Logo SFB496

 

Teilprojekt A2: Konflikt- und Friedensrituale im Spätmittelalter
Teilprojekt A9: Visualität der Diplomatie im europäischen Spätmittelalter. Die symbolische Inszenierung in der internationalen politischen Kommunikation
Teilprojekt A10: Symbolische Kommunikation in Herrschaftsverständnis und Herrschaftspraxis Kaiser Karls IV. Teilprojekt B2: 'Virtus' in der Kunst und Kunsttheorie der italienischen Renaissance
Teilprojekt B3: Theatralische und soziale Kommunikation: Funktionen des städtischen und höfischen Spiels in Spätmittelalter und früher Neuzeit
Teilprojekt B6: Das Päpstliche Zeremoniell in der Frühen Neuzeit (1563-1789). Höfische Repräsentation, theologischer Anspruch und liturgische Symbolik
Teilprojekt B7: Das Buchgeschenk in England im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit
Teilprojekt B8: Formen symbolischer Kommunikation in der Messvertonung des 15. bis 17. Jahrhunderts
Teilprojekt C1: Zur symbolischen Konstituierung von Stand und Rang in der Frühen Neuzeit
Teilprojekt C2: Symbole, Rituale und Gesten in frühneuzeitlichen Konflikten und alltäglichem Handeln
Teilprojekt C5: Macht und Ritual im Zeitalter der Französischen Revolution: Die Sichtbarkeit politisch-sozialer Ordnungen im Zeitalter der Revolutionen und des entstehenden Massenzeitalters
Teilprojekt C6: Profan und heilig: Kirchhöfe als Orte und Räume symbolischer Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft Westfalens (15. - 18. Jahrhundert)
Teilprojekt C7: Die symbolische Konstituierung der Nation: Mexiko im Zeitalter der Revolutionen (1786-1848)
Teilprojekt C8: Die Normierung gerichtlicher Förmlichkeiten und zeremonieller Umgangsformen durch Gemeine Bescheide
Teilprojekt C9: Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Werte in panindianischen Bewegungen

 

Teilprojekt C7:
Die symbolische Konstituierung der Nation: Mexiko im Zeitalter der Revolutionen, 1786-1848

| Projektbeschreibung |

Ausgangspunkt des Projektes ist die Sichtweise der Unabhängigkeitsphase Lateinamerikas als konstitutiver Teil des „Zeitalters der Revolutionen“. Am Beispiel des Vizekönigreichs Neu-Spanien, aus dem 1821 das unabhängige Mexiko hervorging, untersucht das Teilprojekt die Bedeutung symbolischer Kommunikation auf dem Weg einer vormodernen Gesellschaft in die Moderne unter den besonderen Bedingungen der Dekolonisation und der ethnischen Differenzierung. Der Wandel des politischen Systems wurde begleitet von einem fundamentalen Wertewandel und von Auseinandersetzungen um die Deutungsmacht, die auch einen Kampf um Symbole darstellten. Eine der wesentlichen Veränderungen vollzog sich im Bereich der gesellschaftlichen Selbstwahrnehmung der sozialen Ordnung und der Grundlage der kollektiven Einheit. Zeremonielle Praktiken und Symbole sowie Institutionen mussten deshalb die Integration einer in mehrfacher Hinsicht fragmentierten Gesellschaft leisten. Im Hintergrund steht das Problem, wie im Rahmen des politischen Wandels Vergemeinschaftungsfragen unter den Bedingungen kultureller Diversität gelöst wurden. Folgende Forschungsschwerpunkte tragen diesen Aspekten Rechnung:

Mexikanische Verfassungskultur im frühen 19. Jahrhundert
In Anlehnung an die moderne Institutionenforschung, die betont, dass institutionelle Stabilisierungsleistungen in der symbolischen Darstellung von Ordnungsprinzipien zum Tragen kommen, liegt der Arbeitsschwerpunkt vor allem auf der Verfassungskultur. Anstatt eine bestimmte soziale Ordnung zum alleinigen Modell modern verfasster Gesellschaften zu machen, soll ohne eine a priori vorgenommene Festlegung „vormodern – modern“ nach dem Charakter des „indigenisierten Konstitutionalismus“ mexikanischen Zuschnitts gefragt werden. Die Verfassung und ihre gesellschaftliche Umsetzung strukturierten über Konsens und Zwang den Staatsbildungsprozess. Staatliche Aktivitäten, Routinen und Rituale trugen zur Ausbildung und Regulierung sozialer Identitäten bei. Politische Verfahren wie beispielsweise Wahlen sollen ebenso wie die administrative Ordnung und die Ausgestaltung des Steuerwesens im Hinblick auf ihren symbolischen Gehalt untersucht werden. Gefragt wird also nach von den Verfassungen erbrachten Ordnungs- und Orientierungsleistungen.
Aufgrund der Föderalisierung Mexikos soll die Untersuchung regionalspezifisch vorgenommen werden, im Mittelpunkt steht die stark indigen geprägte Provinz Oaxaca. Ähnlich wie in Yucatán ist hier seit der Proklamation der bundesstaatlichen Verfassung 1825 eine Rückkehr zu den getrennten Gemeinwesen der indigenen Bevölkerung zu beobachten. Diese aus der Kolonialzeit stammende institutionalisierte ethnische Trennung stand der neuen Ordnung einer Staatsbürgernation entgegen. Deshalb stehen folgende Fragen im Vordergrund: Welche neuen Prinzipien für die Herstellung politischer Legitimität und damit akzeptierter Machtausübung wurden gefunden? Welche Leitideen standen hinter der gesatzten Ordnung und wie wurden diese Leitideen symbolisch vermittelt? Welche Konflikte um Geltungsansprüche lassen sich ausmachen? Wie wurde der Widerspruch zwischen der postulierten Gleichheit aller Bürger und der ethnischen Trennung der indigenen Bevölkerung institutionell vermittelt?
(Bearbeiterin Silke Hensel)

