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Münster (upm/bn)
Dr. Kai Reinhart (Mitte) mit Regisseur Marten Persiel (links) und Produzent Ronald Vietz<address>© WWU</address>
Dr. Kai Reinhart (Mitte) mit Regisseur Marten Persiel (links) und Produzent Ronald Vietz
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"Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen"

WWU-Wissenschaftler lieferte Material für Spielfilm

"Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich wollte immer etwas schreiben, was die Menschen interessiert." Und das ist Dr. Kai Reinhart von der Universität Münster gelungen. Seine Dissertation "Wir wollten einfach unser Ding machen" über Funsportarten in der DDR lieferte unter anderem die Grundlage für den Film "This ain't California", der am Mittwochabend Premiere in Berlin hatte. Am 10. August wird der Film über Skateboarder in Ostberlin auch in Münster beim Sommerkino vor dem Schloss zu sehen sein.

"This ain't California" gibt sich dokumentarisch, ist aber in Wirklichkeit ein Spielfim. "Der Film hat viele verschiedene Ebenen. Zu einem großen Teil spielen die Skater sich selbst, zweitens gibt es reale Figuren, die von Schauspielern dargestellt werden und die Hauptfigur Dennis ist vollkommen fiktional. Seine Erlebnisse aber sind größtenteils tatsächlich passiert wie die Wasserschlacht im Hotel bei der Euroskate 1988 in Prag", erzählt Kai Reinhart, der bei der Premiere im Kino "International" in der Berliner Karl-Marx-Allee dabei war.

Nicht nur bei den Figuren sind Realität und Fiktion bunt gemischt. Echte historische Aufnahmen aus den 1970er und 1980er Jahren wechseln sich mit Zeichentrickszenen im Stil von "Waltz with Bashir" und nachgedrehten Aufnahmen im historischen Look. Für diesen Mix gab es viel Lob, aber auch Verwirrung in den deutschen Feuilletons. Kai Reinhart ist sehr angetan von dem Film des Regisseurs Marten Persiel und der Produzenten Ronald Vietz und Michael Schöbel. "Man bekommt nicht immer ein historisch richtiges Bild, aber atmosphärisch stimmt es hundertprozentig", so der Historiker, der am Institut für Sportwissenschaft der Universität Münster arbeitet. "Ich finde es für einen solchen Film völlig legitim, wie Fakten und Fiktionen verbunden sind."

Sechs Jahre hat Kai Reinhart zum ostdeutschen Sport geforscht. Anfangs bekam er zu hören, so etwas wie Skateboarden habe es in der DDR nicht gegeben. Doch bei einem Anruf in einem Tituts-Shop in Chemnitz erwischte er den ersten ehemaligen "Rollbrettfahrer", wie sie in der DDR offziell genannt wurden. Im Schneeballsystem ging es dann weiter. Theoretische Grundlage seiner Arbeit waren die Ansätze von Michel Foucault. "Das Skaten in der DDR war eine scheinbar unpolitische Bewegung. Aber Foucault betont, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht so sehr die politischen Pateien, sondern eben diese scheinbar unpolitischen Strömungen die Politik bestimmt haben", erklärt der 37-Jährige. Widerstand sei danach als die Kunst zu verstehen, sich selbst zu regieren.

Und das konnten die Skater zweifelsohne. Genau wie ihre westlichen Vorbilder, allen voran Skater-Legende Titus Dittmann, der sich im Film selbst spielt und dessen Logo sie mit Kartoffelstempeln auf die Ostklamotten druckten, waren sie wild, bunt, schrill und unangepasst. "Wer damals mit einem Totenkopf-Shirt statt FDJ-Uniform zur Mathe-Olympiade ging, der wusste genau, dass das ein politisches Statement war, auch wenn er hinter keiner offiziellen Politik, egal ob DDR oder BRD stand", sagt Kai Reinhart. Und diese Haltung treffe "This ain't California" perfekt.

Schon zu Beginn ihrer Recherchen kam das Film-Team auf Kai Reinhart zu. Von ihm bekamen sie nicht nur die damals noch nicht veröffentlichte Dissertation, sondern auch die Namen und Adressen der ehemaligen Skater, die er interviewt hatte. Unbezahlbare Kontakte, denn die DDR-Skateboarder waren nur locker und informell organisiert. Und auch bei den Dreharbeiten war der Münsteraner involviert: "Wir haben einen Tag im Berliner Café Moskau gedreht. Ich sollte mich selbst spielen,  einen Wissenschaftler, der die Skater-Szene kommentiert. Im fertigen Film ist das Material nicht verwendet worden. Zum Glück! Ich weiß jetzt, warum ich Historiker und nicht Film-Star geworden bin ..."

"Wir wollten einfach unser Ding machen. DDR-Sportler zwischen Fremdbestimmung und Selbstverwirklichung", Kai Reinhart, Campus-Verlag, Frankfurt/Main 2010, 422 Seiten, 45 Euro

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