Wie die Westfalen zu Protestanten und Katholiken wurden

Neues Buch der Historiker Prof. Dr. Werner Freitag und Christian Helbich stellt die Region als „Laboratorium“ dar

News Buch Freitag Cover

Das Cover der Neuerscheinung

© Aschendorff Verlag

Neue Erkenntnisse über die Ausformung der verschiedenen christlichen Konfessionen in Westfalen liefert ein Buch der Münsteraner Historiker Prof. Dr. Werner Freitag und Christian Helbich. Wegen des kleinräumigen Nebeneinanders von protestantisch und katholisch geprägten Gebieten sei die Region für die Erforschung der zwei Jahrhunderte nach der Reformation besonders interessant, schreiben die beiden Herausgeber im Vorwort des Bandes „Bekenntnis, soziale Ordnung und rituelle Praxis“. Das historische Westfalen, zu dem auch das Oldenburger Münsterland, das Bistum Osnabrück und das Emsland zählen, bilde „ein Laboratorium“, um neue wissenschaftliche Ansätze anzuwenden.

Die Entscheidung für die eine oder andere Konfession in der Frühneuzeit wirkt laut Freitag und Helbich bis heute in den unterschiedlichen Mentalitäten und Frömmigkeitsformen Westfalens nach. Die Autoren des im Münsteraner Aschendorff-Verlag erschienenen Buches untersuchen, welche Motive adlige Familien, Gemeinden und kirchliche Amtsträger bei ihrer Wahl der Konfession hatten. So ließen sich die Adligen nicht nur von ihrem Gewissen leiten, sondern hatten auch Karrierechancen im Dienst des Landesherren im Auge. Viele „einfache“ Gläubige entschieden sich bis ins 17. Jahrhundert hinein gar nicht. Sie besuchten abwechselnd katholische und lutherische Gottesdienste, berichtet Helbich. Die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg hätten versucht, in der Tradition des Gelehrten Erasmus von Rotterdam einen vermittelnden Weg zwischen Katholizismus und Protestantismus zu gehen. Manche Geistliche seien dort in der Predigt als „Evangelischer“, im Chorraum aber als „Papist“ aufgetreten.

News Buch Freitag - Prof. Werner Freitag.jpgNews Buch Freitag - Christian HelbichNeue Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft greifen Werner Freitag (ganz links) und Christian Helbich (links) auf, indem sie etwa danach fragen, wie die Religion das Miteinander in Stadt und Land prägte und wie die Menschen sie im Alltag lebten. Wichtig sind Freitag und Helbich zufolge öffentliche Inszenierungen wie Schauspiele und Prozessionen. „Erst im rituellen Vollzug wurde das Bekenntnis gefestigt“, schreiben die Herausgeber. Weitere Themen des Sammelbandes sind Kirchhöfe als Wohnort der Armen, Pfarrerwahlen, die Herausbildung des Küsteramtes, die Disziplinierung des emsländischen Pfarrklerus und Armenhausstiftungen. Autoren aus dem Exzellenzcluster sind neben Werner Freitag Lena Krull, Kristina Thies und Michael Hecht. Beiträge entstanden außerdem am Münsteraner Institut für vergleichende Städtegeschichte und im Sonderforschungsbereich „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme“ der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. (arn)


Hinweis: Werner Freitag/Christian Helbich (Hg.), Bekenntnis, soziale Ordnung und rituelle Praxis. Neue Forschungen zu Reformation und Konfessionalisierung in Westfalen (Westfalen in der Vormoderne 4). Münster, Aschendorff Verlag 2009, 44 Euro.