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Münster (upm/mk)
Von links: Babak Saed, Dr. Jörg Preckel, Prof. Dr. Ursula Nelles, Dr. Beate Tröger, Dr. Markus Vieth, Renate Ulrich<address>© WWU/Peter Grewer</address>
Von links: Babak Saed, Dr. Jörg Preckel, Prof. Dr. Ursula Nelles, Dr. Beate Tröger, Dr. Markus Vieth, Renate Ulrich
© WWU/Peter Grewer

Wie neu!

Universitäts- und Landesbibliothek wurde komplett umgebaut

"Wer die ULB seit gut zwei Jahren nicht gesehen hat, wird sie nicht wieder erkennen", meint Dr. Beate Tröger, Direktorin der Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB), mit einem Strahlen auf dem Gesicht. Seit August 2007 mussten Nutzer und Mitarbeiter auf einer Baustelle leben. Damit ist nun offiziell Schluss: Heute ab elf Uhr feierte die ULB zusammen mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW), der Universität und Gästen den Abschluss der Sanierungsmaßnahmen und die Anbringung des Kunstwerkes "GEHORCHEKEINEM" von Babak Saed.

Tatsächlich findet sich auf den ersten Blick nicht mehr viel vom Gebäude der ULB am Krummen Timpen, das 1973 eröffnet wurde. Wo vorher allzu schlichte Funktionalität wenig Raum und Licht zum angenehmen Lernen und Arbeiten bot, präsentiert sich jetzt ein transparenter Gebäudekomplex - hell, freundlich und modern. „Das ist für uns besonders wichtig", betont Tröger, wächst doch die Bedeutung der ULB als Lern- und Arbeitsort für die Studierenden stetig in den letzten Jahren. Die ULB ist nicht allein Bibliothek, sie ist auch zentraler Treffpunkt für das gemeinsame Lernen und den Austausch von Informationen auf dem Campus. Umso dringlicher sei daher auch der Erweiterungsbedarf gewesen, betont Tröger: Seinerzeit wurde für 15.000 Studierende geplant, heute sind es allein 40.000 von der WWU, die versorgt werden müssen. Hinzu kommen Wissenschaftler, Studierende anderer Hochschulen und die Nutzer aus Stadt und Region. Die in Spitzenzeiten bis zu 5.000 Besucher täglich verfügen nun über einen zusätzlichen Lesesaal für 12o Personen, über komfortable und helle Gruppenarbeitsplätze und modern ausgestattete PC-Arbeitsplätze. Insgesamt sind 3.500 qm zusätzliche Fläche entstanden. Die Mitarbeiter sind in ein neues Stockwerk auf dem Altbau gezogen und haben so Platz geschaffen für neue Nutzungsbereiche im Erdgeschoss. Zusammen mit der Erneuerung des Brandschutzes und der Komplettsanierung des Altbestandes vermittelt die ULB jetzt den Eindruck eines Neubaus.

„Der Neubau allerdings wäre nicht für 15,5 Mio Euro zu haben gewesen", erklärt Dr. Markus Vieth, Leiter der Niederlassung Münster des BLB NRW in Anspielung auf die Gesamtkosten der Maßnahme, die im August 2007 begann und offiziell im Juli 2009 abgeschlossen war. Als Vertreter des offiziellen Bauherren lobt er vor allem die gute Planung und enge Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Ständige und regelmäßige Bausitzungen im Kreis der Verantwortlichen, aber manchmal auch der kurze und gute persönliche Draht machten erst möglich, die Herausforderung zu meistern und eine der größten deutschen Universitätsbibliotheken im laufenden Betrieb zu erweitern, umzubauen und zu sanieren.

"Die menschliche Seite darf man wirklich nicht unterschätzen", bestätigt Tröger, und zielt damit ab auf die Situation der 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die sich die Arbeits-bedingungen und Abläufe nicht selten mehrmals von jetzt auf gleich verändert haben. „Es gibt wohl niemanden hier, der nicht mehr als einmal leise geflucht hat wegen Krach, Staub, Gestank oder anderen bösen Überraschungen", gibt sie zu und schließt sich selbst mit ein. Umso dankbarer ist sie, dass letztlich durch die sehr kooperative Haltung der Mitarbeiter alles zu einem guten und zufriedenstellenden Ende gekommen ist.

„Die Nutzerinnen und Nutzer konnten wenigstens flüchten, wenn es zu laut wurde", ergänzt Matthias Kayß, in der ULB zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Gesponserter Gehörschutz für die Mitarbeiter und ein stark frequentierter Ohrstöpselautomat für die Nutzer sorgten akut für Linderung. Vor allem aber machte ein Informationsportal im Internet alle notwendigen Informationen und Einschränkungen so früh wie möglich bekannt. So konnten sich die Betroffenen rechtzeitig auf alles einstellen. Klagen von Nutzern waren überaus selten. „Offensichtlich haben wir das meiste richtig gemacht", resümiert Kayß.

Drei Abschnitte umfasste die gesamte Baumaßnahme: den Bau des sogenannten Torhauses und des Lesesaal-Riegels, dann die Erweiterung des Foyers und die Aufstockung des Hauptbaus sowie abschließend die umfangreiche Sanierung des Altbaus mit der Erneuerung des Brandschutzes. Das neue Torhaus, das hauptsächlich Seminarräume beherbergt, und der angrenzende Lesesaal-Riegel wurden bereits im Juli 2008 im Rahmen eines Pressetermins eingeweiht und zur Nutzung an die ULB übergeben.

