Lippspringe - Königsgut (A)

Mit den insgesamt acht Königsaufenthalten im Paderborner Raum in den Jahren 776 bis 804, also zur Zeit der sogenannten Sachsenkriege, von denen allein vier in Lippspringe zu lokalisieren sind (776, 780, 782, 804), nimmt auch der Ort an den Lippequellen eine besondere Stellung im Sachsen der fränkischen Eroberungszeit ein. Lippspringe ist in seiner Funktion als herrscherlicher Aufenthaltsort allerdings nicht vom gut 10 km entfernten Paderborn zu trennen, denn die Pfalz in Paderborn war mit ihrem Umland in karolingischer Zeit (mindestens seit 776 bis in die Zeit Ludwigs des Deutschen) der Mittelpunkt fränkischer Königsherrschaft im sächsischen Eroberungsgebiet. Zusammen mit Lippspringe bildete Paderborn einen Zentralraum im Süden Sachsens. Das Gebiet lag sehr verkehrsgünstig. Hier kreuzten sich die wichtige Nord-Süd-Verbindung aus dem Raum Worms-Mainz über Frankfurt, Korbach, Eresburg mit der von Westen kommenden Fernstraße, dem Hellweg, der am Rande der Westfälischen Tieflandsbucht entlang führte. Von Paderborn-Lippspringe aus war ein relativ schneller Rückzug in fränkisches Gebiet möglich, was zur Zeit der Sachsenkriege sicherlich sinnvoll war.

Vor diesem Hintergrund ist auch Lippspringe als Aufenthaltsort zu betrachten. In Lippspringe, dem Ort an der Lippequelle, existierte, ähnlich anderen großen Versammlungspfalzen des Frankenreiches (s.u.), ein weiträumiges Areal für große Versammlungen und Heerlager in der Nachbarschaft zur Pfalz Paderborn. Pfalz sowie Versammlungs- und Lagerplatz in Lippspringe gehörten eng zusammen, wie schon aus der räumlichen Nähe (ca. 10 km) geschlossen werden kann.

Bauten für die königliche Haus- und Hofhaltung dürften sich in Lippspringe nicht befunden haben, allenfalls die für einen Versammlungsplatz zweckdienliche Infrastruktur, worauf die Erwähnung eines königlichen Heerlagers 782 (actum haribergo publico) hindeuten könnte. Ausschlaggebend für die Wahl des Ortes dürften die Quellen im Quelltopf der Lippe, der Jordan/Beispring und die Strothe sowie die Weidegebiete der Senne gewesen sein, die das Lagern und die Versorgung von großen Menschenansammlungen und mitgeführten Nutztieren mit Wasser überhaupt erst möglich machten.

Das Zusammenspiel von Paderborner Pfalz mit dem Versammlungs- und Lagerplatz in Lippspringe macht deutlich, dass Paderborn die maßgebliche Versammlungspfalz in Sachsen war. Während Eresburg und Herstelle als Wohnpfalzen vornehmlich den Winteraufenthalten dienten, lässt sich Paderborn in die Reihe der bedeutenden karolingischen und ottonischen Königspfalzen wie Mainz, Worms, Regensburg oder die oberitalienischen Aufenthaltsorte stellen, die alle einen gesonderten Versammlungs- und Lagerplatz aufwiesen, etwa die Ronkalischen Felder bei Piacenza oder die Marauen bei Kostheim gegenüber von Mainz und Worms (Laubwiesen) sowie dem Geländestreifen östlich von Regensburg. Ob dabei im Fall Lippspringes als Versammlungsort an vorkarolingische Traditionen angeknüpft wurde, wie die Ereignisse des Jahres 776 vermuten lassen könnten, oder es sich erst um eine fränkische Einrichtung handelt, für deren Standort die Quellen zur Wasserversorgung ausschlaggebend waren, muss unentschieden bleiben.

Christof Spannhoff

 

Literatur

Manfred Balzer, „Lippiagyspringiae in Saxonia“. Der Quellbereich der Lippe in den Sachsenkriegen Karls des Großen, in: Lippspringe. Beiträge zur Geschichte, bearb. v. Michael Pavlicic, hrsg. v. d. Stadt u. d. Heimatverein Bad Lippspringe, Paderborn 1995, 63–71.

Christof Spannhoff, Art. Lippspringe, in: Die deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Bd. 7: Westfalen (in Vorbereitung).

Lippspringe TK25