Pressemitteilung upm

Herausragender Nachlass

Zweiter Band des philosophischen Briefwechsels des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz veröffentlicht

Münster (upm), 26. März 2009

Prof. Dr. Martin Schneider (rechts), Leiter der Leibniz-Edition an der WWU, mit seinem münsterschen Team und dem Vizepräsidenten der Göttinger Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. Werner Lehfeldt (Mitte).
Prof. Dr. Martin Schneider (rechts), Leiter der Leibniz-Edition an der WWU, mit seinem münsterschen Team und dem Vizepräsidenten der Göttinger Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. Werner Lehfeldt (Mitte). Foto: WWU - Stahmann

Ein weiterer wichtiger Teil der im Jahr 2008 von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärten Korrespondenz des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz ist nun für die Öffentlichkeit zugänglich: Der zweite Band des philosophischen Briefwechsels in der großen historisch-kritischen Leibniz-Akademieausgabe ist erschienen. Bearbeitet wurde er von der Leibniz-Forschungsstelle der Universität Münster, einer Arbeitsstelle der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Der neue Band umfasst Leibniz' philosophischen Briefwechsel der Jahre 1686 bis 1694. Damit liegen nun 31 von 53 Jahren philosophischer Korrespondenz von Leibniz komplett vor. Der erste Band war bereits im Jahr 1926 als reine Textausgabe erschienen und wurde im Jahr 2006 von der Leibniz-Forschungsstelle in erweiterter und vollständig neu bearbeiteter Auflage veröffentlicht. Zusammen mit der Reihe I des allgemeinen, politischen und historischen Briefwechsels und der Reihe III des mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Briefwechsels ist damit bereits über die Hälfte der Korrespondenz von Leibniz aus den Handschriften entschlüsselt worden und steht der weiteren Forschung zur Verfügung. "Der zweite Band des philosophischen Briefwechsels begleitet Leibniz' Entwicklung zur Reife - in diesen Jahren hat er sich zu dem Philosophen entwickelt, als den wir ihn heute kennen", so Editionsleiter Prof. Dr. Martin Schneider von der Leibniz-Forschungsstelle der WWU.

Die Vielseitigkeit der Leibnizschen Briefkontakte fast zur gesamten damaligen gelehrten und politischen Welt spiegelt sich auch in seiner philosophischen Korrespondenz wider. Philosophische Gedanken tauscht Leibniz unter anderem aus mit Jacques-Bénigne Bossuet, dem berühmten Kanzelredner und Erzieher des Dauphin, mit dem großen Physiker Christiaan Huygens, mit dem bedeutenden Occasionalisten Nicolas Malebranche, mit Pierre Bayle, dem Herausgeber des historisch-kritischen Wörterbuchs, welches philosophisch-theologische Themen aus aufgeklärt-skeptischer Perspektive behandelndt, und schließlich mit dem berühmten Jansenisten Antoine Arnauld ("dem großen Arnauld"). Der Briefwechsel mit Arnauld ist der philosophisch gehaltvollste des Bandes und gilt in der Forschung als einer der wichtigsten überhaupt, weil er die Grundfragen der Leibnizschen Metaphysik betrifft, deren ersten Entwurf in Form des sogenannten "Discours de métaphysique" er begleitet und vertieft. Er ist hier erstmals vollständig unter Berücksichtigung aller Quellen wiedergegeben.

Zentrale Themen des Bandes sind der metaphysische Begriff der Substanz, der das Individuum - das Ich - ins Zentrum der Philosophie stellt, und der naturphilosophische Begriff der Kraft, der ein dynamisches Moment in die Physik einführt und sich gegen den geometrisch-statischen Materiebegriff Descartes' richtet. Leibniz formuliert hier eine Vorform des im 19. Jahrhundert von Mayer und Helmholtz aufgestellten Energieerhaltungssatzes in Gestalt des Gesetzes von der im Universum konstant bleibenden Quantität der Kraft. Hier tritt Leibniz aber auch auf als Vertreter einer aufgeklärten Religiosität, die das Absurde, Widervernünftige aus der Religion ausschließt und Glauben und Vernunft für vereinbar hält.

Der nächste Band (II, 3), der die philosophische Korrespondenz von 1695 - 1700 umfasst, ist in Bearbeitung.

Leibniz-Forschungsstelle