Der Austausch über Philosophie und Wissenschaft

Philosoph Andreas Speer zum gemeinsamen wissenschaftlichen Erbe von Juden, Christen und Muslimen

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Prof. Dr. Andreas Speer

Über Philosophie und Wissenschaft als gemeinsames Erbe von Judentum, Christentum und Islam im Mittelalter hat der Kölner Philosoph Prof. Dr. Andreas Speer in der öffentlichen Ringvorlesung „Transfer zwischen Religionen“ gesprochen. Darin zeigte er die Bedeutung von Philosophie und Wissenschaft für das Selbstverständnis und die kulturelle Formation der drei abrahamitischen Religionen auf. Der Philosoph nahm zunächst die spätantike hellenistische Kultur als gemeinsamen Ausgangspunkt in den Blick und zeichnete anschließend zentrale Etappen der „translatio studiorum“, des Transfers griechischen Wissens über den arabischen Raum nach Europa vom 6. Jahrhundert nach Christus bis ins späte Mittelalter, nach.

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Ton-Mitschnitt des Vortrags

Hierbei seien die Wissenschaften sowohl Grundlage als auch selber Gegenstand der Austauschbeziehungen zwischen den Kulturkreisen und Religionen gewesen, sagte Prof. Speer. „Es lässt sich ein lebendiger Austausch belegen, der zwischen den griechisch-lateinisch-arabisch-hebräischen sowie christlich-islamisch-jüdischen Kulturkreisen in jenem Jahrtausend herrschte, das wir für gewöhnlich als Mittelalter bezeichnen.“

Von zentraler Bedeutung für das jeweilige religiöse Selbstverständnis war dabei die Theologie, wie der Philosoph erläuterte. „Als erste Wissenschaft markierte sie den Anspruch, über den Geltungsanspruch religiöser Überzeugungen nachzudenken und diesen auch im Widerstreit disputativ zu verteidigen.“ Es sei nicht zuletzt das den abrahamitischen Religionen gemeinsame Wissenschaftsverständnis gewesen, „welches Transferbeziehungen und Gesprächsmöglichkeiten auch über religiös geprägte Kulturgrenzen hinweg ermöglichte.“

Als Beispiel für solche kulturellen Transfers nannte Prof. Speer die im arabischen Raum des 11. Jahrhunderts aufkommende Streitfrage, „ob Gott selbst Gegenstand der ersten Wissenschaft sein kann“. Die einander widerstreitenden Antworten bedeutender arabischer Denker wie Avicenna (gestorben 1037) und Averroës (1126-1198) seien schließlich zum Ausgangspunkt der Debatten der neu gegründeten Universitäten Europas geworden und von Denkern wie dem Philosophen und Theologen Thomas von Aquin (gestorben 1274) aufgegriffen worden. „Im 12. Jahrhundert kam es zudem zu einer umfassenden ‚Wiederentdeckung des Aristoteles‘, weil viele seiner Werke und deren Kommentare nur in griechischer und arabischer Sprache erhalten waren und Europa erst durch die zu diesem Zeitpunkt vermehrten Übersetzungen ins Lateinische erreichten.“

Plakat der Ringvorlesung

Plakat

Ringvorlesung „Transfer zwischen Religionen“

Der Vortrag trug den Titel „Philosophie und Wissenschaft als gemeinsames Erbe der abrahamitischen Religionen im Mittelalter“. Prof. Speer ist Professor für Philosophie und Prodekan der Philosophischen Fakultät an der Universität zu Köln sowie Direktor des Thomas-Instituts der Universität mit einem Schwerpunkt bei der philosophischen Mediävistik. Am Dienstag, 19. Mai, spricht Religionswissenschaftlerin Prof. Dr. Annette Wilke vom Exzellenzcluster über „Rezeption hinduistischer Konzepte im Westen und westlicher Konzepte im Hinduismus“. Der Vortrag beginnt um 18.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22.

Die Vortragsreihe „Transfer zwischen Religionen. Wenn religiöse Traditionen einander beeinflussen“ untersucht, wie es zwischen Religionen in verschiedenen Kulturräumen und Epochen zu vielfältigen Formen des Austauschs religiöser und kultureller Traditionen kam. Die Themen der öffentlichen Reihe reichen von multi-religiösen Identitäten in modernen pluralen Gesellschaften über den Transfer in der regulierten Religionsvielfalt Chinas bis zum christlich-muslimischen Dialog im Nahen Osten. Auf dem Programm stehen auch der Reliquientransfer zwischen dem östlichen und dem westlichen Christentum sowie Wechselwirkungen zwischen dem Buddhismus und anderen indischen Religionen. Am Exzellenzcluster werden Transfer-Phänomene seit 2012 im Forschungsfeld „Integration“ untersucht. (han/vvm)


Ringvorlesung „Transfer zwischen Religionen. Wenn religiöse Traditionen einander beeinflussen“

Sommersemester 2015
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster