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Münster (upm/ch)
Die beiden Sprecher des SoN: Prof. Dr. Helmut Zacharias (l.) und Prof. Dr. Bart Jan Ravoo<address>© WWU/privat</address>
Die beiden Sprecher des SoN: Prof. Dr. Helmut Zacharias (l.) und Prof. Dr. Bart Jan Ravoo
© WWU/privat

Wissenschaftsrat empfiehlt neuen Forschungsbau

WWU plant Center for Soft Nanoscience / Ziel: Entwicklung von Nanomaterialien nach Vorbild der Natur

Geprüft und für förderungswürdig befunden: Der Wissenschaftsrat hat die Empfehlung ausgesprochen, einen Forschungsbau für das Center for Soft Nanoscience (SoN) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) in die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern aufzunehmen. Das teilte der Wissenschaftsrat heute (29. April) mit. Im SoN wollen Wissenschaftler neue Wege finden, um Nanomaterialien mit innovativen und präzise vorhersagbaren Eigenschaften zu entwickeln. Dabei orientieren sie sich an in der Natur stattfindenden Prozessen. Die Kosten für das Bauprojekt belaufen sich auf rund 34 Millionen Euro. Die abschließende Entscheidung über die Förderung wird auf der Grundlage der Empfehlung in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern am 28. Juni gefällt.

"Ich bin ausgesprochen glücklich über die Empfehlung des Wissenschaftsrates. Nach der erfolgreichen Einwerbung des Exzellenzclusters 'Cells in Motion' im vergangenen Jahr ist das Center for Soft Nanoscience ein weiterer Beleg für die herausragende Qualität der Naturwissenschaften an der Universität Münster", betont die Rektorin der WWU, Prof. Dr. Ursula Nelles. Forschungsprorektor Prof. Dr. Stephan Ludwig ergänzt: "Wir haben gemeinsam über vier Jahre lang für diesen Forschungsbau gekämpft. Daher bin ich besonders froh, dass das Bauvorhaben nun bewilligt wurde und danke allen beteiligten Wissenschaftlern für ihren Einsatz."

Das SoN ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern aus Biologie, Chemie, Pharmazie, Physik und Medizin. Gemeinsam erforschen sie sogenannte weiche nanoskalige Funktionsmaterialien. Dazu gehören Verbindungen wie Proteine und Lipide oder Polymere. "Weich" sind diese Materialien, weil sie durch relativ schwache Wechselwirkungen zwischen den Molekülen zusammengehalten werden und weil sie meistens eine große Menge Wasser enthalten. "Das SoN ist ein weltweit herausragendes Forschungszentrum für diese Nanomaterialien", betont Prof. Dr. Bart Jan Ravoo (Organisch-Chemisches Institut), der mit Prof. Dr. Helmut Zacharias (Physikalisches Institut) als Sprecher des SoN fungiert.

In der Natur bauen sich "weiche" Verbindungen aus sehr kleinen Bausteinen von selbst auf. Dabei entstehen extrem komplexe Systeme, beispielsweise jene Moleküle, die die Erbinformation der Organismen tragen, oder auch ganze Körperzellen. Diese Systeme können sich auch selbst reparieren und vermehren. Die weichen Nano-Funktionsmaterialien sind dem Vorbild der Natur nachempfunden – auch sie bauen sich aus vielen kleinen Bausteinen durch Selbstorganisation ohne äußeres Zutun auf.

Der Trick dabei: Die Anordnung der Bausteine ist in deren Molekülstruktur programmiert. Die Anordnung wiederum bestimmt die Funktion der Materialien. Nach dem Vorbild der Natur – "biomimetisch" – wollen die Wissenschaftler Materialien herstellen, die exakt steuerbar sind. Sie sollen auf Reize aus der Umgebung reagieren und bei Bedarf ihre Funktion ändern, ähnlich wie lebende Zellen sich an ihre Umgebung anpassen. "Wir wollen diese biologischen Prinzipien auf synthetische Systeme übertragen und somit neuartige, reaktionsfähige Funktionsmaterialien schaffen. Biomimetik heißt im SoN also nicht, dass wir die Natur nachbauen möchten. Stattdessen wollen wir die Aufbauprinzipien der Natur verstehen, nutzen und letztendlich als zentrale Strategie in der Nanotechnologie anwenden", erklärt Bart Jan Ravoo.

Die Forschung des SoN baut auf den langjährigen Vorarbeiten in den Nanowissenschaften an der WWU auf und wird diesen Forschungsschwerpunkt künftig weiter verstärken. Eine Initialzündung war das Interdisziplinäre Forschungszentrum für kooperative und funktionale nanoskalige Systeme (FOKUS), das mit drei Professuren ab 2005 vom Rektorat als fachbereichsübergreifendes Zentrum eingerichtet worden war.

Der Neubau soll den Wissenschaftlern der verschiedenen Fachrichtungen eine gemeinsam betriebene hoch moderne Infrastruktur zur Verfügung stellen. Dazu zählen spezielle Laborräume, unter anderem ein Reinraum, und neue Großgeräte für die Herstellung und Analyse der Materialien. Es sollen etwa 150 Wissenschaftler aus den Naturwissenschaften und der Medizin unter einem Dach forschen.

Der Wissenschaftsrat hat heute die Empfehlung für insgesamt neun Forschungsbauten an deutschen Hochschulen ausgesprochen. Zwei davon sollen in Nordrhein-Westfalen entstehen - neben dem auch ein Bau für das Zentrum für Synthetische Lebenswissenschaften an der Universität Düsseldorf.

Weitere Informationen zum SoN

Das Forschungsprogramm umfasst drei miteinander vernetzte Forschungs- und Methodenfelder. Im Forschungsfeld "Synthese und Selbstorganisation" erzeugen die Wissenschaftler nach dem Vorbild der Natur weiche Nanomaterialien durch einen hierarchischen "Bottom-up-Aufbauprozess" aus synthetischen und natürlichen molekularen Bausteinen. "Bottom up" bedeutet, dass sich aus kleinsten Molekülbausteinen funktionsfähige Materialien formieren.

Im Forschungsfeld "Steuerbare Nanomaterialien" werden Nanomaterialien erzeugt, welche räumlich und zeitlich durch externe Reize gesteuert werden können, somit also einer kontrollierten Beeinflussung zugänglich sind. Dazu gehören Nanocontainer, molekulare Schichten, Gele und Hybridmaterialien.

In beiden Forschungsfeldern sind Verfahren aus dem Methodenfeld "Nanotools" nötig, um einerseits den Aufbau der Materialien mit der notwendigen Präzision zu erreichen und andererseits die Materialien sowohl in der Struktur als auch in der Funktion mit höchster Präzision zu überprüfen und zu verstehen.

Die in der Grundlagenforschung im SoN gewonnenen Erkenntnisse über den Aufbau von funktionellen Nanomaterialien können in Münster künftig zeitnah im Zentrum für Nanotechnologie (CeNTech), das im Juni sein zehnjähriges Bestehen feiern wird, und im Nano-Bioanalytik-Zentrum (NBZ), das gerade eingeweiht wurde, umgesetzt werden.

Informationen zur Förderung von Forschungsbauten an Hochschulen

Mit der 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform I wurde die Förderung von Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten eingeführt. Ziel ist es nach Angaben des Wissenschaftsrats, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme deutscher Hochschulen an nationalen und internationalen Wettbewerben in der Forschung zu verbessern. Bund und Länder stellen dafür jährlich zusammen 596 Millionen Euro zur Verfügung - davon sind 170 Millionen Euro für Großgeräte vorgesehen.

Der Wissenschaftsrat berät die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung.

 

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