Pressemitteilung upm

Durch richtige Anleitung noch mehr Leben retten

Klinikärzte fordern: Defibrillatoren müssen umgerüstet werden

Münster (upm), 29. September 2006

Der Direktor der Kardiologie und sein Kollege von der Klinik für Änasthesiologie und operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Münster (UKM) sind verärgert: Vor einigen Jahren übernahmen sie eine Vorreiterrolle, indem sie dafür eintraten, dass Automatische Defibrillatoren, das sind Elektroschockgeräte gegen lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen und Flughäfen oder auch in großen Firmen verfügbar sind. Mit einem solchen Gerät können auch Laien einem Menschen mit Herzstillstand bis zum Eintreffen der Rettungskräfte erste Hilfe leisten. "Je länger ein Herzstillstand dauert, desto größer ist die Gefahr, dass das Gehirn aufgrund des Sauerstoffmangels geschädigt wird. Die Minuten bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes können für das Überleben des Patienten entscheidend sein", betont Prof. Dr. Günter Breithardt, Direktor der Medizinischen Klinik C (Kardiologie und Angiologie) des UKM.  

Doch die im Umlauf befindlichen Geräte unterstützen die Ersthelfer nicht optimal. Die automatischen Sprachansagen, die die Geräte machen, entsprechen auch ein Dreivierteljahr nach Veröffentlichung neuer europäischer Leitlinien für die erste Hilfe bei Herzstillstand durch den European Reanimations Council (ERC) nicht den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. "Die Frühdefibrillation, bei der man zuerst drei Mal einen Elektroschock gibt, und zwar vor allen anderen Maßnahmen, ist nicht mehr zeitgemäß", erläutert Prof. Dr. Hugo Van Aken, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des UKM. "Eine sofortige Defibrillation macht nur noch dann Sinn, wenn man zufällig einen Herz-Kreislaufstillstand beobachtet. Dieser Fall ist jedoch selten. Aber auch dann sollte man nur ein einziges Mal defibrillieren."  

Auch bei der Herzdruckmassage und Beatmung selbst hat sich etwas geändert. Das ABC-Schema - Atemwege freimachen, Beatmen und dann Cardiokomprimieren (Herzdruckmassage) durchführen - gilt nicht mehr. Nun gilt das Schema ACB: Erst Atemwege freimachen, dann 30 Mal (statt bisher 15 Mal) schnell auf den Brustkorb des Patienten drücken, dann zwei Mal beatmen. Herzdruckmassage und Beatmung sollen so lange im Wechsel durchgeführt werden, bis der Rettungsdienst eintrifft. "Die sofortige Herzdruckmassage ist das Entscheidende, denn sie erhöht letztendlich die Überlebenschance des Patienten, denn der noch im Blut befindliche Sauerstoff wird auf diese Weise direkt ins Gehirn gepumpt", unterstreicht Van Aken. "Alle Rettungssanitäter, Ärzte und Pflegenden in Münster wenden bereits die neuen Richtlinien an.  

"Die Gerätehersteller haben uns bereits vor Monaten zugesagt, die vorhandenen Defibrillatoren umzuprogrammieren, aber bislang ist nichts geschehen", berichtet Privatdozent Dr. Thomas Weber. Der Oberarzt im UKM ist zugleich ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Münster. Täglich führt er Schulungen durch. Dabei muss er momentan ständig gegen die automatischen Sprachanweisungen der Geräte anarbeiten. Besonders ärgert den Mediziner, dass auch zwei kürzlich von einem Firmeninhaber in Münster erworbene Defibrillatoren noch die alte Programmierung besaßen. Weber: "Laien ist nicht zuzumuten, die Anweisungen des Gerätes zu ignorieren und die neuen Richtlinien trotzdem anzuwenden. In ihrer Aufregung halten sie sich genauestens daran, was ihnen der Defibrillator vorschreibt."  

Einfach neue Geräte mit der richtigen Programmierung anzuschaffen sei auch keine Alternative, zumal es diese auf dem deutschen Markt bislang kaum gebe, betont Benno Fritzen, Leiter der Feuerwehr Münster: "Wir besitzen 40 solcher automatischer Defibrillatoren. Ich zähle fest auf die Zusage der Hersteller, die vorhandenen Geräte mit neuer Software auszustatten." Ein Gerät, wie es im Rettungsdienst verwendet wird, kostet um die 7.500 Euro. Weniger komfortable Geräte für den privaten Gebrauch, die ihren Zweck jedoch auch erfüllen, gibt es ab etwa 2.000 Euro im Handel zu kaufen.  

 

 

Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin