(D3) Spätantike Heiligtumszerstörungen – Geschehen und Diskurs

Religiös motivierte Gewalt ist ein Signum der Spätantike. Gewalt gegen Andersgläubige und deren Kultorte, zuvor exzeptionell und tabuisiert, zielt nun, seit der von Konstantin eingeleiteten Politik der Christianisierung des Im­perium Ro­ma­num, auf lokaler Ebene jedoch nicht allein auf die radikale Verände­rung der religiösen Verhält­nis­se. Tem­pel-, Synagogen- oder Kirchen­zerstö­run­gen und Umwandlungen von Kult­stätten bezwecken auch eine Trans­for­mation der sozio­politischen Konfigura­tio­nen und der Modi öffentlicher Kommunikation in der spätantiken Stadt. Die Di­ver­sität dieser Prozesse, die dabei wirksamen Kräf­te und Bedingungen finden aktu­ell hohe Aufmerksamkeit in der Forschung.

Kaum beachtet (als Problem wie als Chance) wird hingegen die Semantik und Funktionalität von Heiligtumszerstörungen in der (meist christ­lichen) Über­lie­fe­rung: Der erfolgreiche Zugriff auf religiöse Stätten inszeniert Macht und Recht­gläubig­keit, birgt heilsgeschichtliches Potential und gestattet sinnstiftende Dar­stellung. Das Projekt analysiert zunächst die Entstehung einer inner­christ­lichen Debatte über die Legitimität und Notwen­digkeit von Gewalt­an­wendung so­wie die christliche Entdeckung und Konzeptionalisierung des sakralen Rau­mes im 4. Jahrhundert. Von dieser Basis aus ist die Grammatik des Dis­kur­ses (in Pre­digten, Kirchengeschichten, Hagiographie u. a.), der besonders im 4. und 5. Jahr­hun­dert über pagane, jüdische oder heterodoxe Kultstätten und ihre Zer­stö­rung ge­führt wurde, zu rekonstruieren und auf seine zeitlichen wie räumli­chen Para­me­ter hin zu klären. Die Analyse zielt dabei gleicher­maßen auf die kon­kre­ten histo­ri­schen Konsequenzen des Diskurses (z. B. in der Gesetz­­ge­bung), sei­ne Bedeu­tung als Argument in der religiösen und politischen Ausein­an­der­set­zung und seine konkrete historische Wirk­sam­keit. Die Rück­wir­kungen der reli­giösen Gewalt und ihres Diskurses auf Selbst­verständnis und Agie­ren des spät­an­­ti­ken Staa­tes sind ebenso in den Blick zu nehmen wie, exempli gra­tia, die Autori­tätsbe­grün­dung und -si­che­rung durch Heiligtumszerstörung in Krei­sen der christlichen Kirche oder die Identitätsstiftung und Traditions­bil­dung durch Gewalt im Spiegel der Grün­dungslegen­den christlicher Gemein­den.