Religiöse Vielfalt in Myanmar

Neues internationales DFG-Projekt untersucht Diskurse von Buddhisten und Christen

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Teilnehmer des internationalen Expertensymposiums

Die religiöse und ethnische Vielfalt in Myanmar steht im Mittelpunkt eines neuen Forschungsprojekts des Theologen und Religionswissenschaftlers Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel und des evangelischen Theologen Prof. Dr. Hans-Peter Großhans vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Das Projekt trägt den Titel „Religiöser Pluralismus im Diskurs – Buddhisten und Christen in Myanmar und ihr Umgang mit religiöser Pluralität“. Es ist auf drei Jahre angelegt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Wissenschaftler führen die Studie in Kooperation mit dem „Myanmar Institute of Theology“ (MIT), Yangon, durch. Sie zielt auf eine kritische Rekonstruktion von Deutungsmustern und Diskursen über religiösen Pluralismus bei Buddhisten und Christen im heutigen Myanmar.

Das unter britischer Kolonialherrschaft als „Burma“ oder „Birma“ bekannte Land zwischen Thailand und Indien zeichnet sich den Wissenschaftlern zufolge durch eine immense ethnische Vielfalt aus. Religiös gehört die Mehrheit der Bevölkerung dem sogenannten Theravāda-Buddhismus an. Knapp sieben Prozent gehören demnach der christlichen, 3,6 Prozent der muslimischen und 2,6 Prozent der hinduistischen Minderheiten an, die jeweils stark mit bestimmten Ethnien verknüpft seien. So liegen im Stadtzentrum von Yangon gleich mehrere buddhistische Tempel, Hindutempel, Moscheen und Kirchen in unmittelbarer Nachbarschaft.

Spannungen zwischen Buddhisten und Muslimen

„Ethnisch-religiöse Spannungen zwischen Buddhisten und Muslimen haben in den vergangenen Monaten immer wieder die Aufmerksamkeit auf Myanmar gelenkt“, so die Projektleiter. Der Buddhismus genieße laut myanmarischer Verfassung eine herausgehobene Stellung, die jedoch nicht näher definiert sei. Nach jahrzehntelanger Abschottungspolitik erlebe das Land seit 2011 einen allmählichen Demokratisierungsprozess, der im November 2015 zur freien Parlamentswahl führen solle. „Ohne Zweifel wird in einem offenen und demokratischen Myanmar die Frage des Umgangs mit der ethnischen und religiösen Vielfalt eine wichtige Rolle spielen“, unterstreichen Prof. Großhans und Prof. Schmidt-Leukel.

Die Wissenschaftler wollen zentrale theologisch-religiöse Legitimierungsdiskurse unterschiedlicher Religionen in Myanmar identifizieren und analysieren. Auf dieser Basis werden die Auswirkungen dieser Vorstellungen für das Miteinander verschiedener Religionen im öffentlichen Raum sowie ihr Bezug zu weiteren sozio-kulturellen Faktoren untersucht. „Die Verschränkungen zwischen ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten werden dabei ebenso berücksichtigt wie die geschichtlichen Kontinuitäten und Diskontinuitäten“, so die Forscher. Im Mittelpunkt des Projekts stehe die empirische Erhebung und Analyse der Perspektiven buddhistischer und christlicher Hochschuldozenten auf die theoretische Verarbeitung religiöser Pluralität in Myanmar. Diesen Teil der Studie führt die Religionswissenschaftlerin Dr. Madlen Krüger durch, die an der Universität Bochum mit einer Arbeit über politischen Buddhismus promoviert wurde.

Konferenz zum Projektauftakt

Zum Auftakt des Projektes fand Anfang August in Yangon ein internationales Expertensymposium statt. Im Mittelpunkt der Konferenz stand nach den Worten von Prof. Schmidt-Leukel die Frage, wie bisherige Engführungen, die eine Missachtung und Geringschätzung des religiös Anderen einschließen, überwunden werden können. „Es wurde deutlich, dass sich im theologischen Diskurs Myanmars zwar einerseits viele Fragestellungen wiederholen, die auch in der internationalen Debatte eine wesentliche Rolle spielen. Andererseits jedoch ist die Diskussion dort erheblich von den Auswirkungen der Kolonialgeschichte sowie den spezifischen Konstellationen des politischen Demokratisierungsprozesses mitgeprägt“, so der Wissenschaftler. „Ein Teil der Konferenz befasste sich zudem mit dem schwierigen Verhältnis zwischen Theravāda-Buddhismus und Islam, das sowohl aus islamischer als auch aus buddhistischer Sicht zur Sprache gebracht wurde.“

Prof. Großhans eröffnete das Symposium mit einem Vortrag über unterschiedliche Pluralismuskonzepte im öffentlichen Diskurs. Prof. Schmidt-Leukel befasste sich in seinem Beitrag mit traditionellen und zeitgenössischen theravāda-buddhistischen Einstellungen zur religiösen Vielfalt. Frau Dr. Krüger referierte über Buddhismus und Politik. Bei der Veranstaltung arbeiteten Wissenschaftler aus Myanmar, Thailand, den USA, dem Vereinigten Königreich, der Schweiz und Deutschland zusammen, darunter auch Repräsentanten zweier buddhistischer Universitäten, der Buddhist Missionary University, Yangon, und der Mahachulalongkorn University, Thailand. Je ein Vertreter des Lutherischen Weltbundes (LWF) und des Ökumenischen Rats der Kirchen (WCC) nahmen als Beobachter teil, Vertreter der deutschen Botschaft in Myanmar kamen zu einzelnen Sitzungen. Die Konferenzbeiträge sollen 2016 in Myanmar publiziert werden, um sie für die weitere Diskussion im Land fruchtbar zu machen. (exc/ska/vvm)