Prof. Dr. Mouhanad Khorchide hinter einem Tisch sitzend vor sich zwei Mikrofone und eine grüne Wasserflasche
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„Gewalt und Islam – Hintergründe und Auswege“: Vortrag von Prof. Dr. Khorchide im W-Forum der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages

In der Reihe W-Forum der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages setzte sich  Prof. Dr. Mouhanad Khorchide am Donnerstag, dem 9. Juli 2015 mit dem Thema „Gewalt und Islam – Hintergründe und Auswege“ auseinander. Die zahlreichen islamistischen Terroranschläge der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass der Islam in der westlichen Wahrnehmung vielfach als gewaltverherrlichende Religion betrachtet wird. Prof. Dr. Ulrich Schöler, Leiter der Abteilung „Wissenschaft und Außenbeziehungen“ der Bundestagsverwaltung, erinnerte in seiner Einführung an die jüngsten Anschläge in Frankreich, Tunesien und Kuweit sowie den IS-Terror und verwies auf die erbitterten Debatten unter Islamgelehrten, wenn es darum geht, welche Rolle Gewalt im Islam spielt.

Khorchide erläuterte, auf welchen theologischen Grundlagen das Verhältnis des Islam zur Gewalt beruht, welche Ursachen die Gewaltbereitschaft junger Muslime fördern und was für Lösungsansätze verfolgt werden sollten. Das Phänomen der Gewalt trete wie in vielen Religionen auch innerhalb des Islam auf, Religionen wiesen per se ein Gewaltpotenzial auf. Deutlich über 90 Prozent der Muslime in Deutschland lehnten jedoch Gewalt ab. Khorchide verwies darauf, wie nötig eine innerislamische Debatte sei, in der sich die Muslime mit ihrer Religion und ihren überholten Traditionen auseinandersetzen, ringen doch innerhalb der islamischen Theologie unterschiedliche Strömungen um die Deutungshoheit bei der Auslegung des Korans miteinander, von liberalen, friedlichen Ansätzen bis hin zu konservativen, gewalttätigen Haltungen. Khorchide machte auch klar, dass die im Namen des Islam verübten Gewalttaten nicht allein ein theologisches Problem seien. Eine zentrale Rolle spiele der gesellschaftliche Kontext, in dem junge Muslime in Deutschland aufwachsen. Es bedürfe vor allem gesellschaftlicher und politischer Anstrengungen, um der Gewalt den Boden zu entziehen. Wesentliche Ursache der Gewalt sei die häufig prekäre politische und soziale Lage von Menschen, die sich ausgegrenzt fühlten. Auch müssten die außenpolitischen Anstrengungen vermehrt werden, um die Spannungen im Nahen Osten zu entschärfen. In den Augen der Muslime habe sich der Westen mit seiner Politik in dieser Region diskreditiert und sich von seinen eigenen Werten wie Demokratie und Menschenrechten entfernt.

Ein wesentlicher Schritt, um die aufgeklärten Positionen des Islam zu stärken, sei die Einrichtung islamwissenschaftlicher Lehrstühle an deutschen Universitäten und die Einführung des islamischen Religionsunterrichts in den Bundesländern gewesen. So hätten sich an der Universität Münster seit 2012 bereits 600 junge Muslime im Studiengang der islamischen Theologie und der islamischen  Religionslehre eingeschrieben, die sich nun zu Religionslehrern und Theologen ausbilden ließen. Indem diese als Absolventen nach und nach ihre Arbeit aufnähmen und als Vertreter eines offenen Islam aufträten, so Khorchide, komme es in der muslimischen Gesellschaft in Deutschland langsam zu einem Wandel von unten.

Der Vortrag in voller Länge zum Anschauen und Anhören (Quelle: Deutscher Bundestag)