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Münster (upm/ch)
Eines der beteiligten Teams (v. l.): Tobias Gensch (WWU), Maho Khutsishvili (Kunstakademie) und Kim Taupitz (WWU); das Kunstwerk ist ein unkonventioneller &quot;Malkasten&quot; ...<address>© WWU / Peter Grewer</address>
Eines der beteiligten Teams (v. l.): Tobias Gensch (WWU), Maho Khutsishvili (Kunstakademie) und Kim Taupitz (WWU); das Kunstwerk ist ein unkonventioneller "Malkasten" ...
© WWU / Peter Grewer

Ein Experiment, das Fachgrenzen sprengt

Chemie-Doktoranden der WWU und Studierende der Kunstakademie Münster entwickeln eine gemeinsame Ausstellung

Wenn Wissenschaftler ein Experiment starten, wissen sie in der Regel nicht, was dabei herauskommt. So war es auch bei dem Projekt "co.labore", an dem Studierende der Kunstakademie Münster sowie Chemie-Doktorandinnen und -Doktoranden der WWU beteiligt sind. So ungewiss das Ergebnis auch war, eines stand von Beginn an fest: Am Ende gibt es eine gemeinsame Ausstellung im münsterschen Schloss.

"Der Gedanke war: Es sollen Kunstwerke entstehen, die entweder von den Künstlern geschaffen wurden – vielleicht inspiriert durch die Wissenschaftler – oder die gemeinsam angefertigt wurden", erinnert sich Chemiker Prof. Frank Glorius, der das Projekt vor einigen Monaten initiiert hat. Der Austausch sollte auf verschiedenen Ebenen stattfinden, beispielsweise generell über die jeweiligen Arbeitsweisen und konkret über die verwendeten Stoffe. "Eine Gemeinsamkeit ist, dass beide Seiten mit Farben, Kristallen und Polymeren arbeiten, allerdings in unterschiedlicher Weise. Beide Seiten sollten ein gegenseitiges Verständnis dafür entwickeln, wie geforscht wird und wie Kunst entsteht."

Der Chemieprofessor räumt jedoch ein: "Ich hatte keinerlei Erfahrung mit solch einer  Zusammenarbeit, die jegliche Fachgrenzen sprengt. Es war wirklich ein Experiment." Bei der Kunstakademie stieß die Idee auf offene Ohren, schnell fanden sich Unterstützer. Frank Glorius organisierte das Projekt schließlich mit Prof. Irene Hohenbüchler und Prof. Klaus Merkel von der Kunstakademie und mit zwei Kunststudentinnen und zwei Doktorandinnen. 16 Chemiedoktoranden und elf Kunststudierende schufen in Zweier oder Dreiergruppen mehr als zehn Kunstwerke.

Eines dieser Kunstwerke sieht von oben betrachtet aus wie ein etwas unkonventioneller Malkasten mit runden vier- und dreieckigen Farbschälchen. Die Farbe in den Schälchen hat es in sich: Sie bewegt sich, bildet schwarzbunte Muster und dreidimensionale Strukturen, die aussehen wie Igelstacheln oder Blütenblätter. Der Trick: Die Farbe setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: aus mit Wasser verdünnter Acrylfarbe und aus einem Öl, das schwarze Eisenoxid-Nanopartikel enthält. Dieses sogenannte Ferrofluid hat magnetische Eigenschaften und reagiert daher auf die Magneten, die unter den Farbschälchen rotieren.

Nicht nur für die Chemiker war es unbekanntes Terrain

"Ich kannte die magnetische Flüssigkeit und habe die Idee ins Spiel gebracht, sie zu nutzen. Doch bloß weil etwas interessant und hübsch ist, ist es weder automatisch Wissenschaft noch Kunst", sagt Chemie-Doktorand Tobias Gensch. Erst im Austausch mit Kim Taupitz, ebenfalls Chemie-Doktorand, und Kunststudent Maho Khutsishvili konkretisierte sich der Plan, ein Kunstwerk daraus zu erschaffen. Nicht nur für die Chemiker war es unbekanntes Terrain. Der Bau und die Programmierung der Steuerungstechnik für die rotierenden Magneten war für Maho Khutsishvili Neuland. "Ich habe sehr viel über Elektronik gelernt – und dabei erst einmal viele Kurzschlüsse verursacht", erinnert sich der Kunststudent und lacht.

.... Ein genauer Blick in den "Malkasten" zeigt: Die spezielle Farbmischung bildet im Magnetfeld Muster und Formen.<address>© WWU / Peter Grewer</address>
... Ein genauer Blick in den "Malkasten" zeigt: Die spezielle Farbmischung bildet im Magnetfeld Muster und Formen.
© WWU / Peter Grewer
Kunst und Wissenschaft sind verschiedene Welten. Trotzdem scheint es Gemeinsamkeiten zu geben – die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beider Gruppen suchten laut Irene Hohenbüchler nach neuen Wegen, um die Realität zu erforschen. "Was mich sehr gefreut hat, war die authentische Neugier, die jeweils andere Arbeitswelt kennenzulernen und in diese einzutauchen", unterstreicht die Professorin. "Die Künstlerinnen und Künstler haben in diesem Projekt zum Teil anders gearbeitet, als sie gewohnt sind, beispielsweise mit neuen Materialien. Trotzdem findet man in den Arbeiten die jeweilig eigene künstlerische Sprache wieder."

Die Exponate werden auf kubusförmigen Tischen präsentiert, flankiert von speziell für die breite Öffentlichkeit erstellten informativen Postern. Darauf stellen die Doktorandinnen und Doktoranden ihre wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Sonderforschungsbereich 858 §Synergetische Effekte in der Chemie – von der Additivität zur Kooperativität" vor, wobei es um die Kooperation chemischer Systeme geht. So erhalten die Besucher der Ausstellung auch Einblicke in die aktuelle Forschung.

"Unser Ziel war es einerseits, Künstler und Wissenschaftler zusammenzubringen. Genauso wichtig ist uns jedoch der Dialog mit der Öffentlichkeit", betont Organisator Frank Glorius. Daher ist die öffentliche Präsentation der Kunstwerke im Schloss der Höhepunkt des Projekts. "Wir wünschen uns keine stille Ausstellung", sagt der Chemiker. "Die Künstler und Wissenschaftler sind anwesend und stehen den Besuchern gern Rede und Antwort."

TERMINHINWEIS:

Die Ausstellung "co.labore – Chemie und Kunst im Dialog" findet vom 24. bis 26. Juni im Foyer des münsterschen Schlosses, Schlossplatz 2, statt. Am Samstag, 25. Juni, gibt es ab 16 Uhr ein
interaktives Forum mit Kurzvorträgen von Kunststudierenden sowie Doktorandinnen und Doktoranden. Der Eintritt ist frei.

 

CHRISTINA HEIMKEN

Textquelle: "wissen|leben" Nr. 4, 22. Mai

 

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