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Münster (upm)
Christine Deters<address>© Foto: Caroline Queda</address>
Christine Deters
© Foto: Caroline Queda

Drei Perspektiven von Mitarbeitern der WWU zum Thema Elterngeld

"Ein Mittel zum Zweck, und zwar ein sehr gutes"

Christine Deters (32) ist Mitarbeiterin im Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik an der WWU – sie hat Soziologie, Kultur- und Sozialanthropologie in Münster studiert:

"Eine Familiengründung während der Studienzeit bringt spezielle Herausforderungen mit sich. Diese Erfahrung durften mein Mann und ich machen, denn unsere beiden Kinder wurden während meines Studiums geboren. 2011 stellten wir uns mit Zuversicht zum ersten Mal dieser Aufgabe. Und wie die meisten Eltern hatten wir einige Fragen. Wer nimmt wann und wie viele Monate Elternzeit? Steht mir als Studierende Elterngeld zu? Welches Einkommen ergibt sich aus den möglichen Varianten? Neben genügend Zeit mit dem Nachwuchs und einem ausreichenden Einkommen gab es ein weiteres Kriterium: Ich wollte mein Studium nicht unterbrechen. Das Ergebnis nach intensiven Überlegungen und einigen Beratungsgesprächen: Wir nahmen 14 Monate Elternzeit/Elterngeld in Anspruch. Und zwar mit folgender Aufteilung: Ich blieb die ersten drei Monate zu Hause, mein Mann die darauf folgenden elf Monate. Das Glück war auf unserer Seite, denn die Geburt war am Semesterende. So fiel meine Elternzeit fast vollständig in die Semesterferien.

Neben der zeitlichen Dimension spielt die Finanzierung bei Studierenden mit Kindern eine große Rolle ‒ so auch bei mir. Als BAföG-Empfänger hat man einen Anspruch auf Elterngeld. Es handelt sich zwar nicht um eine Lohnersatzleistung wie bei Erwerbstätigen, dennoch bekommt man 300 Euro im Monat, die nicht auf das BAföG angerechnet werden. Für uns war die Zahlung hilfreich.

Schwierig wird es für Studierende mit Kindern in Situationen, in der die bisherige Förderung durch das BAföG nicht mehr gewährt wird. Das ist im Urlaubssemester der Fall oder wenn die Elternzeit an den Studienabschluss anschließt. Für solche Fälle würde ich mir gesetzliche Sonderregelungen wünschen. Unter dem Strich haben wir überwiegend positive Erfahrungen mit dem Elterngeld gemacht – schließlich haben wir uns dieser Herausforderung ein zweites Mal gestellt."

 

 

Mirko Zumdick<address>© Foto: Kathrin Nolte</address>
Mirko Zumdick
© Foto: Kathrin Nolte
Mirko Zumdick (36) arbeitet an der Universität als Gärtner im Dezernat 4.3 (Technisches Gebäudemanagement):

"Ich habe das Elterngeld im Sommer 2015 für zwei Monate in Anspruch genommen. Zu diesem Zeitpunkt war unser Sohn ein Jahr alt. Während meine Frau wieder in ihren Beruf eingestiegen ist, habe ich unter anderem die Eingewöhnung bei der Tagesmutter übernommen. Das Elterngeld und die Elternzeit waren für mich eine gute Gelegenheit, um eine tiefere Bindung zu meinem Kind aufzubauen. Im Gegensatz zu den Monaten zuvor, in denen ich gearbeitet habe, konnte ich im Alltag viel mehr Zeit mit ihm verbringen. Mit einem Einjährigen lässt sich schon einiges unternehmen. Ich spürte schnell, dass unser Sohn in den zwei Monaten mehr „Papa gebunden“ war. Im Umgang hat sich das deutlich bemerkbar gemacht. Außerdem sind wir zusammen drei Wochen in den Urlaub gefahren, und zwar mit dem Wohnwagen nach Dänemark. Das war eine schöne gemeinsame Zeit zu dritt.