Politische Feste in Mexiko-Stadt
Das politische und in gewisser Weise auch soziale Zentrum Neu-Spaniens und der späteren mexikanischen Republik, Mexiko-Stadt, stellt den räumlichen Schwerpunkt dieses Untersuchungsteils dar. Die Analyse der Feierlichkeiten zielt darauf ab, die Funktionen und Grenzen der symbolischen Handlungen zum Wandel der sozialen Ordnung, zum Zusammenhalt der Nation und zur Ausformung eines kollektiven Selbstbildes herauszuarbeiten. Welche Konflikte gab es hinter den Kulissen und welche Gruppen konnten auf welche Weise Geltungsansprüche neuer Wert- und Ordnungsvorstellungen in den zeremoniellen Verfahren durchsetzen? Welche traditionellen und welche innovativen Elemente wurden in der Konsolidierungsphase dem Symbolhaushalt entnommen und weitertradiert, um eine Integration unterschiedlicher sozialer und politischer Gruppen herbeizuführen? Insbesondere gilt es zu fragen, welche Rolle der Bezug auf die aztekische Vergangenheit in den symbolischen Akten spielte. Darüber hinaus soll untersucht werden, wie die Feierlichkeiten über den städtischen Rahmen hinaus wirkten. Es gilt also zu klären, welche territoriale Ordnung in den als gesamtneu-spanisch bzw. gesamtmexikanisch konzipierten Festakten konstituiert wurde. Neben diesen Fragestellungen soll übergreifend die These nach der zunehmenden Polyvalenz der Symbole in der Moderne anhand der Entwicklung der politischen Feste in Mexiko-Stadt überprüft werden. Dies beinhaltet die Frage nach der wachsenden Vieldeutigkeit von Symbolen in zeremoniellen Akten und der bewussten Einsetzung bestimmter Rituale zur Repräsentation völlig unterschiedlicher Werte.
(Bearbeiterin Katrin Dircksen)

Symbolische Integration in Yucatán
Dieser Forschungsschwerpunkt akzentuiert das Spannungsfeld zwischen der symbolischen Integration der kolonialen bzw. nationalen Gemeinschaft einerseits und der Eigendynamik regionaler und lokaler Identitäten sowie der ethnischen Differenzierung andererseits. Dabei hebt die Konzentration auf die lokale und regionale Ebene die Bedeutung der Gestaltungsmöglichkeiten der verschiedenen ethnischen Gruppen hervor. Die koloniale Ordnung hatte indigenen Gemeinschaften ein eigenes, allerdings auf die Kommune beschränktes Gemeinwesen zugewiesen, das zwar nach spanischen Vorgaben organisiert war, aber nach innen indigene Ordnungsvorstellungen fortsetzte. Diese auf ethnischer Separierung basierende Organisationsform wurde in den verschiedenen Phasen des politischen Systemwandels mehrfach aufgehoben und wieder eingeführt. Daraus ergibt sich die Frage, wie dieser Prozess symbolisch vermittelt wurde und welche Schlüsse die verschiedenen Gruppen auf lokaler und regionaler Ebene daraus zogen. Über die Problematik ethnischer Zuschreibungen hinaus veränderte der institutionelle Wandel schon während der Kolonialzeit die traditionelle Ordnung territorialer Hierarchien. In der nationalstaatlichen Phase sagte sich der Bundesstaat Yucatán zudem mehrfach von Mexiko los. Vor diesem Hintergrund soll nach den Integrationsleistungen der Institutionen gefragt werden. Zum Einen soll die Konstruktion einer regionalen Identität anhand des Symbolgebrauchs während der yukatekischen Separatismen untersucht werden. Ein weiterer Fokus liegt auf der Analyse der Reichweite der institutionellen Ordnung und der symbolischen Formen der Konfliktlösung innerhalb der Region. Insgesamt sollen sowohl bundesstaatliche Strategien der symbolischen Vergemeinschaftung als auch die Gründe für deren Scheitern untersucht werden.
(Bearbeiterin Ulrike Bock)