„Songs sind seine heilige Schrift“

Literaturwissenschaftler Heinrich Detering über die Konversion Bob Dylans

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Prof. Dr. Heinrich Detering
© ska

Über die die Konversion des US-Musikers Bob Dylan zum Christentum hat der Göttinger Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Heinrich Detering in der öffentlichen Ringvorlesung „Konversion. Glaubens- und Lebenswenden“ des Exzellenzclusters gesprochen. „Als Bob Dylans Konversion vom Judentum zu einem evangelikal geprägten Christentum 1979 öffentlich wurde, sein Album ‚Slow Train Coming‘ ausschließlich religiöse Songs präsentierte und seine Konzerte einen missionarischen Charakter annahmen, war das ein Skandal, der demjenigen seiner Wendung vom Folksänger zum Rockmusiker um 1965 gleichkam“, sagte der Leibniz-Preisträger. „Laut Dylans eigener Erzählung vollzog sich seine Glaubenswende plötzlich und unerwartet; hört man jedoch in seine früheren Alben, dann dehnt sich seine Konversion immer weiter in die Vergangenheit.“ Anhand von Songtexten, Hörproben und Konzertausschnitten zeigte der Referent, der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt ist, dass die Bekehrung des Sängers deutlich früher begann und sich nicht auf die religiöse Phase von 1979 bis 1981 beschränken lässt, in der die drei „Konversionsalben“ entstanden.

Bereits vor 1979 habe Dylan „mit dem Bekenntnis experimentiert und mit dem Feuer der Konversion gespielt“, so der Literaturwissenschaftler, der als der Experte für die Musik und Texte von Bob Dylan im deutschsprachigen Raum gilt. Einen möglichen Anfang stelle das Album „Basement Tapes“ aus den Jahren 1967 dar. „Dylans konsequentes Bekenntnis zum Christentum ist bereits in dem Song ,Sign On The Cross‘ zu hören.“ Mit den Alben und Konzerten der folgenden Jahre wurde Dylans religiöse Orientierung nach Prof. Detering zu einem wiederkehrenden Thema der Popkritik. „Über die Position seiner jeweils neuen Songs zwischen Christen- und Judentum, über mögliche neue Kon- oder Reversionen ist ausgiebig spekuliert worden.“

Auch das Ende der „Konversionsperiode“ sei schwer zu datieren, erläuterte der Dylan-Experte. „Die beharrlichen Nachfragen beantwortete der Sänger zunehmend mit Hinweisen auf unterschiedliche Traditionen der amerikanischen Musik und Poesie anstatt mit persönlichen Bekenntnissen.“ An die Stelle des Konversionseifers sei eine „fragende Erkundung“ der Geschichte musikalischer und literarischer Konfessionen getreten. So habe Bob Dylan in einem Interview auf die Frage nach seinem Bekenntnis geantwortet, dass Songs sein „prayer book“, sein Gebetbuch seien. Prof. Detering: „Nicht mehr nur die Bibel, sondern nun auch Lieder sind nun seine heilige Schrift.“

Heinrich Detering ist Professor für Neuere deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Göttingen. Eine Monographie über das Werk des US-Sängers ist im Reclam Verlag erschienen. Unter dem Titel „Die Stimmen aus der Unterwelt“ erscheint demnächst sein Buch über Dylans Spätwerk im Beck-Verlag. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit ist er als Lyriker und Übersetzer tätig.

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© Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon

Von der Antike bis heute

Die Ringvorlesung des Exzellenzclusters im Wintersemester 2015/16 untersucht religiöse, aber auch politische und weltanschauliche Konversionen von der Spätantike bis heute. In der Reihe kommen Vertreter verschiedener Disziplinen zu Wort: der Geschichts- und der Rechtswissenschaft, der Ethnologie, Theologie, Arabistik, Germanistik, Indonesischen Philologie, der Judaistik und der Mittellateinischen Philologie.

Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Den abschließenden Vortrag der Reihe hält am 9. Februar der Jurist Prof. Dr. Hans-Peter Haferkamp zum Thema „Juristenkonversionen“. (ska/vvm)

Ringvorlesung „Konversionen. Glaubens- und Lebenswenden“

Wintersemester 2015/2016
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster