Pressemitteilung upm

Eine Bibliothek reist um die Welt

Swift-Forschungsstelle konnte Bestand von australischem Forscher erwerben

Münster (upm), 07. Februar 2006

[Swift]
Prof. Dr. Hermann Josef Real und seine Mitarbeiterin Sabine Wendel freuen sich über die viele Arbeit, die die neue Bibliothek mit sich bringt.
Foto: Andreas Bäumer   

Sie ist endlich da, aber noch lange nicht ausgepackt: Die Bibliothek des Swift-Gelehrten David L. Woolley aus Perth, Westaustralien, hat vier Wochen gebraucht, um von dort mit Schiff und Lkw zum Ehrenpreis-Institut für Swift-Studien der Universität Münster gebracht zu werden. "Sie kam an, als hier das Schnee-Chaos wütete", erzählt Prof. Dr. Hermann Josef Real. "und hat auf dem letzten Teilstück ihres Weges lange im Stau gestanden."

Die zirka 1300 bis 1400 Bände der Sammlung konnte das Ehrenpreis-Institut für 125.000 Euro erstehen. Fast die Hälfte der Summe übernahm die Deutsche Forschungsgemeinschaft, beteiligt waren auch die Universitäts- und Landesbibliothek, das Institut für Buchwissenschaft und Textforschung, die Förderkreis der Universität und die Universität selbst. Seit Ende November wird nun geräumt im Ehrenpreis-Institut. 60 Kisten waren auszupacken, jetzt stehen noch 23 davon da. In den Regalen reihen sich uralte und auch moderne Bücher mit roten Fähnchen. "Das sind die Bücher der Woolley-Sammlung, die wir noch nicht bibliographiert haben", erklärt Real. Obwohl er emeritiert ist, arbeitet der Swift-Kommentator zur Zeit sogar an den Wochenenden, um der Riesenstapel von Büchern, Zeitschriften, Sonderdrucken und Briefen Herr zu werden und sie in die Bibliothek einzuordnen.

Der inzwischen verstorbene Woolley, der auch Ehrendoktor der Universität Münster war, hatte nicht nur ein anderes Ordnungssystem als das Ehrenpreis-Institut, auch seine Sammelinteressen wichen von denen des Institutes ab. Real versucht, die historische Bibliothek Swifts zu rekonstruieren, um daraus zu ermitteln, was Swift las, was ihn bewegte und anregte, um so zu einem besseren Verständnis seiner Schriften zu kommen. Woolley dagegen war als Herausgeber von Swifts Werk vor allem daran interessiert, möglichst genaue Werkvorlagen für eine historisch-kritische Herausgabe zu erhalten. Er hat unter anderem die Korrespondenz von Swift herausgegeben.

Gerade der Satiriker Jonathan Swift ist lange als Kinderbuchautor missverstanden worden. "Gullivers Reisen" wurden gekürzt, verharmlost und in ihrer beißenden Kritik an den gesellschaftliche Zuständen des 18. Jahrhunderts kastriert. Deshalb hat es sich Real zur Aufgabe gemacht, das politische und satirische Potenzial des Dechanten aus Dublin, der als einer der wichtigsten Vorreiter der englischen Aufklärung gilt, neu zu entdecken. "Es gilt zu verstehen, warum Swift dachte, wie er dachte", erläutert Real seinen Ansatz.

Die Sammlung Woolley ist eine für die Fachleute besonders verlockende Ergänzung der Bibliothek des Ehrenpreis-Institutes. Sie umfasst Swift-Ausgaben des 18. und des 20. Jahrhunderts, Nachschlagewerke und Handbücher der Bibliographie, Editionstheorie und Editionsphilologie und Monographien der Swift-Forschung des 20. Jahrhunderts. Besonders von Interesse ist das 18. Jahrhundert, weil deren Ausgaben von Swift selbst noch beeinflusst und kommentiert werden konnten. Darunter sind Unikate wie die mit zahlreichen handschriftlichen Glossen und Marginalien versehenen Ausgaben der Prosa Swifts. "Die Nachricht, dass die Woolley-Sammlung jetzt hier ist, geht wie ein Lauffeuer durch die Fachwelt. Wir haben sogar schon eine Anfrage aus Indien bekommen. Und so mancher der zum Swift-Symposium im Mai anreisenden Forscher bleibt länger, um in der Woolley-Sammlung zu forschen", berichtet Real.

Ehrenpreis-Institut