„Waqf im kolonialen Sansibar“

Islamwissenschaftler Norbert Oberauer über den Wandel islamischer Stiftungspraxis

Buchcover
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© Ergon Verlag

Der Waqf, eine islamische Form der Stiftung, steht im Mittelpunkt einer Monographie des Islamwissenschaftlers Prof. Dr. Norbert Oberauer vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Das Buch ist unter dem Titel „Waqf im kolonialen Sansibar. Der Wandel einer islamischen Stiftungspraxis unter britischer Protektoratsherrschaft“ im Ergon-Verlag erschienen. „Stiftungen waren in vielen islamischen Gesellschaften der Vormoderne ein zentrales Element im sozioökonomischen Gefüge“, erläutert der Forscher. Immer habe dieses Stiftungswesen auch gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen widergespiegelt: Durch Stiftungen erfüllten Herrscher und Eliten die von ihnen empfundenen sozialen Fürsorgepflichten, schufen aber auch Abhängigkeitsverhältnisse, repräsentierten ihre Macht, oder festigten den Zusammenhalt innerhalb verwandtschaftlicher, professioneller und anderer Solidaritätsgruppen.
 
„Gerade wegen dieser Eigenschaft, soziale Ordnungsvorstellungen widerzuspiegeln und zu reproduzieren, wird das Stiftungswesen im Zuge der Kolonialisierung zum Gegenstand einer grundlegenden Neuverhandlung“, führt Prof. Oberauer aus. Im aufbrechenden Streit um den adäquaten Umgang mit Stiftungen prallen kontroverse Vorstellungen davon aufeinander, wie sozioökonomische Verantwortungen innerhalb des Gemeinwesens auf Individuen, Familien, den Staat und andere Akteure verteilt sind, und wie entsprechend innergesellschaftliche Ressourcen verteilt sein müssen. „Im Sultanat von Sansibar führte dieser Konflikt zu massiven Eingriffen in das traditionelle Stiftungswesen, durch die sich dessen Charakter und Funktion grundlegend veränderten.“ Auf der Basis umfangreicher Quellenstudien zeichnet die Untersuchung ein nuanciertes Bild von diesem Transformationsprozess. (Ergon/ill)


Hinweis: Oberauer, Norbert: Waqf im kolonialen Sansibar. Der Wandel einer islamischen Stiftungspraxis unter britischer Protektoratsherrschaft (Kultur, Recht und Politik in muslimischen Gesellschaften, vol. 25), Würzburg: Ergon 2012, 270 Seiten, ISBN 978-3-89913-938-9, 44,00 Euro.