Pressemitteilung upm

Illusion der perfekten Kontrolle

"Klaus Tschira Preis 2011" für Verhaltensbiologin Dr. Helene Richter

Münster (upm), 14. Oktober 2011

Dr. Helene Richter hat den "Klaus Tschira Preis" 2011 erhalten.
Dr. Helene Richter hat den "Klaus Tschira Preis" 2011 erhalten. Foto: "Klaus Tschira Stiftung"
Die Preisträger mit Stifter Dr. h. c. Klaus Tschira (Mitte): Dr. Stefan Valentin, Dr. Dr. Alexander Meyer, Dr. Helene Richter, Dr. Britta Lorey, Dr. Christian Kirches, Dr. Frank Striebel (v. l.)
Die Preisträger mit Stifter Dr. h. c. Klaus Tschira (Mitte): Dr. Stefan Valentin, Dr. Dr. Alexander Meyer, Dr. Helene Richter, Dr. Britta Lorey, Dr. Christian Kirches, Dr. Frank Striebel (v. l.) Foto: "Klaus Tschira Stiftung"

Die Klaus-Tschira-Stiftung hat gestern (Donnerstag) den mit je 5000 Euro dotierten "Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft KlarText!" an sechs Nachwuchswissenschaftler aus ganz Deutschland vergeben. Unter den Preisträgern ist auch Dr. Helene Richter, die ihre Dissertation in der Abteilung für Verhaltensbiologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) geschrieben hat. In ihrer Doktorarbeit geht die 1982 geborene Wissenschaftlerin der Frage nach, ob eine Standardisierung in Tierexperimenten die Reproduzierbarkeit der Versuche garantieren kann. Ausgezeichnet wurde sie für ihren Artikel "Illusion der perfekten Kontrolle", in dem sie die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit besonders anschaulich und auch für Laien verständlich beschreibt.

In dem Text nimmt sie den Leser mit in ein Tierlabor. Sie geht der Frage auf den Grund, warum sich wissenschaftliche Tierexperimente oft nicht mit den gleichen Ergebnissen wiederholen lassen, obwohl sie unter strikt einheitlichen Bedingungen durchgeführt werden. Trotz Standardisierung, bei der zum Beispiel die Käfigeinrichtung und sogar die genetische Ausstattung der Mäuse identisch ist, würden immer wieder unterschiedliche und sogar widersprüchliche Ergebnisse veröffentlicht, so Helene Richter. Die junge Wissenschaftlerin hinterfragt auch die Gültigkeit von Tierexperimenten über die Grenzen des Versuchs hinaus. So seien die Ergebnisse häufig nicht auf den Menschen übertragbar.

In ihrer Dissertation erforschte Helene Richter die strikte Vereinheitlichung der Versuchsbedingungen: Alter, Geschlecht, Genotyp, Haltungs- und Testbedingungen – alles ist im herkömmlichen Tierexperiment identisch. In einen systematisch heterogenisierten Verfahren dagegen werden beispielsweise Tiere aus unterschiedlichen Haltungsbedingungen getestet. Helene Richter konnte nachweisen, dass auf diesem Wege die Reproduzierbarkeit der Tests wesentlich verbessert werden kann. Sie rüttelt damit am wissenschaftlichen Dogma der Standardisierung. "In ihrem Siegerartikel legt Helene Richter die wissenschaftliche Fragestellung, ihre Herangehensweise und die Ergebnisse klar und deutlich dar. Der Leser erhält dadurch einen exzellenten Einblick in wichtige Forschungsfragen", begründete die Klaus-Tschira-Stiftung die Auszeichnung.

Dr. Sophie Helene Richter, geboren 1982, studierte von 2001 bis 2007 Biologie an der WWU. Anschließend promovierte sie dort mit "summa cum laude" bei Prof. Dr. Norbert Sachser. Derzeit forscht sie am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim in der Arbeitsgruppe "Psychiatrische Tiermodelle". Einer ihrer Schwerpunkte dort ist die Entwicklung von Verhaltenstests für die Analyse höherer kognitiver Funktionen bei Ratten. Herauszufinden, wie man Tierversuche verbessern, reduzieren oder ersetzen kann, ist ihr dabei ein besonderes Anliegen.

Die Klaus-Tschira-Stiftung sucht jedes Jahr Wissenschaftler, die exzellent forschen und anschaulich schreiben. 2011 bewarben sich 213 Wissenschaftler um den "Klaus Tschira Preis", wie die Stiftung, die ihren Sitz in Heidelberg hat, mitteilte. Voraussetzung für die Auszeichnung war nicht nur eine herausragende Promotion im Jahr 2010 in einem der Fächer Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Neurowissenschaften oder Physik. Die jungen Wissenschaftler mussten die Ergebnisse der eigenen Dissertation auch auf rund drei Seiten verständlich und spannend darstellen. Die Stiftung vergab den Preis in diesem Jahr in den Fächern Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik sowie zwei Mal in den Neurowissenschaften. Schirmherr der Stiftung ist der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Dr. Peter Gruss. Klaus Tschira, Physiker und einer der Gründer des Softwareunternehmens SAP AG, gründete die Stiftung Ende 1995 mit privaten Mitteln.

Ziel des Wettbewerbs sei es, Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik mehr in der Gesellschaft zu verankern, so die Klaus-Tschira-Stiftung. Die Siegerbeiträge veröffentlicht das Wissenschaftsmagazin "bild der wissenschaft" in einer Sonderbeilage seiner Novemberausgabe.


Weitere Informationen zum "Klaus Tschira Preis" Die Siegerbeiträge 2011