Arbeitsgruppe Politischer Platonismus im neuzeitlichen Christentum (bis 2012)

Mit ihrer Synthese von christlichem und platonischem Denken hat die Schule von Cambridge, ein Kreis anglikanischer Theologen und Philosophen im 17. Jahrhundert, einen noch kaum gewürdigten Beitrag zur Entwicklung des neuzeitlichen Autonomiegedankens geleistet, wie er der späteren kantischen und den darauf aufbauenden idealistischen Begründungen allgemeingültiger Normen und unveräußerlicher Rechte der Person zugrunde liegt. Auf der Grundlage ihres christlichen Platonismus setzen sich die Cambridge-Platoniker kritisch mit der empirischen Naturwissenschaft und den in ihrem Gefolge entstehenden neuen Philosophien von Hobbes, Descartes und Spinoza auseinander. Zugleich propagieren sie im Blick auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den streitenden christlichen Konfessionen, mit denen das Christentum als Ganzes zusehends an Glaubwürdigkeit verliert, ein Ethos der religiösen Toleranz, das sie von sämtlichen christlichen Parteiungen ihrer Zeit abhebt: Gestützt auf ihre platonische Apologie menschlicher Freiheit, in der Gott und die lebendige Welt eng zusammengedacht werden, gilt ihnen über die Grenzen der Konfessionen hinweg allein das bewusste sittliche Leben als Kriterium und Maßstab der wahren Religion.

In einer interdisziplinär angelegten Arbeitsgruppe, die sich ebenso an Philosophen und Theologen wie an Historiker und Anglisten wendet, sollen zunächst die Quellen der Philosophie der Cambridge-Platoniker (darunter insbesondere Texte zu freiheitsmetaphysischen Überlegungen bei Platon, Origenes und Plotin) studiert werden. Anhand ausgewählter Texte (vor allem R. Cudworth’ und H. Mores) sollen sodann die Grundzüge des Denkens der Schule von Cambridge erarbeitet und ihre Bedeutung sowohl für die neuzeitliche „Erfindung der Autonomie“ (J. B. Schneewind) als auch für das Verhältnis von Religion und Politik im Europa der Aufklärung gewürdigt werden. Die deutsche Rezeption der Schule von Cambridge beschränkt sich bisher praktisch auf Cassirers Werk von 1932. Ein Ziel der AG wird es daher auch sein, die Bedeutung der geistesgeschichtlichen Strömung der Schule von Cambridge für die deutsche Platon-Rezeption aufzubereiten und durch Übersetzungen zugänglicher zu machen.