Durch die Errichtung dieser beiden Bauteile wurde nicht nur dringend benötigter Raum für die Nutzer der Bibliothek geschaffen, sondern auch das Gelände der ULB in städtebaulicher Hinsicht aufgewertet: Die Achse Schloss/Prinzipalmarkt führt direkt über das Areal, weswegen es neben den zahlreichen ULB-Besuchern auch viele Passanten als Durchgang nutzen. Vom Schloss kommend, blickten sie früher auf die westliche Rückseite der ULB mit ihren Stahlbetonrampen, Brüstungen, Treppen und problematischen Leerräumen. Auch der fehlende Abschluss des Areals zum Juridicum an der Südseite war nicht zufriedenstellend.
Die Erweiterungsbauten verbessert das Erscheinungsbild der ULB in beiderlei Hinsicht: Das sogenannte Torhaus verleiht dem ULB-Gelände als neues Entree ein attraktiveres Gesicht nach Westen hin. Das riegelförmige Lesesaal-Gebäude bildet den Abschluss des Geländes zum südlich gelegenen Juridicum.

Erweitert und neu gestaltet wurde auch das Foyer des ULB-Altbaus. Der östliche Trakt des Altbaus wurde zudem um ein Geschoss aufgestockt, um Platz für weitere Büroräume zu schaffen. In der Bibliothek wurde eine neue Buchförderanlage installiert. Die komplette Altbaufassade wurde saniert und der Brandschutz im gesamten Gebäude erneuert.

Nach dem Abschluss der Bauarbeiten hat der im Iran geborene und in Bonn lebende Künstler Babak Saed die neu gestaltete ULB mit seinem Werk schließlich eindrucksvoll ergänzt. In großen Leuchtbuchstaben wurde der Schriftzug „GEHORCHEKEINEM" über Eck an der neu entstandenen Glassfassade des Foyers angebracht.

Der Künstler will mit dieser ungewöhnlichen Installation bewusst irritieren. Mit einem kritisch-hintergründigen Blick auf den Ort der Hochschulbibliothek fordert er junge Menschen in Wissenschaft und Studium dazu auf, Informationen kritisch zu nutzen, den Blickwinkel zu ändern, einmal erlernte Regeln in Frage zu stellen und durch deren Bruch Neues entstehen zu lassen. Die Art der Anbringung des Kunstwerks ist die konsequente Umsetzung dieser Botschaft. Die Anordnung des Schriftzuges übereck macht es dem Betrachter nicht leicht, ihn vollständig in den Blick zu nehmen. Je nachdem, von welcher Seite er sich der ULB nähert, wird er zunächst mit „GEHORCHE" oder mit „KEINEM" konfrontiert. Das Werk sperrt sich so gegen eine allzu oberflächliche Betrachtung und verlangt vom Betrachter auch in physischer Hinsicht ein aktives Zugehen.

Das 65.000 Euro teure, von der Staatskanzlei des Landes NRW gestiftete Kunstwerk ist seit seiner Installation Ende September kontrovers diskutiert worden - sei es von Studierenden, Wissenschaftlern oder der Bevölkerung Münsters. Kritische wie lobende E-Mails, Briefe und zuletzt auch eine bis in die überregionale Presse reichende Resonanz begleiten das Kunstwerk und verhindern dabei, dass die vierzehn roten Leuchtbuchstaben als programmatische Leuchtreklame missverstanden werden. Matthias Kayß sieht im Kunstwerk keine Gefahr: „Wenn man vor diesen übergroßen Lettern steht, versteht man sofort, dass hier nicht agitiert wird". Dieses Kunstwerk verkünde keine einfachen Wahrheiten, sondern sträube sich gegen sie, so Kayß: „So sollte Kunst sein!".

Während die Kontroverse um die Kunst in der ULB eher begrüßt wird als gefürchtet, macht eine andere Meinung den Verantwortlichen zu schaffen: „Da habt ihr ja ein schönes neues Haus gebaut von unserem Geld! - das bekommen wir schon öfter mal zu hören von unseren Nutzern", beklagt Tröger. Und trotz wiederholter Versuche der Klarstellung lässt sich das Gerücht nicht kleinkriegen, die zusätzlichen Mittel aus den Studienbeiträgen seien für Bau und Kunst verwendet worden. Tröger stellt noch einmal klar: „Kein einziger Cent der Studienbeiträge ist in Umbau, Sanierung oder den Erweiterungsbau geflossen - vom Kunstwerk ganz zu schweigen!".

Alle Mittel aus den Taschen der Studierenden fließen ausschließlich in drei Arten von Erweiterungen, die allesamt nichts mit Baumaßnahmen zu tun haben: die erweiterten Öffnungszeiten (Mo - Fr: 8-24; Sa und So: 10 - 18 Uhr), die Erweiterung des Bestandes in der Lehrbuchsammlung sowie die Erweiterung des Angebots an elektronischen Medien.

Die Freude über den abgeschlossenen Bau ist spürbar unter den Beteiligten. Dennoch richtet sich bereits ein besorgtes Auge der Bibliothekarin Tröger auf die Zukunft: „Wir haben jetzt viel erreicht für die Nutzer in unserem Haus, aber unsere Magazinflächen werden knapp". Bis 2011 oder 2012 reiche der Platz noch, dann sei Schluss. Danach müssten Ausweichflächen zur Lagerung benötigter Bücher und Zeitschriften zur Verfügung stehen.

Markus Vieth vom BLB NRW zeigt Zuversicht in dieser Frage: „Wir haben das Problem erkannt und werden es auch nach der heutigen Schlüsselübergabe nicht vergessen. Auch hier wird sich gemeinsam rechtzeitig eine Lösung finden".

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