Über den Sinn von Geschenken und Gegengeschenken

„Die Sprache der Gaben“ ist Thema einer internationalen Cluster-Tagung in Moskau

Gerd-althoff

Prof. Dr. Gerd Althoff

© Julia Holtkötter

Die Frage nach dem Sinn von Gaben und Geschenken stellt sich alljährlich auf besondere Weise in der Vorweihnachtszeit, wenn die Suche nach Geschenken oft genug in Stress ausartet. Mit der „Sprache der Gaben“ befasst sich eine gleichnamige Tagung im Moskauer Kreml-Museum, zu der der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster im Herbst 2011 mit dem Deutschen Historischen Institut und der Lomonossow-Universität einlädt.

Das Kreml-Museum bietet sich nach den Worten des Cluster-Sprechers Prof. Dr. Gerd Althoff als idealer Tagungsort an, weil in der dortigen Rüstungskammer prachtvolle europäische und asiatische Staatsgeschenke an die russischen Zaren ausgestellt sind. „Sie dokumentieren eindrucksvoll mehrere Jahrhunderte der Geschenkpraxis in den internationalen Beziehungen der Vormoderne.“ In vergleichender Perspektive will sich die Cluster-Tagung mit den kulturellen Praktiken des Schenkens und des Gabentausches vom 12. bis 17. Jahrhundert befassen. Zu der Konferenz vom 11. bis 14. Oktober 2011 werden Experten aus Europa, den USA und Russland erwartet. Sie trägt den Untertitel „Die Regeln der symbolischen Kommunikation in Europa 1100-1700“.

„Geschenke waren seit jeher geeignet, Beziehungen vielfältiger Art zu begründen, zu intensivieren oder zu verlängern“, erläutert der Mittelalter-Historiker. „Sie signalisieren den Willen zu Frieden, Verständigung, gütlichem Einvernehmen und Zusammenarbeit.“ Insofern spielten Geschenke dem Experten zufolge eine wesentliche Rolle beim Aufbau und der Aufrechthaltung sozialer und politischer, aber auch religiöser Beziehungen zu höheren Mächten. Verschiedene Gaben transportierten symbolische Aussagen über das Verhältnis von Schenker und Beschenkten, wodurch nicht zuletzt Rechte und Verpflichtungen sichtbar wurden.

„Dabei erweisen sich die scheinbare Freiwilligkeit und Selbstlosigkeit des Schenkens als trügerisch: Gaben und Gegengaben wurden stets unter Beachtung komplexer Normen und Regeln ausgetauscht“, so Prof. Althoff. Obwohl diese Wirkungskraft von Geschenken und die damit verbundenen „Spielregeln des Gabentausches“ nur selten schriftlich fixiert worden seien, habe sie doch ein hoher Geltungsanspruch ausgezeichnet. Der Nachweis der Existenz solcher Regeln und ihrer allgemeinen oder partiellen Gültigkeit ist eines der Hauptziele der Tagung in Moskau.

Mit der Thematik „Gaben und Gabentausch“ lassen sich, sagt der Cluster-Sprecher, die Funktionsweisen vormoderner Gesellschaften besonders gut beobachten, weil daran die Leistungskraft symbolischen Handelns, informelle Praktiken und der Geltungsanspruch ungeschriebener Gesetze untersucht werden kann. Die starke gesamteuropäische Perspektive und der Vergleich zwischen westeuropäischen Regionen, Mitteleuropa und dem orthodoxen Osten solle der Tagung ein besonderes Profil verleihen. (vvm)