„Wer seine religiöse Tradition kritisiert, hat oft einen schweren Stand“

Bekannte Autoren Elias Khoury und Rafael Seligmann diskutieren im Exzellenzcluster

News Ankuendigung Beyond Tradition

Ausschnitt aus dem Plakat zur Tagung

Drei international bekannte Autoren aus den drei monotheistischen Weltreligionen sind Mitte Juli zu Gast im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster: Elias Khoury, Rafael Seligmann und Recai Hallaç diskutieren mit renommierten Wissenschaftlern aus Deutschland, Israel und den USA über Religionskritik in Christentum, Judentum und Islam. „Wer seine religiöse Tradition kritisiert, hat oft einen schweren Stand,“, so die Veranstalter, Judaistin Prof. Dr. Regina Grundmann und Theologe Prof. Dr. Assaad Elias Kattan. „Darüber werden die Autoren in eine spannende Diskussion eintreten. Sie haben sich selbst intensiv mit dem Phänomen Religion auseinander gesetzt.“

„Es ist auch in nachaufklärerischer Zeit bis heute keine Seltenheit, dass religiöse Traditionen zunehmend dogmatisch definiert und Neudeutungen unterbunden werden“, sagen die Wissenschaftler, die am Exzellenzcluster und am Centrum für Religiöse Studien (CRS) forschen. Während für die Religion die Bewahrung und Weitergabe der Tradition von grundlegender Bedeutung sei, lebten Literatur und Kunst von der Infragestellung des Überlieferten. Der christliche Schriftsteller Khoury – nur selten in Deutschland zu hören –, der jüdische Autor Seligmann und der muslimische Übersetzer, Dramaturg und Schauspieler Hallaç hätten daher ihre eigene Sicht auf diese Dinge. Von ihnen seien profilierte Aussagen zum Spannungsfeld von Tradition und Traditionskritik zu erwarten.

Zum Podium am 12. Juli um 20.00 Uhr in der Aula des Schlosses in Münster sind alle Interessierten eingeladen. Es ist Teil der Tagung „Beyond Tradition? Tradition und Traditionskritik in Religionen“, die Cluster und CRS vom 11. bis 13. Juli im Liudgerhaus veranstalten. Sie beleuchtet von der Antike bis in die Gegenwart das Phänomen der Traditionskritik, von dem alle drei monotheistischen Weltreligionen in gleicher Weise betroffen sind und das ihre Geschichte entscheidend geprägt hat. Dabei steht auch die Frage im Vordergrund, inwieweit Traditionskritik selbst Teil von Tradition sein und für die Fortschreibung von Tradition konstituierend wirken kann.

Von der Koranforschung und „Traditionskritik von oben“

Die Fachtagung liefert in 18 Vorträgen Beispiele der Traditionskritik. Zum Auftakt spricht die Berliner Arabistin, Prof. Dr. Angelika Neuwirth, am 11. Juli um 18.00 Uhr in der Aula des Schlosses über „Koranforschung – eine ‚politische Philologie‘?“. Ihr Kollege Dr. Mouhanad Khorchide vom CRS erörtert die „Notwendigkeit einer innerislamischen Traditionskritik“. Prof. Dr. Eveline Goodman-Thau, Judaistin und Rabbinerin aus Jerusalem spricht über „Religion und Politik im Spannungsfeld von Kanon, Kontext und Kultur aus den Quellen des Judentums“ und der Philosoph Prof. Dr. Ephraim Meir von der Bar Ilan-Universität Ramat-Gan in Israel über „Meta-Religion oder kritische Teilnahme an der Tradition mit Martin Buber und Franz Fischer“. Prof. Kattan fragt nach der „Heiligen Tradition“ mit Blick auf das Frauenamt in der christlichen Orthodoxie. Prof. Grundmann stellt die Fundamentalkritik des jüdischen Gelehrten Chiwi al-Balki aus dem 9. Jahrhundert vor. Mittelalter-Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff zeigt unter dem Titel „Traditionskritik von oben“, dass auch Päpste ihre Kirche zuweilen radikal veränderten. Weitere Vorträge halten Philosophen, Ethnologen, Religions- und Sozialwissenschaftler. (vvm)

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion

Elias Khoury, 1948 in Beirut geboren, ist libanesischer Schriftsteller, Journalist und Universitätsprofessor. Er zählt zu den bedeutendsten Autoren und Literaturkritikern der arabischen Welt. Zwischen 1992 und 2009 war er Chefredakteur der Kulturbeilage der führenden libanesischen Tageszeitung "An-Nahar". Seit 2003 hat er eine Gastprofessur für arabische Literatur an der New York University inne. Folgende Romane von Khoury liegen in deutscher Übersetzung vor: „Das Königreich der Fremdlinge“ (1998), „Der Geheimnisvolle Brief“ (2000) und „Das Tor zur Sonne“ (2004).

Rafael Seligmann, der 1947 in Tel Aviv auf die Welt kam, ist Schriftsteller, Essayist und promovierter Politologe. Seit 1978 schreibt er für Medien wie "Spiegel", "BILD", "Die Welt", "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" und "taz". 1981 bis 1982 war er Referent für Außenpolitik der CDU-Geschäftsstelle in Bonn, 1985 bis 1991 Dozent für Internationale Politik am Geschwister-Scholl-Institut der Universität München und von 1985 bis 1987 Chefredakteur der von ihm gegründeten "Jüdischen Zeitung". Zu seinen wichtigsten Büchern gehören „Mit beschränkter Hoffnung. Deutsche, Juden, Israelis“, „Hitler, die Deutschen und ihr Führer“ sowie die deutsch-jüdischen Gegenwartsromane „Der Musterjude“, „Der Milchmann“ und „Schalom meine Liebe“, das die ARD verfilmte.

Der 1962 in Istanbul geborene und aufgewachsene Recai Hallaç kam 1990 nach einer Ausbildung zum Simultanübersetzer in Brüssel nach Deutschland. Er war zunächst Redakteur, Sprecher und Schauspieler für WDR und Deutschlandfunk. Neben eigenen Theaterprojekten arbeitete er unter dem Regisseur Roberto Ciulli am „Theater an der Ruhr“ und trat mit ihm in Bogotá, Istanbul, Kairo, Sarajevo und Teheran auf. 2008 gründete Hallac den Berliner Verlag Edition Galata, für den er die Novelle „Der wundersame Mandarin“ von Asli Erdoğan und den Roman „Patasana“ von Ahmet Ümit ins Deutsche übersetzte.