Pressemitteilung upm

Geschichte oder Mythos?

Centrum für Religiöse Studien startet Ringvorlesung

Münster (upm), 20. Oktober 2008

Kalisch
Prof. Dr. Muhammad Kalisch Foto: jri

Religionen und ihre heiligen Texte haben eine Entstehungsgeschichte, die zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung geworden ist. Die herrschende Meinung zum Alten und Neuen Testament sowie der Geschichte des Frühislams erkennt einen historischen Kern in den entsprechenden religiösen Überlieferungen an. Dessen Umfang ist allerdings umstritten. Das Centrum für Religiöse Studien (CRS) an der Universität Münster veranstaltet deshalb im Wintersemester eine Ringvorlesung zum Thema "Geschichte oder Mythos? Alternative Theorien zur Entstehung des Alten Testaments, des Neuen Testaments und zur Geschichte des Frühislams". Dort soll diskutiert werden, wo Geschichte und Mythos in Judentum, Christentum und Islam aufeinandertreffen. Sie beginnt am Donnerstag, 23. Oktober 2008, mit dem Vortrag zum Alten Testament "When did Judah become Israel?". Prof. Philipp Davies, University of Sheffield, spricht ab 18 Uhr im Hörsaal S6 des Schlosses. Der Eintritt ist frei.  

"Wir wollen damit einen dialogischen Austausch fördern", begründet Prof. Dr. Muhammad Kalisch vom CRS die Veranstaltung, die bereits seit langem geplant ist. Referenten sind Wissenschaftler und Publizisten aus Dänemark, Großbritannien, den USA und Deutschland. Inhaltlich gliedert sich die Reihe in drei Blöcke: Judentum, Christentum und Islam. Zu jedem dieser Blöcke werden verschiedene Abendvorträge angeboten sowie jeweils ein Samstagssymposium mit Podiumsdiskussion. Gast bei der Diskussion um die historischen Wurzeln des Neuen Testaments wird etwa der Göttinger Theologe Prof. Dr. Gerd Lüdemann sein, der mit Zweifeln am historischen Jesus für Empörung innerhalb der Evangelischen Kirche sorgte.  

Die Ringvorlesung findet vor dem Hintergrund verschiedener Forschungsstränge statt: Die Erforschung des Alten Testaments etwa ist seit jeher neben der kritischen Arbeit mit dem Text sehr eng mit der Archäologie verbunden. Dabei hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Ergebnisse der archäologischen Forschung die Angaben der Texte des Alten Testaments nicht belegen, sondern diese teilweise widerlegen. Die Ergebnisse der Archäologie in Verbindung mit Textkritik haben die als Vertreter des "Biblischen Minimalismus" bekannten Wissenschaftler zu der Schlussfolgerung geführt, dass den zentralen Erzählungen des Alten Testaments kein oder nur ein minimaler historischer Kern zugrunde liegt. Im Bereich des Neuen Testaments fand man stets eine Mindermeinung vor, die die Existenz eines historischen Jesus geleugnet hat. Zweifel an der Geschichtlichkeit Jesu ergeben sich danach etwa aus dem Fehlen außerbiblischer Zeugnisse für ihn sowie aus der Art seiner Beschreibung in den Texten des Neuen Testaments und der sonstigen frühchristlichen Literatur.  

Was die Entstehung des Islam betrifft, so wird von den Revisionisten die Verlässlichkeit der islamischen Überlieferung sehr viel stärker bezweifelt als von der herrschenden Lehre. Zweifel an der islamischen Version der Geschichte des Frühislam ergeben sich manchen Wissenschaftlern zufolge aus Widersprüchen und Ungereimtheiten in den islamischen Quellen und der Tatsache, dass aus den ersten beiden Jahrhunderten islamischer Zeitrechnung kaum islamische Quellen existieren. Manche Forscher wie Prof. Kalisch gehen dabei so weit, die Historizität Mohammeds infrage zu stellen, was zu einer bundesweit beachteten Debatte mit den islamischen Verbänden geführt hat.  

 

Centrum für Religiöse Studien