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Münster (upm/hd)
Reinhard Feldmann (ULB), Dr. Dirk Passmann (Verlag Aschendorff), Dr. Elmar Rickert (Autor/Herausgeber), Prof. Dr. Christel Meier-Staubach (Lateinische Philologie des Mittelalters und der Neuzeit)<address>© ULB</address>
Reinhard Feldmann (ULB), Dr. Dirk Passmann (Verlag Aschendorff), Dr. Elmar Rickert (Autor/Herausgeber), Prof. Dr. Christel Meier-Staubach (Lateinische Philologie des Mittelalters und der Neuzeit)
© ULB

Über einen dummen Lateinlehrer im 15. Jahrhundert

Das erste in Münster gedruckte Buch ist eine Schulkomödie - und ein frühes Zeugnis des Humanismus

Vor mehr als 500 Jahren, am 30. Oktober 1485, erschien das erste in Münster gedruckte Buch, die "Comedia Codri". Der Wiegendruck (Inkunabel) mit 20 Blättern ist eine lateinische Schulkomödie. Eines der zwei erhaltenen Exemplare dieses Druckes liegt in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB), das andere in der Stadtbibliothek Dortmund. Am Freitag, 23. September, präsentierte die ULB zusammen mit dem Herausgeber und dem Verlag Aschendorff eine Neuedition des Werkes. Es ist als Zeugnis frühen humanistischen Denkens in Münster auch geistesgeschichtlich von herausragender Bedeutung. Die Grundlage der Neuerscheinung lieferte eine Neuübersetzung und Kommentierung des Oberstudiendirektors Dr. Elmar Rickert.

Der Verfasser der "Comedia Codri" ist Johannes Kerckmeister, Leiter der damaligen Domschule, gedruckt wurde sie von Johannes Limburg aus Aachen. Johannes Kerckmeister schrieb zu Lebzeiten des Domherrn Rudolf von Langen (1438-1519), der als erster bedeutender Humanist in Westfalen angesehen wird und von dem ein nachhaltiger Einfluss auf den Humanismus in Münster ausging.

Das Werk ist eine lateinische Schulkomödie. Johannes Kerckmeister schrieb sie, weil er mit der althergebrachten mittelalterlichen Form und den Inhalten des Lateinunterrichts nicht zufrieden war. Stattdessen wollte er die moderne Unterrichtsform, die aus Italien kam, einführen. Das Stück entstand in der Phase des Umbruchs vom traditionellen mittelalterlichen zum neuen humanistischen Denken. Es zeigt, dass schon zu dieser frühen Zeit auch in Münster der Humanismus Fuß gefasst hatte.

"Ob die Komödie jemals aufgeführt worden ist, wissen wir nicht", erklärt Dr. Elmar Rickert. Unklar ist auch, wie das Stück damals aufgenommen wurde. Lachen würden die Zuhörer von heute wahrscheinlich an anderen Stellen, vermutet der Übersetzer und Kommentator. Rechte Freude komme am Ende jedenfalls nicht auf, so Rickert: "Es ist doch eher eine Tragikomödie." Geschildert wird die Geschichte eines alten Latein-Lehrers, des "Codrus" (lat. "der Dumme"), der sich aus seiner kleinen Dorfschule aufgemacht hat, um sein Wissen durch das Studium der Logik an der Universität zu Köln zu erweitern. Seine Schüler haben den Unterricht in Scharen verlassen und sich Lehrern zugewandt, die neue humanistische Bildungsinhalte vermitteln: Statt Grammatikpauken rückt die Lektüre der antiken lateinischen Autoren in den Mittelpunkt. In Köln fällt Codrus ausgelassenen und sprachlich versierten Studenten in die Hände, die von den neuen Bildungsideen begeistert sind, seine Rückständigkeit erkennen und sich auf vielfältige Weise über sein rustikales spätmittelalterliches Latein lustig machen. In scherzhafter Weise wird er zum "Bakkalaureus in der Grammatik" promoviert und kehrt stolz mit einer fiktiven Promotionsurkunde in sein Dorf zurück, hinzugelernt hat er jedoch nichts.

Der "Codrus" wurde als Dissertation am Seminar für Lateinische Philologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Münster von Dr. Elmar Rickert erstmalig übersetzt und kommentiert und damit einem breiteren Leserkreis vorgestellt. Sie ist mit einem Faksimile des Originaldrucks im Aschendorff Verlag Münster erschienen.

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