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Teilprojekt A2: Konflikt- und Friedensrituale im Spätmittelalter
Teilprojekt A9: Visualität der Diplomatie im europäischen Spätmittelalter. Die symbolische Inszenierung in der internationalen politischen Kommunikation
Teilprojekt A10: Symbolische Kommunikation in Herrschaftsverständnis und Herrschaftspraxis Kaiser Karls IV. Teilprojekt B2: 'Virtus' in der Kunst und Kunsttheorie der italienischen Renaissance
Teilprojekt B3: Theatralische und soziale Kommunikation: Funktionen des städtischen und höfischen Spiels in Spätmittelalter und früher Neuzeit
Teilprojekt B6: Das Päpstliche Zeremoniell in der Frühen Neuzeit (1563-1789). Höfische Repräsentation, theologischer Anspruch und liturgische Symbolik
Teilprojekt B7: Das Buchgeschenk in England im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit
Teilprojekt B8: Formen symbolischer Kommunikation in der Messvertonung des 15. bis 17. Jahrhunderts
Teilprojekt C1: Zur symbolischen Konstituierung von Stand und Rang in der Frühen Neuzeit
Teilprojekt C2: Symbole, Rituale und Gesten in frühneuzeitlichen Konflikten und alltäglichem Handeln
Teilprojekt C5: Macht und Ritual im Zeitalter der Französischen Revolution: Die Sichtbarkeit politisch-sozialer Ordnungen im Zeitalter der Revolutionen und des entstehenden Massenzeitalters
Teilprojekt C6: Profan und heilig: Kirchhöfe als Orte und Räume symbolischer Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft Westfalens (15. - 18. Jahrhundert)
Teilprojekt C7: Die symbolische Konstituierung der Nation: Mexiko im Zeitalter der Revolutionen (1786-1848)
Teilprojekt C8: Die Normierung gerichtlicher Förmlichkeiten und zeremonieller Umgangsformen durch Gemeine Bescheide
Teilprojekt C9: Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Werte in panindianischen Bewegungen

 

Teilprojekt C6:
Profan und heilig: Kirchhöfe als Orte und Räume symbolischer Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft Westfalens (15. - 18. Jahrhundert)

| Projektbeschreibung |

Das Teilprojekt untersucht die symbolische Konstituierung von sakralen Räumen in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Neuzeit anhand von Kirchhöfen ausgewählter Regionen Westfalens und Mitteldeutschlands.

Der Dorfkirchhof, das Gräberfeld mit der Dorfkirche im Zentrum, war ein Ort des Gottesdienstes. Die katholische Kirche machte ihn, gemäß ihres Sakralitätskonzepts. und mittels liturgisch-ritueller Handlungen, wie Beerdigungen, Prozessionen, Weihen und Entsühnungen, zu einem Heiligen Raum. Gleichzeitig war dem Kirchhof eine Multifunktionalität eigen: Er war Begegnungs- und Lagerort und wurde landwirtschaftlich genutzt. Aufgrund dieser Struktur, die verbunden war mit einer bestimmten Randbebauung – Speichern, Wirtschaften, Wohnhäusern, der Schule, dem Armenhaus – sowie den dort lebenden und ihrer täglichen Beschäftigung nachgehenden ‚Kirchhöfern‘, bestanden permanente Berührungspunkte zwischen dem heiligen Raum und innerweltlichen Lebenspraktiken, die sich der Heiligkeit entzogen. Die daraus resultierenden Konflikte zwischen der Gemeinde und der Kirche in Gestalt von Pfarrern, Archidiakonen und Visitatoren gelten als epochenübergreifendes Phänomen.

Mit der Konfessionsbildung traten sie in eine neue Phase. Aus der tridentinischen Heiligkeitskonzeption floss ein verstärkter disziplinierender Zugriff auf Bewohner und Nutzer des Kirchhofs. Dazu gehörten die Entfernung von potentiellen Quellen der Profanierung, die Herstellung von Ritensicherheit – bei Beerdigungen und Prozessionen – sowie die Bestrafung von Devianz. Die Bevölkerung partizipierte an der religiösen Kommunikation, nahm die Heiligkeitsdefinition wahr und verinnerlichte sie – oder nicht. Damit stand und fiel der Erfolg der symbolischen Konstituierung des heiligen Raums. Unter dem Einfluss der Aufklärung unterlagen die Kirchhöfe einem neuerlichen Bedeutungs- und Reglementierungswandel. Aufgrund hygienischer Überlegungen wurden sie als Friedhöfe ausgelagert.

Nachdem in der ersten Bewilligungsphase die Kirchhöfe des Oberstifts Münster zwischen 1500 und 1800 untersucht wurden (der Abschluss einer entsprechenden Dissertationsschrift ist für Ende 2009 anvisiert), setzt das Teilprojekt seit 01.01.2009 zusätzlich zwei Schwerpunkte: Zum einen verfolgt Jan Brademann den Vergleich zu protestantischen Kirchhöfen im Fürstentum Anhalt (reformiert) und Erzstift Magdeburg (lutherisch). Unter geänderten eschatologischen und sakraltheologischen Vorzeichen unterlagen auch diese Begräbnisplätze einem verstärkten Zugriff seitens des Konfessionsstaats. Konfessionsspezifisch war hier vor allem der Wegfall der den Kirchhof heiligenden liturgischen Handlungen.

Christof Spannhoff untersucht zum anderen die Konflikte und Aushandlungsprozesse, die sich an den Bemühungen der aufgeklärten Obrigkeiten, die Kirchhöfe auszulagern, entzündeten, sowie die dahinter stehenden von Wertvorstellungen der Parochianen, die auf der Disziplinierung des Konfessionellen Zeitalters fußten. Seine Beispielsorte liegen im katholischen Oberstift Münster sowie der benachbarten, reformierten Grafschaft Tecklenburg. Auch hier gilt, anhand der Raumwahrnehmung der Kirchhöfe die ideengeschichtliche These vom „Konfessionellen Tod“ als konfessionsspezifischem Ensemble von Deutungsmustern im Umgang mit dem Tod in einer kulturgeschichtlichen Perspektive zu erweitern.