„Anthropologie der Kehre“

Tagung über Konversionen und Figuren der Wende in der mittelalterlichen Literatur

Plakat
© Schloss Runkelstein: Badestube Nordwand, sechster Herr von Westen (um 1400), Foto: Augustin Ochsenreiter, alle Rechte © by Stadt Bozen; Vince Musi/The White House; wikipedia

Mit literarischen Darstellungen von Konversionen im Mittelalter befasst sich ein Kolloquium des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der WWU, das die Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Bruno Quast vom Forschungsverbund, Prof. Dr. Udo Friedrich von der Universität zu Köln und Dr. Ulrich Hoffmann vom Germanistischen Institut der WWU organisieren. „Die Wende ist in der Literaturgeschichte eine elementare Form der Orientierung“, so Prof. Quast. Vom platonischen Erkenntnismodell über prominente Figuren religiöser Konversion, wie Paulus, Augustinus und Hieronymus, bis hin zu literarischen Modellen oder Formen der Umkehr erstrecke sich ihre Wirkungsgeschichte in ganz verschiedenen Feldern. Literaturwissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien und der Schweiz untersuchen vom 28. bis 30. Juni 2017 Figuren der Wende sowohl in ihren kulturellen Ausprägungen und historischen Entwicklungen als auch in ihren poetologischen Konfigurationen. Das Kolloquium trägt den Titel „Anthropologie der Kehre. Figuren der Wende in der Literatur des Mittelalters“.

„Im Begriff der Wende liegt eine Bipolarität, denn eine Wende stellt immer zugleich eine Grenze und einen Ausgang dar“, erläutert Prof. Quast. Die Kehre markiere in einem Handlungsgefüge insofern eine Grenze, als sie das Ende einer narrativen Sequenz an einen neuen Anfang binde, der mit der Figur einer Rückorientierung verbunden sei. „Die literarische Inszenierung des kulturellen Narrativs der ‚conversio‘ kann das Wende-Narrativ selbst in den Mittelpunkt rücken, etwa den Moment der Krisis, der Nichtentschiedenheit.“ Obwohl die Krisis als konstitutiv für den Wendeprozess anzusetzen sei, müsse sie aber nicht zwingend literarisch zur Darstellung kommen. Im Kolloquium gehen die Wissenschaftler auch der Frage nach, in welche verschiedenen Diskursrahmen Figuren der Wende eingespannt werden können. Die Veranstaltung ist Teil des Projektes B2-15 „Konversion im Mittelalter. Zur ordnungsstiftenden Funktion eines kulturellen Narrativs“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“, das Prof. Quast leitet. (ill/maz)

Kolloquium  „Anthropologie der Kehre. Figuren der Wende in der Literatur des Mittelalters“
28. Juni bis 30. Juni 2017

Germanistisches Institut
Lesesaal der Bibliothek
Schlossplatz 34
48143 Münster

Programm

Mittwoch, 28.06.2017
17:00–17:30 Einführung
17:30–19:00 Höfische Revokationen
Jan-Dirk Müller, München
19:30 Abendessen
Donnerstag, 29.06.2017
09:00–10:00 Kehre und Wi(e)derkehre. Zur heroischen Conversio
Bernd Bastert, Bochum
10:00–10:30 Kaffeepause
10:30–11:30 Umkehr/Rückkehr. Semantiken der Re-Orientierung in mittelalterlichen Jenseitsreisen und im Alexanderroman
Julia Weitbrecht, Kiel
11:30–12:30 Zwischen Wissen, Neugierde und Glauben: Von der produktiven Kraft des Umwegigen in Hartmanns von Aue Der arme Heinrich
Monika Schausten, Köln
13:00–14:30 Mittagessen
14:30–15:30 Vom Wegesrand zum Wendepunkt. Modellbildung im legendarischen Erzählen am Beispiel der Conversio Pauli
Elke Koch, Berlin
15:30–16:30 Suche nach dem dritten Weg. Narrative Entwürfe der Weltabkehr in Elisabethviten und -legenden
Caroline Emmelius, Düsseldorf
16:30–17:00 Kaffeepause
17:00–18:00 Heimkehr des Heils. Narrative Strategien und anthropologische Implikate des mittelalterlichen Translationsberichts
Christian Seebald, Köln
19:00 Abendessen
Freitag, 30.06.2017
09:00–10:00 Der verkehrte Blick: Staunen, Erkenntnis und Imagination
Mireille Schnyder, Zürich
10:00–10:30 Kaffeepause
10:30–11:30 Erinnerte Zukunft. Zu Rhetorik, Imagination und Dynamik der Kehre in eschatologischen Meditationstexten des späten Mittelalters
Mark Chinca, Cambridge
11:30–12:30 Krähen baden? Zur Unwahrscheinlichkeit der Kehre im Spiegel anthropologischer Reflexion
Silvia Reuvekamp, Düsseldorf
13:00 Mittagessen