Auch die finanzielle Unterstützung ist eine gute Lösung, mit der man die alltäglichen Ausgaben teilweise decken kann. Denn schließlich bleiben die laufenden Kosten bestehen. Wir haben zum Beispiel damals unser Haus gebaut. Natürlich ist es mit dem normalen Gehalt nicht vergleichbar, aber mehr Geld zu bekommen, ist immer schöner. Deshalb waren meine Ehefrau und ich mit der Höhe des Elterngeldes zufrieden. Bei der Beantragung hingegen sehe ich Verbesserungsbedarf. Alles war relativ aufwendig. Gerade beim Einreichen der Gehaltsabrechnungen hatte ich Probleme. Wir als Universitätsbeschäftigte erhalten nicht automatisch jeden Monat eine solche Abrechnung, sondern nur wenn Änderungen wie die Jahressonderzahlung vorliegen. Diese Vorgehensweise musste ich in mehreren Telefonaten erklären, da mir die Bearbeiter nicht geglaubt haben. Das war mühselig und mit viel Rennerei verbunden. Trotzdem werde ich 2017 wieder das Elterngeld in Anspruch nehmen und zwei Monate zu Hause bleiben. Wir haben dieses Jahr einen zweiten Sohn bekommen."

 

Dr. Jens Taken<address>© Foto: privat</address>
Dr. Jens Taken
© Foto: privat
Dr. Jens Taken (38) arbeitet an der Universität als Referent für Akkreditierung und Studiengangsentwicklung in der Abteilung 1.4 (Qualität der Lehre):

"Für mich war die sehr intensive Phase des ersten Jahres mit unserem neuen Familienmitglied eine unschätzbar wertvolle Erfahrung, die für mich nur deswegen so besonders intensiv ausfiel, weil ich ab März 2014 ein Jahr lang zu Hause war.

Der Entschluss dazu stand relativ schnell fest, denn das erste Jahr gibt es halt nur einmal, die Chance kommt nicht wieder. Dies fiel mir allerdings auch deswegen leicht, da mich die Universität Münster auf allen Ebenen (Abteilungsleiterin, Dezernentin, Personalabteilung, Kollegen) unterstützt hat.

Das Elterngeld ist sozusagen ein Mittel zum Zweck, und zwar ein sehr gutes. Es ermöglicht den Paaren, das Projekt Familiengründung (und -erweiterung) in dieser Hinsicht entspannt anzugehen, da man weiß, dass das erste Jahr in finanzieller und fürsorglicher Hinsicht kein Problem ist. Meiner Ansicht nach ist die in letzter Zeit in vielen deutschen Städten und Regionen ansteigende Geburtenrate zu einem nicht unerheblichen Teil auf die Einführung von Elterngeld und Elternzeit zurückzuführen.

Das große Problem aller Eltern im Anschluss an das Elterngeld ist die Unterbringung des Nachwuchses in einer Betreuungseinrichtung. Zwar besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Betreuung des Kindes ab dem ersten Geburtstag, jedoch werden Betreuungsplätze in der Regel nur zu Beginn des Kitajahres im August vergeben. Komischerweise werden aber nicht alle Kinder so geboren, dass sie zum 1. August ein Jahr alt werden. Folglich entstehen teilweise große Lücken, ganz abgesehen von der grundsätzlichen Problematik des Betreuungsplatzangebotes in Münster. Hier stünde es der WWU als großem Arbeitgeber in Münster gut zu Gesicht, ein echtes Betriebs-Kita-Angebot aufzubauen."

 

Lesetipp: Eltern können heutzutage auf viele Unterstützungsangebote zurückgreifen, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Dazu zählt auch das Elterngeld, dessen Einführung 2006 ‒ also genau vor zehn Jahren ‒ vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Als „gelungenen Treiber“ bezeichnet Prof. Irene Gerlach, Leiterin des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik an der WWU, das Elterngeld mit Lohnersatzcharakter und die Verlängerung der Elternzeit von zwölf auf 14 Monate bei einer wechselseitigen Betreuung. Innerhalb von kurzer Zeit sei der Väteranteil an den Gesamtanträgen auf mehr als 32 Prozent gestiegen. "Auch wenn die meisten Väter nur für die zwei Partnermonate in Elternzeit gehen, zeigt sich hier eine Neugewichtung von Werten und Rollen in der Elternschaft", resümiert Irene Gerlach. Die gestiegene Geburtenrate von 1,34 Kindern pro Frau 2005 auf 1,47 im Jahr 2014 weise ebenfalls auf einen "Paradigmenwechsel in der deutschen Familienpolitik" hin.

Irene Gerlach ist Herausgeberin der sozialwissenschaftlichen Studie "Elternschaft. Zwischen Autonomie und Unterstützung", die jetzt im Springer Verlag (ISBN 978-3-658-16032-6, Preis: 44,99 Euro) erschienen ist.

 

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 8, 14. Dezember 2016.

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