit gehandelt. Die Stadtwerke Münster zum Beispiel müssen sich permanent überlegen, was gerade billiger ist: Strom aus dem eigenen Kraftwerk oder an der Börse gekaufter Strom. Meistens ist es billiger, den Strom zu kaufen. Das kann dann französischer Atomstrom sein, Braunkohlestrom aus dem Rheinland oder Wasserkraftstrom aus Norwegen. Der Strom, den wir verwenden, könnte von irgendwo her kommen. Ob bei der Gewinnung Klimaschutzaspekte berücksichtigt wurden, wissen wir oft nicht. Das ist ein Problem.

Prof. Dr. Otto Klemm<address>© WWU/Peter Grewer</address>
Prof. Dr. Otto Klemm
© WWU/Peter Grewer
Die Stadt ist gut beraten, so viel wie möglich auf selbst erzeugte erneuerbare Energie zu setzen. Auch im Stadtgebiet Münsters gibt es Möglichkeiten, Windräder zu bauen. Solche Baumaßnahmen werden aber nur sehr eingeschränkt bewilligt und gefördert. Meiner Meinung nach könnte die Stadt viel mehr Flächen dafür freigeben. Natürlich kann es Konflikte mit dem Naturschutz geben. Hier gibt es aber klare Regeln, und am Ende des Begutachtungsprozesses fällt die Entscheidung für oder gegen ein Windrad. Aber es geht oft gar nicht um den Naturschutz, sondern darum, Flächen von Windrädern freizuhalten, weil das Landschaftsbild gestört wird. Meiner Meinung nach herrscht bei vielen Leuten eine Doppelmoral: Sie befürworten erneuerbare Energien, wollen davon aber nichts sehen.

Es wird immer wieder bezweifelt, dass die Klimaziele von Paris tatsächlich umgesetzt werden. Sind Sie auch skeptisch?

Ich bin grundsätzlich optimistisch eingestellt und will mich der Skepsis nicht hingeben. Unsere Aufgabe hier an der Universität ist es, das nötige Fachwissen zu vermitteln – ein Verständnis für die komplexen Zusammenhänge, die zum Klimawandel führen. Wir bilden dabei auch viele Lehrer aus. Das ist wichtig – denn nur gut ausgebildete Lehrer können das Wissen an die nächsten Schülergenerationen weitergeben.


Dieses Interview stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 8, 14. Dezember 2016.

Links zu dieser Meldung